Energie macht Zukunft

Handlungsempfehlungen der Energiewirtschaft für die 20. Wahlperiode 

Die Energiewirtschaft steht bereit. Sie ist der Leitsektor für die Umsetzung des European Green Deals. Mit ihren Investitionen, Produkten, Dienstleistungen und Infrastrukturen, ihren Ideen und Erfahrungen bewältigen die Unternehmen der Energiewirtschaft nicht nur die Energiewende. Sie schaffen auch die Basis für eine erfolgreiche Dekarbonisierung im Verkehr sowie in Industrie und Gewerbe. 

Die neue Bundesregierung muss sich auf die Schaffung kluger Rahmenbedingungen und notwendiger Voraussetzungen für ein „Klimaschutz-Wachstum“ konzentrieren, anstatt Innovation und Initiativen mit bürokratischer Übersteuerung zu hemmen. Sie muss die bestehenden Herausforderungen ehrlich anerkennen, entschlossen sein sie zu lösen, und klare Prioritäten setzen. Wir, der BDEW, ob kommunale Stadtwerke oder private Unternehmen, wollen dies mit voller Kraft unterstützen und stellen in dieser Broschüre dar, wie Energie Zukunft macht. 

2030 vor Augen, Klimaneutralität im Blick: Wege zur Energieversorgung von morgen

Handlungsempfehlungen für die 20. Legislaturperiode: Das Wichtigste in Kürze

Der BDEW spricht sich dafür aus, den Flächenbedarf für Windenergie gesetzlich festzuschreiben und die ausreichende Flächenbereitstellung als Bedingung für den Ausschluss von Flächen verankern. Weiterhin muss das Flächenpotenzial von Dächern stärker genutzt werden. Hierzu bedarf es Solarstandards bei Neubau und Sanierung öffentlicher sowie gewerblicher Gebäude. Auch Städte und Gemeinden müssen im Rahmen der Bauleitplanung Maßnahmen festsetzen, damit Neubaugebiete und Neubauten „PV-ready“ geplant werden. Wie der notwendige PV-Boom gelingen kann, schreibt der BDEW auch in seiner PV-Strategie, die Sie hier finden.

Stephan Schindele, Head of Product Management Agri-PV, BayWa r.e. Solar Projects GmbH

Durch das Förderende für eine zunehmende Zahl von Windparks wird der Ersatz alter Windräder durch neue, leistungsfähigere Anlagen (Repowering) zum zweiten Standbein für den Ausbau der Windenergie. Um bereits genutzte Flächen zu erhalten, muss der Bund im Bauplanungs-, Naturschutz- und Immissionsschutzrecht den Verbesserungsgedanken verankern. So können Repowering-Projekte genehmigt werden, wenn sie die Umweltauswirkungen der bestehenden Anlage spürbar reduzieren.

Im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Artenschutz und Energiewende müssen rechtsverbindliche Standards den Vollzug des Artenschutzrechts für alle Verfahrensbeteiligten – Vorhabenträger, Anwohner, Gerichte, Behörden und interessierte Öffentlichkeit – transparenter und planbarer machen. Dabei geht es nicht um weniger Artenschutz, sondern vor allem um rechtssichere Ausführbarkeit. Auch auf EU-Ebene besteht Handlungsbedarf: Die einschlägigen Richtlinien sollten dahingehend überarbeitet werden, dass sie eindeutig Populations- vor Individuenschutz stellen und eine rechtssichere Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zulassen.

Die im EEG 2021 festgelegten Ausbauziele bilden den tatsächlichen Bedarf an Erneuerbaren Energien, der sich aus der höheren Ambition des European Green Deal und des neuen Klimaschutzgesetzes ergibt, nicht ab. Das Ausbauziel von 65 % ist zu niedrig, eine Anhebung des EE-Ausbauziels auf mindestens 70 % ist notwendig. Außerdem ist trotz Effizienzsteigerungen ein Anstieg des Stromverbrauchs zu erwarten, nicht nur wegen der Sektorkopplung, sondern auch wegen der Digitalisierung. Der BDEW geht für 2030 von einem Strombedarf von etwa 700 TWh aus. Soll der Strombereich bis spätestens 2045 klimaneutral sein, muss bis 2030 ambitionierter ausgebaut werden.

Dadurch wird eine Anhebung der Ausbaupfade im EEG notwendig: Dies könnte für 2030 etwa 100 GW für Wind-Onshore, mindestens 150 GW für PV (Dach und Freifläche) und 11 GW für Biomasse bedeuten. Ein solcher Zubau von über 100 GW Photovoltaik in einem Jahrzehnt erfordert einen nie dagewesenen PV-Boom. Zudem müssen die Weichen für Wind-Offshore langfristig und als europäisches Projekt gestellt werden. Dazu gehören Ausbaupfade bis 2040 von 40 GW, die Ermöglichung grenzüberschreitender Projekte und ein europäisches Offshore-Marktdesign. Für Wasserkraft sind der Bestandsschutz zu gewährleisten und Modernisierungsanreize zu setzen.

In den kommenden Jahren droht eine empfindliche Verschlechterung des Investitionsklimas. Durch neue Vorgaben der BNetzA, bspw. zur Eigenkapitalverzinsung, können die Erträge der Netzbetreiber deutlich zurückgehen, in manchen Fällen um bis zu 40 %. Dies steht in klarem Widerspruch zu dem steigenden Aus- und Umbaubedarf der Netze. Davon wären mittelbar auch die (häufig kommunalen) Anteilseigner der Unternehmen betroffen. Eine investitionsfreundliche Netzregulierung muss sichergestellt werden. 

Neben einer attraktiven Verzinsung der Investitionskosten (CAPEX) sind weitere regulatorische Anreize für die Anerkennung von Betriebskosten (OPEX) sinnvoll. Netzbetreiber hätten dadurch einen größeren Spielraum, innovative und hochmoderne digitale Lösungen für einen effizienten Betrieb einzusetzen. Daneben müssen die Weichen für die Weiterentwicklung von Smart Metern gestellt sowie einheitliche Regeln für Steuerung und Lastmanagement erlassen werden.  

Mit 51 % machen staatlich veranlasste Steuern, Abgaben und Umlagen den größten Teil am Strompreis aus. Das größte Potenzial für Entlastungen bietet die EEG-Umlage. Das hohe Strompreisniveau ist nicht nur eine Belastung für Unternehmen und Verbraucher, sondern vor allem auch ein Bremsklotz für die Sektorkopplung. 

Darum sollte die neue Bundesregierung spätestens bis 2026 die EEG-Umlage schrittweise auf null reduzieren und damit vollständig aus der Umlagefinanzierung der Erneuerbare-Energien-Förderung durch die Stromkunden aussteigen. Bestehende und neue Förderzusagen werden zunehmend mit Einnahmen aus der CO2-Bepreisung finanziert. Die EEG-Förderung selbst bleibt davon unberührt. Haushaltspolitisch motivierte Beschränkungen des geförderten EE-Ausbaus müssen ausgeschlossen werden. 

Eine vorausschauende Energiepolitik muss Wasserstoff zu einem breit verfügbaren Massenprodukt machen. Hierfür ist v. a. auch eine Induzierung von Maßnahmen in allen Zielsektoren notwendig. Unter anderem ist es notwendig, dass der Wärmesektor in der Wasserstoffstrategie stärker berücksichtigt wird. Dazu müssen auch die notwendigen technischen Voraussetzungen bei den Verbrauchsanlagen geschaffen werden.

Um dies sicherzustellen, sollte ein H₂-Ready-Standard für neue Gasanwendungen eingeführt werden. Da die Treibhausgasminderung das übergeordnete Ziel sein muss, bedarf es der Einbeziehung aller Optionen zur Dekarbonisierung. Flankierend müssen ein Handelssystem für klimaneutrale Gase etabliert und die Infrastruktur H2-fit gemacht werden.

Bereits 31 % der Fernwärme werden klimaneutral erzeugt. Dieser Anteil muss beständig wachsen. Zentral sind rechtzeitige Investitionen in neue KWK-Anlagen, die sukzessive auf klimaneutrale Gase umstellen und weitere klimaneutrale Wärmequellen erschließen. Hierfür ist eine Reform des KWKG notwendig, die Investitionssicherheit, Dekarbonisierung und Flexibilisierung in den Fokus nimmt. 

Außerdem muss Deutschland auf eine praxisgerechte Bewertung von Gas-(KWK)-Kraftwerken in der EU-Taxonomie hinwirken. Wichtigstes Instrument für die Transformation der Wärmenetze ist eine langfristig ausreichende Finanzierung für die BEW (Bundesförderung Effiziente Wärmenetze). Als zusätzliche Maßnahme muss zudem die vollständige Berücksichtigung von Biomasse und klimaneutralen Gasen in der BEW (Bundesförderung Effiziente Wärmenetze) nachgeholt werden.

2023 steht eine Überprüfung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) an. Diese sollte genutzt werden, um der Nutzung und Erzeugung Erneuerbarer Energien im Gebäudebereich einen zusätzlichen Impuls zu verleihen. Der wichtigste Schritt hierzu ist der Wechsel der Leitgröße von Primärenergie zu CO₂. Im Zuge der Energiewende werden die verschiedenen Energieträger immer klimafreundlicher, weshalb regelmäßige Anpassungen der CO₂-Faktoren sinnvoll sind. 

Dabei ist die angemessene Berücksichtigung klimaneutraler Gase und Wärme aus Power-to-Heat-Anlagen essenziell. Flankierend zur Stärkung des Prosumings sollte zudem der PV ein größeres Gewicht bei der Erfüllung der energetischen Vorgaben zukommen, indem der Nutzerstrombedarf in die energetische Bilanzierung aufgenommen wird.

Ein massiver Aufbau der Ladeinfrastruktur ist in den kommenden Jahren notwendig. Bis zu 15 Mio. Elektrofahrzeuge müssen bis 2030 auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Statt starrer Ausbauzahlen für die Ladeinfrastruktur sind ein kontinuierliches Monitoring und eine entsprechende Anpassung der Ausbauziele („moving target“) erforderlich.

Dabei muss v. a. berücksichtigt werden, wie sich das Verhältnis von Schnell- zu Normalladepunkten entwickelt und wie gut ausgebaut das private Ladenetz ist. Grundsätzlich sollte der Ausbau insbesondere der öffentlichen Infrastruktur marktgetrieben erfolgen. Dafür ist die wirtschaftliche Auslastung zentral. Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur müssen also gemeinsam wachsen (s. u.). Dazu sind v. a. ein verlässlicher Ordnungsrahmen mit klaren, praktisch umsetzbaren Regelungen sowie eine ambitionierte Fortschreibung der Flottengrenzwerte . 

Um Potenziale zum Laden beim Arbeitgeber zu heben, bieten sich steuerliche Anreize oder Förderprogramme für Arbeitgeber an. Eine zeitnahe Evaluation der Vorgaben für Ladeinfrastruktur im Gebäudebereich (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG)) macht dort zusätzlichen Hand-lungsbedarf erkennbar und bietet die Grundlage für notwendige Weiterentwicklungen. Um einen schnellen Anschluss zu gewährleisten, sollten klare Regeln und Anreize zur optimalen Anbindung und Ausgestaltung der Ladevorgänge im Verteilnetzsystem aufgestellt werden. 

Im Sinne des European Green Deals muss sich Deutschland in Europa dafür einsetzen, die Bepreisungsinstrumente auf die Klimaneutralität auszurichten und fortzuentwickeln, aber unnötige, volkswirtschaftlich schädliche Verwerfungen zu vermeiden. Einen ersten wichtigen Schritt bildet die Zielanhebung im EU-Emissionshandel. Diese wird auch die Dekarbonisierung der deutschen Stromerzeugung maßgeblich beschleunigen.

Ein europaweites, alle Sektoren umfassendes Emissionshandelssystem kann mittelfristig helfen, CO₂ möglichst effizient einzusparen. Eine sofortige Ausweitung des EU-ETS würde für die Energiewirtschaft und Industrie aber zu hohen Belastungen führen. Deutschland sollte dafür eintreten, die Ausweitung des ETS auf Wärme und Verkehr erst nach 2030 zu vollziehen. Bis dahin ist eine Anpassung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes an das neue 2030-Ziel (Preispfad, Minderungsziel) notwendig.

Zusatzeinnahmen durch höhere Preise im Brennstoffemissionshandel sollten vorzugsweise verwendet werden, um zusätzliche Lenkungswirkungen zugunsten von CO₂-Einsparung zu generieren. Das gilt für die Senkung des Strompreises ebenso wie für eine beschleunigte Transformation durch klimaneutrale Gase und grüne Fernwärme.

Der Zubau der Erneuerbaren Energien sollte zunehmend durch Markterlöse mithilfe von Lieferverträgen (Green PowernPurchase Agreements (Green PPAs)) finanziert werden, wie es bereits bspw. bei einigen PV-Freiflächenprojekten gelingt. So werden die Marktintegration befördert und der Förderbedarf reduziert. Steigende CO₂-Preise im EU-Emissionshandel werden dazu einen entscheidenden Beitrag leisten, müssen aber von weiteren Maßnahmen flankiert werden.

Stromintensive Unternehmen müssen die Strompreiskompensation auch für Green PPAs beanspruchen dürfen, um die Nachfrage aus der Industrie zu stimulieren. Für einen spürbaren Anstieg von Green PPAs muss es attraktiver werden, außerhalb des EEG zu investieren.

Dafür bedarf es eines Überangebots an genehmigten Projekten und damit eines Wettbewerbs in den Ausschreibungen. Hierfür müssen die notwendigen Bedingungen geschaffen werden. Wichtig ist zudem, Klarheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen langfristiger Lieferverträge zu schaffen. Auch müssen gleiche ordnungsrechtliche und technische Anforderungen für geförderte und nicht geförderte Anlagen angelegt werden.

Innovationsoffene und praxisnahe Regelungen für den Einsatz digitaler Technologien (bspw. von Künstlicher Intelligenz) müssen die Nutzung ihrer enormen Potenziale aktiv befördern, statt sie durch neue Hürden auszubremsen. Durch eine Verstärkung der KI-Forschung mit Energiebezug können diese zudem deutlich vergrößert werden.

Eine stärkere Koordinierung und Harmonisierung von Förderprogrammen und Initiativen erleichtert gerade kleineren Unternehmen die Nutzung bestehender Angebote der öffentlichen Hand und fördert somit eine schnellere Verbreitung innovativer Lösungen. Durch die gleichzeitige Förderung von Innovation und Anwendung kann die Energiewirtschaft zu einem Leitsektor für die Anwendung digitaler Innovationen werden.

Marion Rövekamp, Vorständin Personal und Recht, EWE AG

Mit der Digitalisierung gewinnt der Schutz energiewirtschaftlicher Anlagen und Einrichtungen vor Bedrohungen aus dem digitalen Raum an Bedeutung. Deutschland sollte sich für die Stärkung der Cyberabwehrfähigkeit und digitalen Resilienz auf europäischer Ebene einsetzen. Dabei sollte die Stärkung der operativen IT-Sicherheit und der Verantwortung von Herstellern und Dienstleistern im Fokus stehen.

Erneuerbare im Zentrum: Ein Energiemarkt für 2030

  • Marktbarrieren abbauen: Zugänge für Prosuming und Flexibilität schaffen

  • Energiepreisreform: EEG-Umlage schrittweise abschaffen, Emissionshandelssysteme auf Klimaziele ausrichten

  • Versorgungssicherheit: langfristig vorausschauen, wirksam absichern

  • Erneuerbare: Ausbauziel anheben, marktlichen Zubau stärken, Förderung weiterentwickeln

 

Netzinfrastrukturen stärken für klimaneutrale Energie

  • Netzausbau: notwendige Investitionen im Regulierungsrahmen absichern

  • Moderne Stromnetze: Lastmanagement regeln, Smart Meter weiterentwicklen

  • Infrastrukturplanung: Netze integriert betrachten

 

Verkehrswende mit System: Mehr als nur Autos

  • Alternative Antriebe: Flottengrenzwerte fortschreiben

  • Öffentliches Ladenetz: verlässlicher Rahmen für weiteren Ausbau

  • Privates Laden: Anreize verbessern, Netzintegration mitdenken

 

Klimaneutrale Gase: Multitalente erkennen

  • Handel: Europäisches Handelssystem etablieren

  • Infrastruktur: Umbauen statt neu bauen

  • Verfügbarkeit: Heimische Produktion hochfahren, Importstrategie verfolgen, Wasserstoff zum günstigen Massenprodukt machen

  • Nachfrage: Anwendung in Zielsektoren vorantreiben

 

Wärmewende wird vor Ort gemacht

  • Fernwärme: KWKG modernisieren, BEW verstetigen

  • Neubau: alle CO2-freien Energien ins GEG

  • Bestand: Förderung verstetigen, Contracting erleichtern

 

Energiewende und Digitalisierung ermöglichen, vereinfachen, beschleunigen

  • Flächen für Anlagen und Infrastrukturen: Verfügbarkeit im Planungsrecht sichern

  • Schnellere Genehmigungen: digitale Akte, Artenschutz-Standards und Präklusion einführen

  • Digitale Transformation: innovationsfreundliches Umfeld schaffen, digitale Basisinfrastruktur ausbauen

  • Fesseln lösen: Bürokratie abbauen, Beihilferecht Green-Deal-ready machen

 

Bundestagswahl-Broschüre "Energie macht Zukunft"

Poster zur Bundestagswahl-Broschüre "Energie macht Zukunft"

Kurzübersicht der Bundestagswahl-Broschüre "Energie macht Zukunft"

 


Ihre Ansprechpartner für die Bundestagswahl-Broschüre: 

Tilman Schwencke
Geschäftsbereichsleiter Strategie und Politik
Telefon +49 30 300 199-1090
tilman.schwencke@bdew.de

Michael Koch
Referent im Geschäftsbereich Politik & Strategie
Telefon +49 30 300 199-1067
michael.koch@bdew.de

Leonie Frenking
Online-Redakteurin 
Tel. +49 30 300 199-1163
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