Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat heute eine Studie veröffentlicht, die die Kosten und eine verursachungsgerechte Finanzierung einer 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen untersucht. Die Studie wurde von der Beratungsgesellschaft Civity Management Consultants erstellt. Hintergrund sind Forderungen nach einer deutschlandweiten Einführung einer so genannten 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen.
Diese zusätzliche Klärstufe ist nach Vorstellung einiger Akteure eine geeignete Antwort auf die zunehmende Belastung der Gewässer mit Spurenstoffen, also beispielsweise Rückständen von Arzneimitteln. Neue Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass auch die Filtertechniken einer 4. Klärstufe nicht in der Lage sind, alle unerwünschten Stoffe vollständig aus dem Wasser zu entfernen. Zudem können durch die Filterung neue Abbauprodukte entstehen, die dann in die Gewässer gelangen. Die Techniken einer weiteren Klärstufe sind überdies kostenintensiv, sie betragen pro Jahr 1,2 Milliarden Euro. Würden die Unternehmen der Abwasserwirtschaft verpflichtet, in allen Kläranlagen eine vierte Stufe einzubauen, müssten die Investitionskosten auf die Gebührenzahler umgelegt werden.
Die vom BDEW in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass dies eine Erhöhung der Abwassergebühren um 17 Prozent und mehr für einen Vier-Personen-Haushalt zur Folge hätte. Zudem hätte eine 4. Reinigungsstufe keinerlei Lenkungswirkung: Hersteller von Arzneimitteln hätten keinen Anreiz, verstärkt auf umweltschonende Stoffe zu setzen oder diese – wo möglich – zu entwickeln. „Da Kläranlagen auch mit neuen Techniken nicht alle Stoffe herausfiltern können, müssen wir an der Quelle der Verschmutzung ansetzen. Das Verursacherprinzip muss gestärkt werden, die Abwasserwirtschaft ist nicht der Reparaturbetrieb unserer Gesellschaft“, sagte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser.
In der Studie wird deshalb eine Abgabe auf Arzneimittel vorgeschlagen. Basis sind die Kosten, die die Einführung der 4. Klärstufe verursachen würden. Die Kosten von 1,2 Milliarden Euro pro Jahr entsprechen einer Abgabe in Höhe von ca. 2,5 Cent/DDD (daily defined dosis) auf die rezeptpflichtigen Medikamente in Deutschland. Bezogen auf die Einnahme eines Medikaments beispielsweise über 30 Tage hinweg ergäbe sich so eine vergleichsweise geringe Belastung von 0,75 Euro. Die Finanzierung über Medikamente wäre laut Studie verursachungsgerecht und würde die Kosten auf alle Beteiligten (Hersteller, Handel, Apotheken, Krankenkassen und ggf. Patienten) verteilen.
Als weitere Möglichkeit sieht die Studie eine Fondlösung: Die Hersteller pharmazeutischer Produkte würden entsprechend der Umweltbelastung von Medikamenten Gelder in einen Fonds einzahlen. Aus dem Fonds werden dann Maßnahmen zur Beseitigung der entstandenen Umweltschäden finanziert. So würde Verursachungsgerechtigkeit mit dem geringsten Verwaltungsaufwand aller möglichen Optionen kombiniert.
Eine wesentliche Schlussfolgerung der Studie ist auch, dass es am effektivsten ist, den Schadstoffeintrag zu vermindern und vorbeugende Maßnahmen zu treffen.
„Notwendig ist eine neue Arzneimittelstrategie für Deutschland vom Hersteller bis zum Verbraucher. Die verantwortlichen Stellen sollten außerdem bei der Zulassung verstärkt auf die Umweltverträglichkeit der Medikamente achten. Die Bedeutung dieses Themas wird immer wichtiger: Laut Studien wird der Arzneimittelkonsum in Deutschland bis zum Jahre 2045 um bis zu 70 Prozent steigen. Deshalb muss die Vermeidung von Schadstoffeinträgen in den Mittelpunkt rücken“, so Weyand.
Die Studie steht weiter unten zum Herunterladen zur Verfügung.