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Das große H

 

Re­ge­ne­ra­tiv unterwegs mit Was­ser­stoff: Wunsch­traum des In­ge­nieurs oder rea­lis­ti­sche Al­ter­na­ti­ve? Ein Blick auf den Stand der Dinge

Wasserstoff Moleküle

© shutterstock/AnusornNakdee

Vor 180 Jahren führte der deutsch-schwei­ze­ri­sche Wis­sen­schaft­ler Christian Friedrich Schönbein ein fol­gen­rei­ches Ex­pe­ri­ment durch: Er umspülte zwei in Salzsäure liegende Platin­dräh­te mit Was­ser­stoff und Sau­er­stoff und stellte zwischen den Drähten eine elek­tri­sche Spannung fest – eine einfache Brenn­stoff­zel­le war geboren. Heute ist die Brenn­stoff­zel­le eine von mehreren Mög­lich­kei­ten, sich emis­si­ons­frei fort­zu­be­we­gen. Was Was­ser­stoff als Treib­stoff in­ter­es­sant macht, ist, dass bei der Nutzung lediglich Wasser als Ab­fall­pro­dukt entsteht. Doch im Vergleich zur Elek­tro­mo­bi­li­tät per Akku kommt die Was­ser­stoff­mo­bi­li­tät nicht so richtig in Schwung – die derzeit etwa 350 in Deutsch­land und 6.500 weltweit zu­ge­las­se­nen Brenn­stoff­zel­len-Kfz stellen eher eine ver­nach­läs­sig­ba­re Größe dar. Die "Süd­deut­sche Zeitung" schrieb im März 2018 gar, die Brenn­stoff­zel­le sei aufgrund ihrer Kom­ple­xi­tät und der rasanten Wei­ter­ent­wick­lung der klas­si­schen Ak­ku-Tech­no­lo­gi­en ein "Mil­li­ar­den­grab für Au­to­her­stel­ler". An­de­rer­seits: Als das Be­ra­tungs­un­ter­neh­men KPMG in einer aktuellen Studie in­ter­na­tio­na­le Füh­rungs­kräf­te der Au­to­mo­bil­bran­che befragte, gab es ein deut­li­ches Ergebnis. Mehr als zwei Drittel der Befragten rechnen damit, dass das Brenn­stoff­zel­len­au­to bis zum Jahr 2025 eine gleiche oder ähnliche Relevanz wie das Elek­tro­au­to hat.  

Zum einen haben Brenn­stoff­zel­len­au­tos eine Reich­wei­te, die ver­gleich­bar mit der von fossil ge­trie­be­nen Fahr­zeu­gen ist. Auch der Tank­vor­gang dauert bei beiden Fahr­zeug­ty­pen ähnlich kurz. Zum anderen müssen sich Besitzer eines Brenn­stoff­zel­len­au­tos keine Gedanken über eine heimische La­de­sta­ti­on machen. In der Summe ergeben sich gerade für Lang­stre­cken­fah­rer und Mit­tel­stre­cken­pend­ler Vorteile gegenüber ak­ku­ge­trie­be­nen Fahr­zeu­gen – zumindest in der Theorie.

Doch es gibt noch Her­aus­for­de­run­gen. Die zentralen benennt Dr. Tom Smolinka vom Fraun­ho­fer-In­sti­tut für Solare En­er­gie­sys­te­me ISE: "Bei der Er­rich­tung der not­wen­di­gen In­fra­struk­tur zum Tanken von Was­ser­stoff haben wir es mit einem typischen Hen­ne-Ei-Di­lem­ma zu tun. Brenn­stoff­zel­len­fahr­zeu­ge lassen sich nur verkaufen, wenn es genügend Tank­stel­len gibt; Tank­stel­len­be­trei­ber in­ves­tie­ren aber erst ihr Geld, wenn aus­rei­chend Brenn­stoff­zel­len­fahr­zeu­ge auf der Straße unterwegs sind. Auch werden hier­zu­lan­de bisher erst ein bis zwei Prozent des Was­ser­stoffs wirklich kli­ma­freund­lich erzeugt. Und drittens hat unsere Au­to­mo­bil­in­dus­trie gegenüber asia­ti­schen Her­stel­lern viel zu lange am Diesel fest­ge­hal­ten."

Das Rennen ist noch nicht verloren

Tat­säch­lich wird der Weltmarkt für Brenn­stoff­zel­len­au­tos von asia­ti­schen Her­stel­lern – ins­be­son­de­re Honda, Hyundai und Toyota – dominiert. Besser steht Europa bei Fahr­zeu­gen für den öf­fent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr da: Der fran­zö­si­sche Her­stel­ler Alstom, der zurzeit eine Fusion mit Siemens anstrebt, hat 2016 einen Zug mit Brenn­stoff­zel­len­an­trieb vor­ge­stellt, der 2018 seinen Betrieb auf der Strecke Bre­mer­vör­de–Buxtehude aufnahm – laut Her­stel­ler der weltweit erste Per­so­nen­zug, der von einer Was­ser­stoff­brenn­zel­le an­ge­trie­ben wird. Bis 2021 will Alstom insgesamt 14 Brenn­stoff­zel­len­zü­ge an die Lan­des­ver­kehrs­ge­sell­schaft Nie­der­sach­sen übergeben.

Auch der was­ser­stoff­be­trie­be­ne Bus­ver­kehr steht in Europa längst in den Start­lö­chern: So haben unter anderem Daimler, der Memminger Bus­her­stel­ler ebe Europa und das nie­der­län­di­sche Un­ter­neh­men Van Hool se­ri­en­rei­fe Brenn­stoff­zel­len­bus­se im Portfolio, die in zahl­rei­chen eu­ro­päi­schen Städten unterwegs sind. Ein För­der­topf der EU namens "H2Bu­s­Eu­ro­pe" be­schleu­nigt die Ent­wick­lung: Mit einem 40 Millionen Euro schweren Etat soll die An­schaf­fung von 600 Brenn­stoff­zel­len­bus­sen und der nötigen In­fra­struk­tur gefördert werden. Allein ein Drittel der Fahrzeuge geht übrigens nach Dänemark: Ko­pen­ha­gen will bis 2025 die erste CO₂-neutrale Stadt der Welt werden.  

Noch Zu­kunfts­mu­sik, aber bereits der La­bor­pha­se ent­wach­sen, ist die Nutzung von Brenn­stoff­zel­len für den Schiffs- und Flug­ver­kehr: Airbus und Boeing, aber auch die Uni­ver­si­tät Stuttgart und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) er­for­schen zurzeit den Was­ser­stoff­an­trieb für bemannte und un­be­mann­te Flugzeuge. Die Pa­pen­bur­ger Meyer Werft testet Brenn­stoff­zel­len auf ihrer "MS Mariella" und das DLR beteiligt sich an der Ent­wick­lung der weltweit ersten was­ser­stoff­be­trie­be­nen Hoch­see­fäh­re, die 2021 den Pen­del­ver­kehr zwischen den schot­ti­schen Inseln Orkney und Shapinsay über­neh­men soll.

Magazin_1-2019-Wasserstoff-Infografik
Quelle: BDEW

Viele Wege führen zur Dekar­bo­ni­sie­rung

Was­ser­stoff­mo­bi­li­tät ist nicht an die Brenn­stoff­zel­le gekoppelt, wie Tom Smolinka weiter erklärt: "Wir müssen mit Was­ser­stoff nicht zwingend Strom erzeugen. Wir können ihn auch in Raf­fi­ne­ri­en wei­ter­ver­ar­bei­ten und zum flüssigen En­er­gie­trä­ger, bei­spiels­wei­se Methanol, machen. Mit solchen Future Fuels lassen sich auch her­kömm­li­che Schiffe oder Flugzeuge betreiben."

Hinzu kommt, dass die be­ste­hen­de Gas­in­fra­struk­tur sich prin­zi­pi­ell für Transport und Spei­che­rung von Was­ser­stoff anbietet. In der For­schungs­ko­ope­ra­ti­on HYPOS bei­spiels­wei­se un­ter­sucht der Fern­lei­tungs­netz­be­trei­ber ONTRAS gemeinsam mit Partnern, ob sich die be­ste­hen­de Gas­in­fra­struk­tur für den Transport von Erd­gas-Was­ser­stoff-Ge­mi­schen sowie reinem Was­ser­stoff eignet. Hierfür sollen Stromnetz, Gasnetz, Gas­spei­cher und Was­ser­stoff-Pipe­lines zu einer in­tel­li­gen­ten In­fra­struk­tur für Strom­er­zeu­gung, Was­ser­stoff­ge­win­nung, Transport und Spei­che­rung vernetzt werden. "Schon seit 2013 trans­por­tiert ONTRAS aus Windstrom erzeugten Was­ser­stoff im Netz, ein­ge­speist aus zwei Power-to-Gas-An­la­gen. Seit 2018 speist eine der Anlagen auch Methan ein, das der Betreiber aus diesem Was­ser­stoff mit CO₂ aus re­ge­ne­ra­ti­ven Quellen erzeugt", so ON­TRAS-Ge­schäfts­füh­rer Ralph Bahnke. Man un­ter­stüt­ze das En­ga­ge­ment für den for­cier­ten Einsatz nach­hal­ti­ger Was­ser­stoff­tech­no­lo­gi­en zur Dekar­bo­ni­sie­rung der Wirt­schaft bei einer gleich­zei­tig ge­si­cher­ten, wett­be­werbs­fä­hi­gen und nach­hal­ti­gen En­er­gie­ver­sor­gung der EU-Länder, so Bahnke weiter: "Wir haben gezeigt: Unsere Gas-In­fra­struk­tur kann Was­ser­stoff. Jetzt brauchen wir ver­läss­li­che re­gu­la­to­ri­sche Standards, um die Tech­no­lo­gie in allen Sektoren möglichst kon­sis­tent vor­an­zu­trei­ben."

Text: Jochen Reinecke

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