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BDEW legt Reservemodell zur Stärkung der Versorgungssicherheit vor

Im Rahmen des Gasdialog 2015 hat der BDEW sein Gasreserve-Modell vorgestellt. Das marktwirtschaftlich orientierte Reservemodell stärkt die Versorgungssicherheit in Deutschland dauerhaft und orientiert sich gleichzeitig an volkswirtschaftlichen und marktbasierten Effizienzkriterien. Weiterhin ermöglicht es eine zielgenaue Anpassung an den regionalen Bedarf und an sich verändernde Rahmenbedingungen.

Der BDEW hat am 12. November 2015 den Branchenvorschlag zur Einführung eines Gasreserve-Modells veröffentlicht. Das aus zwei Elementen bestehende Modell wurde im BDEW von Mitgliedsunternehmen entlang der gesamten Erdgas-Wertschöpfungskette (Fernleitungsnetzbetreiber, Verteilnetzbetreiber, Gasspeicher- sowie Gashandels- und Gasvertriebsunternehmen) entwickelt. Das BDEW-Reservemodell hat das Ziel, das hohe Niveau der Versorgungssicherheit in Deutschland zu erhalten und weiter zu stärken. Anhand fundierter Analysen historischer Marktdaten (insbesondere Speicherfüllstände) und unter Berücksichtigung zukünftiger Marktentwicklungen sowie sich verändernder Rahmenbedingungen, hat der BDEW einen Modellvorschlag entwickelt, um auch künftig Extremsituationen sicher begegnen zu können.

Grundsätzlich haben die Analysen bestätigt, dass das deutsche System der Erdgasversorgung zu den sichersten der Welt gehört. Auch in der Praxis der vergangenen Jahre wurde deutlich, dass kritische Situationen beherrscht werden können. Um für Extremsituationen noch besser gewappnet zu sein und die Versorgungssicherheit in Deutschland dauerhaft zu stärken, hat der BDEW das Reservemodell entwickelt. Es ist marktwirtschaftlich orientiert und kosteneffizient, denn es vermeidet Wettbewerbsverzerrungen und ermöglicht einen offenen Anbieterwettbewerb. Weiterhin zeichnet sich das BDEW-Reservemodell insbesondere durch eine hohe Flexibilität aus. Die Absicherung kann zielgenau und entsprechend des regionalen Bedarfs ausgestaltet werden.

Extremszenario als Ausgangssituation

Als Ausgangssituation für die Ausgestaltung des Reservemodells wurde folgendes Szenario gewählt: Das Auftreten eines Extremwinters für einen Zeitraum von sieben Tagen in Kombination mit dem Ausfall einer wichtigen Infrastruktur – also einem Grenzübergangspunkt, von dem Erdgas aus einem Lieferland nach Deutschland transportiert wird. In einer umfassenden Erhebung wurden die Speicherfüllstände der vergangenen Jahre betrachtet. Die Speicherfüllstände schwanken dabei gemäß dem saisonalen und tageszeitlichen Erdgasverbrauch. Es zeigte sich, dass für den gesamten deutschen Erdgasmarkt bei niedrigen Speicherfüllständen am Ende des Winters das Erdgasaufkommen noch ausreichte, um den Bedarf jederzeit zu decken. Allerdings ergibt sich ein zusätzlicher regionaler Absicherungsbedarf in Süddeutschland, wenn die extremen Rahmenbedingungen des Ausgangsszenarios zugrunde gelegt und die Versorgung aller Kunden über einen Zeitraum von sieben Tagen betrachtet wird.

Kernelemente des Modellvorschlages

Konkret besteht das Branchen-Modell aus zwei aufeinander aufbauenden Elementen: Der systemnahen Flexibilitätsreserve und der Speicherkontrahierung durch die Fernleitungsnetzbetreiber. Im Rahmen der systemnahen Flexibilitätsreserve wird zunächst die Höhe des Absicherungsbedarfs anhand bestimmter Kriterien ermittelt - unter anderem anhand der historisch beobachteten Minimalfüllstände der deutschen Erdgasspeicher der vergangenen Jahre für den Zeitraum Februar. Die Fernleitungsnetzbetreiber schreiben jährlich den ermittelten Absicherungsbedarf aus. Dieser kann dabei durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet werden, wie beispielsweise die Vorhaltung der jeweiligen Erdgasmengen in Speichern oder die Abschaltung von Großverbrauchern auf Basis entsprechender vertraglicher Vereinbarungen. Die Auswahl erfolgt über eine Präqualifikation, wesentliches Kriterium ist hierbei die Gewährleistung der physischen Erfüllung. Da sich die Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren ggf. anders als gegenwärtig absehbar entwickeln können, werden Regionalität und Absicherungsbedarf regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst.

Das zweite Element sieht vor, dass Fernleitungsnetzbetreiber Erdgas-Speicherkapazitäten zeitlich und mengenmäßig begrenzt kontrahieren können. Hierunter sind Buchung und Pacht zu verstehen, ein Erwerb von Eigentum an Speichern ist ausgeschlossen. Die "FNB-Speicherkontrahierung" ermöglicht es, Restrisiken - beispielsweise durch Veränderungen von Markttrends, Aufkommensquellen oder der Infrastruktur – auszuräumen. Mit dieser Speicherkontrahierung werden auch die als gesichert angenommenen Speicherfüllstände gewährleistet, die für die Berechnung der systemnahen Flexibilitätsreserve angelegt werden. Auch der erforderliche Umfang dieses zweiten Elements soll regelmäßig überprüft werden.

Auf Basis der beiden oben genannten Elemente ergibt sich derzeit ein residualer Absicherungsbedarf in Höhe von insgesamt 2,1 Milliarden Kubikmetern, was weniger als 10 Prozent des aktuell verfügbaren Arbeitsgasvolumens der deutschen Speicher entspricht.

Einsatzreihenfolge und Finanzierung

Sofern die für die Aufrechterhaltung der Netzsystemstabilität erforderliche Regelenergie am Markt nicht zur Verfügung steht, kommt zunächst die systemnahe Flexibilitätsreserve zum Einsatz. Kann der Markt auch nach Abruf der systemnahen Flexibilitätsreserve keine ausreichenden Regelenergiemengen bereitstellen, greift die zusätzliche Absicherung über die Speicherkontrahierung der Fernleitungsnetzbetreiber.

Die Finanzierung des Reservemodells soll im Einklang mit der gesetzlich vorgesehenen Rollen- und Risikoverteilung über die Netznutzungsentgelte erfolgen. Nach ersten Berechnungen ergeben sich unter Zugrundelegung des derzeit berechneten Bedarfs jährliche Kosten in Höhe von ca. 140 bis 190 Millionen Euro.

Weiteres Vorgehen

Der BDEW wird dem Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) das Branchenmodell detailliert erläutern und sich weiterhin intensiv in die Debatte einbringen, um den rechtlichen Rahmen zur Einführung des BDEW-Reservemodells zu schaffen und so die Gasversorgungssicherheit weiter zu stärken. Mit einer Richtungsentscheidung des BMWi im Rahmen der Gasversorgungsstrategie (10-Punkte-Energie-Agenda) zur Gestaltung des Gasspeicherbetriebs wird bis spätestens Ende 2015 gerechnet.

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