Drucken

BDEW hat Stellungnahme zur Novellierung der Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung veröffentlicht

Nach Ansicht des BDEW sollte statt eines verpflichtenden Ansatzes zur regionalen Kooperation, wie im Verordnungsvorschlag vorgesehen, eine themenorientierte und anlassbezogene Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten veranlasst werden.

Die Europäische Kommission hatte am 16. Februar 2016 ein Paket zur Erdgasversorgungssicherheit vorgelegt. Kernelement ist ein Vorschlag zur Überarbeitung der Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 994/2010, Erdgas-SoS-VO). Des Weiteren beinhaltet es Strategiepapiere zum Thema LNG und Speicher sowie zur Wärme- und Kälteerzeugung. Der BDEW informierte ausführlich über die Vorschläge der EU-Kommission. Der Vorschlag zur Novellierung der Erdgas-SoS-VO ist das Ergebnis eines Konsultationsprozesses der EU-Kommission, in dem sich der BDEW mit Stellungnahmen vom 1. April 2015 und 9. September 2015 eingebracht hatte. Zum jetzt vorliegenden Novellierungsvorschlag der Erdgas-SoS-VO hat der BDEW nach detaillierter Prüfung und Bewertung der vorgesehenen Neuerungen Stellung genommen, um die nun angelaufenen Beratungen vom Europäischen Parlament und Rat der EU aktiv zu begleiten.

Anlassbezogene und themenorientierte grenzüberschreitende Kooperation von Mitgliedstaaten statt verpflichtendem Top-Down-Ansatz

Eine wesentliche Neuerung im Verordnungsvorschlag ist der Ansatz, die EU-Mitgliedstaaten in vorgegebenen Regionen zu bündeln und sie in der Ausgestaltung gemeinsamer Risikoanalysen sowie der Präventions- und Notfallpläne zur Kooperation zu veranlassen. Der Vorschlag der Kommission sieht Deutschland in einem Länderverbund mit Polen, der Tschechischen Republik sowie der Slowakei vor.

Der BDEW lehnt eine derartige top-down implementierte Verpflichtung zur Kooperation in der Ausgestaltung regionaler Präventions- und Notfallpläne ab. Vielmehr sollten sich die Mitgliedstaaten konkreten Anlässen entsprechend zu einer themenorientierten Zusammenarbeit zusammenfinden können: Aus Sicht Deutschlands ist beispielsweise aufgrund des Rückgangs der L-Gas-Mengen ein enger Austausch mit westlichen Partnern von großer Bedeutung. Südliche Länder wie auch weitere Mitgliedstaaten, deren Lieferportfolio stark von LNG als Quelle geprägt ist, sollten im Bereich des Flüssiggases kooperieren können - beiden Beispielen jedoch wird der vorliegende Vorschlag nicht gerecht.

Darüber hinaus entspricht der konkrete Regionenvorschlag für Deutschland nicht den bestehenden Marktentwicklungsstadien sowie den physischen Gasflussrichtungen: Durch die gezogenen Regionengrenzen würden bestehende, regional etablierte Markträume getrennt. Zudem würde die durch die regionale Kooperation bei Notfallplänen veranlasste Unterstützung von Regionalpartnern in einem Notfall den Anreiz abschwächen, Versorgungssicherheit zunächst durch einen möglichst weit entwickelnden, transparenten und offenen Erdgas-Binnenmarkt zu gewährleisten und dafür die entsprechenden Regelungen des dritten Binnenmarktpakets umzusetzen. Daher könnte der Vorschlag der EU-Kommission zur verpflichtenden regionalen Kooperation nach Ansicht des BDEW die Versorgungssicherheit unter Umständen sogar schwächen.

Solidarität setzt die transparente Umsetzung bestehender Vorgaben voraus

Als weiteren Vorschlag sieht der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission - wenn auch nur in Ansätzen - erstmalig einen Mechanismus zur Solidarität vor. Der Vorschlag zielt auf die solidarische Unterstützung benachbarter Mitgliedstaaten ab, in denen im Krisenfall die Versorgung von Haushaltskunden, wesentlichen sozialen Einrichtungen und Fernwärmeanlagen bedroht wäre. Nach Ansicht des BDEW bieten diese aufgezeigten Strukturen geeignete Möglichkeiten zur Unterstützung von sich im Notfall befindenden Mitgliedstaaten und sind daher generell zu begrüßen.

Aus Sicht des BDEW sollten jedoch die aufgezeigten Mechanismen gleichzeitig klar an Voraussetzungen geknüpft sein: Mitgliedstaaten sollten Transparenz darüber schaffen, inwieweit sie die bestehenden Vorgaben der Erdgas-SoS-VO (insbesondere die des Versorgungsstandards) erfüllen, bevor Solidaritätsmaßnahmen in Anspruch genommen werden können. Dazu könnte nach Ansicht des BDEW ein entsprechendes Monitoringsystem dienen. Derartige Voraussetzungen sollten im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens in der Verordnung verankert werden.

Informationen über Preise von Offenlegungspflichten kommerzieller Verträge sind  auszunehmen

Mit dem Ansatz einer verstärkten behördlichen Einsichtnahme in kommerzielle Verträge verfolgt die EU-Kommission das Ziel, die Versorgungslage in einzelnen Mitgliedstaaten sowie Teilen der EU detaillierter beurteilen zu können. Dazu sieht der Verordnungsvorschlag für die Erdgas-SoS-VO vor, in Einzelfällen die detaillierte Offenlegung ganzer Lieferverträge durch Behörden einforderbar zu machen. Davon könnten die in den Verträgen enthaltenen Preisinformationen direkt betroffen sein. Nach Ansicht des BDEW jedoch können Informationen über Preise und Preisstrukturen keinen Beitrag dazu leisten, die Versorgungssituation in einem Land oder Teilen der EU besser beurteilen zu können.

Die transparente Offenlegung kompletter Verträge und der damit verbundenen, genannten Informationen über Preise lehnt der BDEW daher klar ab. Bereits heute stellen die Unternehmen den Behörden umfassende Informationen mittels der REMIT-Meldepflichten zur Verfügung, die zu weiten Teilen auch zur Beurteilung der Versorgungssituation herangezogen werden können. Um Doppelmeldungen und damit zusätzliche Belastungen für Unternehmen zu vermeiden, sollte nach Ansicht des BDEW zunächst geprüft werden, wie mit Hilfe der REMIT-Meldungen dem Ziel einer besseren Beurteilung der Versorgungslage in Mitgliedstaaten und Teilen der EU nachgekommen werden könnte.

Neben diesen Kernforderungen bilden u. a. folgende weitere Positionen die Inhalte der BDEW-Stellungnahme zur Novellierung der Erdgas-SoS-VO:

  • Zu begrüßen ist, dass der vorliegende Verordnungsvorschlag auf eine weitere Harmonisierung des Kreises geschützter Kunden in den Mitgliedstaaten und damit ein einheitliches grenzüberschreitendes Schutzniveau abzielt. Praktikabilität und praktische Umsetzbarkeit der Regelungen sollte dabei stets gewahrt bleiben.

  • Reverse-Flow-Kapazitäten an Grenzübergangspunkten können dazu dienen, bestehende Nadelöhre zwischen Mitgliedstaaten zu kompensieren. Der derartige Beitrag von Reverse-Flow zur Versorgungssicherheit oder aber ein Beitrag zur grenzüberschreitenden, marktlichen Effizienzsteigerung sollte jedoch im Rahmen einer Cost-Benefit-Analyse bei Reverse-Flow-Projekten stets aufgezeigt werden – eine generelle Verpflichtung zur Implementierung von Reverse-Flow-Kapazitäten an Grenzübergangspunkten, wie vom Verordnungsvorschlag vorgesehen, ist nach Ansicht des BDEW nicht zielführend und führt ggf. zu ineffizienten Mehrkosten.

  • Zu begrüßen ist, dass in den Vorgaben zur Risikoanalyse künftig auch realistische Speicherfüllstände sowie EU-weite Lastflusssimulationen zugrunde gelegt werden sollen. Nach Ansicht des BDEW ist es von großer Bedeutung, in der Beurteilung bestehender Infrastrukturen auch Exportflüsse zu beurteilen, wie es derartige Lastflusssimulationen leisten können.

Nächste Schritte im Gesetzgebungsverfahren

Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission wird im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beraten, bei dem das Europäische Parlament und der Rat der EU gleichberechtigt entscheiden. Nach einer ersten Aussprache am 20. April 2016 im federführenden Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) wird der Berichterstatter, MdEP Jerzy Buzek (EVP/PL), voraussichtlich im Mai seinen Entwurf für Änderungen am Kommissionsvorschlag vorlegen. Im Anschluss haben die übrigen Abgeordneten im ITRE bis zum 15. Juni 2016 Zeit, weitere Änderungen vorzuschlagen, bevor voraussichtlich Mitte Oktober 2016 über den Bericht des ITRE abgestimmt wird.

Im Rat der EU sind die Beratungen bereits etwas weiter fortgeschritten. Die zuständige Arbeitsgruppe Energie hat nach mehreren grundsätzlichen Aussprachen am 15. April 2016 mit der Beratung der Artikel im Einzelnen begonnen. Der niederländische Ratsvorsitz wird voraussichtlich Ende Mai 2016 den Mitgliedstaaten einen ersten Vorschlag für einen Kompromisstext unterbreiten. Insgesamt streben die EU-Institutionen ein beschleunigtes Verfahren an, bei dem mittels informeller Trilogverhandlungen noch in erster Lesung eine Einigung erzielt werden kann. Nach derzeitigem Stand könnte der informelle Trilog bis Ende 2016 abgeschlossen werden. Der BDEW wird sich im laufenden Verfahren aktiv für die beschriebenen Positionen einsetzen und die Prozesse intensiv begleiten. Über Entwicklungen wird dabei stets aktuell informiert.

Suche