Lokale Energieerzeugung und ihr Verbrauch vor Ort haben ein hohes Potenzial, können erhebliche zusätzliche Investitionen auslösen und die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien stärken. Das bedeute: Die Stromerzeugung aus dezentralen Erneuerbare-Energien-Anlagen und der erzeugungsnahe Stromverbrauch aus diesen Anlagen vor dem Netzanschlusspunkt – das Prosuming – sind ein wichtiger Baustein der deutschen Energiewende. Bisher wird vor allem die Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen in Kombination mit Hausspeichern und der Eigenversorgung von Einfamilienhäusern umgesetzt. Möglich sind jedoch vielfältige Anwendungen, über die aus Photovoltaik (PV), Geothermie und Blockheizkraftwerken sowie aus lokalen Speichern auch große Wohngebäude, Gewerbebetriebe und ganze Quartiere mit Strom für Haushalte, Elektro-Ladesäulen, oder Wärmepumpen versorgt werden können. Um genauer herauszufinden, was künftig an Prosuming möglich ist und wie die Potenziale zu erschließen sind, hat der BDEW eine Studie in Auftrag gegeben. Anhand von acht Anwendungsfällen werteten der Energiemarkt-Analyst „Energy Brainpool“ und das Forschungsinstitut „Fraunhofer ISE“ aus, welche Anwendungsfälle ein hohes Umsetzungspotenzial haben und was am regulatorischen Rahmen geändert werden muss, damit künftig mehr Prosuming umgesetzt wird als bisher.
Am höchsten ist das Potential für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zum Prosuming mit insgesamt 130 TWh auf Einfamilienhäusern, darauf folgen der Bereich Gewerbe und Industrie mit 91 TWh und Mehrfamilienhäuser mit 51 TWh. Insgesamt summiert sich das Potenzial der betrachteten Anwendungen auf rund 280 TWh.
Um Prosuming energiewirtschaftlich sinnvoll auszugestalten und den Netzausbaubedarf zu reduzieren oder zumindest nicht zu steigern, müssen die Prosuming-Anwendungen laut der Studienergebnisse möglichst flexibel steuerbar sein. Inwiefern diese Flexibilität letzten Endes dem Strommarkt und der Systemstabilität zugutekommt, hängt allerdings vorrangig von der regulatorischen Ausgestaltung und den wirtschaftlichen Anreizen für die flexible Fahrweise ab. Die Studie zeigt, dass das Flexibilitätspotential im Wohngebäudebereich im Rahmen der aktuellen Regulierung noch stark eingeschränkt ist, wohingegen im Gewerbe und in der Industrie mit registrierender Leistungsmessung (RLM) sehr große Flexibilitätspotentiale, vorrangig durch die Elektrifizierung und Speicherung von Niedertemperaturwärme sowie den Aufbau von Ladeparks mit intelligentem Lademanagement für Elektrofahrzeuge, bestehen. Voraussetzung zur Erschließung der Flexibilitäten ist allerdings die Umsetzung des Smart-Meter-Rollout, also die Ausstattung der Stromversorgung mit intelligenten Zählern. Diese können ein fluktuierendes Stromangebot erfassen und die Stromkunden können ihren Stromverbrauch auf Zeiten hoher Verfügbarkeiten verlagern. So werden auch bei einem hohen Anteil fluktuierender Stromeinspeiser Erzeugung und Verbrauch möglichst gut aufeinander abgestimmt und es geht so wenig Strom wie möglich ungenutzt verloren.
Zur besseren Erschließung der Potenziale für Prosuming empfehlen die beiden Institute eine Aufhebung der „Personenidentität“, die derzeit nur Eigentümern von Erneuerbaren-Energien-Anlagen eine Eigenversorgung ermöglicht. Die Nutzung vieler innovativer Geschäftsmodelle, wie beispielsweise Community-Speicher oder Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften wird hierdurch aus Sicht der Gutachter verhindert. Stattdessen schlagen sie vor, das Konzept der „räumlichen Nähe“ einzuführen, was die Nutzung des öffentlichen Netzes über kurze Strecken ohne die aktuell damit verbundenen, abgabentechnischen Nachteile ermöglichen würde. Zudem sollten Regelungen eingeführt werden, durch die Flexibilitäten der Prosuming-Anwendungen für die Netzbetreiber nutzbar werden. Bleibt die Erschließung der Flexibilitäten aus, droht ein erheblicher Zuwachs von Abschaltmaßnahmen der Netzbetreiber im Zuge des Redispatch, um einen stabilen Netzbetreib zu gewährleisten. Weitere Handlungsempfehlungen der Studie sind Fördermaßnahmen zur Verbreitung von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und Maßnahmen zur verbesserten Umsetzung von Nutzen-statt-Abregeln. Darunter versteht man die direkte Nutzung von Strom nahe an der Erzeugungsanlage. Ohne diese Nutzung vor Ort würden diese Strommengen wegen Netzengpässen abgeregelt und somit ungenutzt bleiben.
Der BDEW positioniert sich derzeit – unterstützt durch die Studienergebnisse – umfassend zur künftigen regulatorischen Ausgestaltung von Prosuming und veröffentlicht demnächst seine Handlungsempfehlungen.