Am 5. April 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Novellierung der europäischen F-Gase-Verordnung verfasst (siehe entsprechende Themenseite der Europäischen Kommission). Für die Energiewirtschaft ist diese Verordnung aufgrund des Einsatzes von Fluoridgasen als Schalt- und Isoliergas in Schaltanlagen von Bedeutung. Aufgrund seiner besonders guten Isolationseigenschaften kam in den vergangenen Jahrzehnten hierfür vorwiegend das Gas Schwefelhexafluorid (SF6) zum Einsatz. Die Zielsetzung der Europäischen Kommission ist richtig: Stark klimaschädliche Gase müssen in Zukunft so weit wie möglich vermieden werden.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission enthält nach Ansicht des BDEW wie auch der europäischen Partnerverbände allerdings einige problematische Regelungen: Unter anderem werden die vorgesehenen Übergangszeiten nicht ausreichen, um die marktliche Verfügbarkeit alternativer Technologien rechtzeitig und in hinreichenden Stückzahlen sicherzustellen. Zudem droht eine Verhinderung von Reparaturen und ein de facto Verbot selbst kleinster betriebsnotwendiger Erweiterungen bestehender Anlagen (vgl. BDEW-Stellungnahme 28.06.2022 sowie Eurelectric Position Paper 28.06.2022). In der Folge würde es absehbar zu Problemen mit dem Ausbau der Stromnetze und dem Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen kommen, wenn Bauteile nicht rechtzeitig oder in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen.
Vorschläge aus dem Umweltausschuss verschärfen die Problematik
Der Berichtsentwurf des Berichterstatters im Umweltausschuss (ENVI) des Europäischen Parlaments, Bas Eickhout (Grüne), vom 10. Oktober 2022 verschärft diese Problematiken noch: Die Übergangszeiten sollen noch weiter verkürzt werden, die Bandbreite der künftig zugelassenen Technologien noch weiter eingeschränkt werden. Wird dies umgesetzt, so droht in wenigen Jahren der Netzausbau und der Zubau von Erneuerbare-Energien-Anlagen massiv ausgebremst zu werden.
Um ein solches Szenario zu verhindern, müssen nun die weiteren Abgeordneten im Europäischen Parlament sowie die Vertreter im Ministerrat Vorschläge für sachgerechte Lösungen einbringen. Der Entwurf der „Opinion“ aus dem Industrieausschuss (ITRE) enthält bereits gute Ansätze, diese reichen jedoch noch nicht aus. Der BDEW hat daher die wichtigsten Anliegen seiner Mitglieder in einem Kurz-Statement vom 25.10.2022 zusammengefasst (vgl. Dateianlage) und dieses an die Mitglieder der beiden zuständigen Ausschüsse im Europäischen Parlament versendet. Auch Eurelectric hat jüngst gemeinsam mit weiteren Verbänden in einem eindringlichen Appell vor den Gefahren von zu kurzen Übergangszeiten und einer Behinderung von Innovationen gewarnt (vgl. Eurelectric-Meldung vom 19.10.2022).
Hintergrund: Intensive Beratungen bereits im Vorfeld des Legislativvorschlags
Dem Legislativvorschlag war ein technischer Bericht im Auftrag der Europäischen Kommission vorausgegangen, der die Möglichkeiten zum Einsatz von Alternativen zu Fluoridgasen in elektrischen Schaltgasen untersuchte. Die seit 2015 geltende F-Gase-Verordnung sah die Erstellung eines solchen Berichts bis Mitte 2020 vor.
Die Erarbeitung des Berichts und dessen Veröffentlichung gingen mit ausführlichen Konsultationen und intensiven Beratungen mit der Branche einher (vgl. u. a. „Key documents“ auf der Themenseite der Europäischen Kommission). Die Hersteller und Anwender von Schaltanlagen formulierten gemeinsame Empfehlungen für Übergangszeiten bis zu einem Verbot von SF6 in den verschiedenen Spannungsebenen und Anwendungsbereichen (vgl. VDE|FNN, April 2021 und ENTSO-E/T&D-Europe, Oktober 2021). Auch BDEW sowie Eurelectric und weitere europäische Verbände hatten den technischen Bericht kommentiert (Dez. 2020) und Vorschläge für eine novellierte F-Gase-Verordnung vorgelegt (siehe BDEW-Stellungnahme, 21. Mai 2021 sowie Eurelectric/EDSO/Geode Position Paper et al., Mai 2021).
Mit dem jetzt diskutierten Legislativvorschlag werden die Weichen für die Entwicklung der Alternativtechnologien zu SF6 in den kommenden Jahrzehnten gestellt. Um die Energiewende und damit den Klimaschutz erfolgreich voranzubringen, müssen die Regelungen in der novellierten F-Gase-Verordnung so ausgestaltet werden, dass bei neuen Schaltanlagen der Einsatz klimaschädlicher Gase so weit wie möglich reduziert wird und gleichzeitig ein ausreichendes Angebot an Technologien und Produkten am Markt verfügbar ist, das für jeden Anwendungsfall rechtzeitig passende Lösungen bietet.