Am 19. Dezember 2014 hat die BNetzA die endgültige Festlegung in Sachen Bilanzierung Gas (BK7-14-020) veröffentlicht. Der Entscheidung liegt ein zweijähriger Prozess der öffentlichen Diskussion zur notwendigen Umsetzung des europäischen Network Codes zugrunde. Der BDEW konnte mit einem eigenen Konzept zur Weiterentwicklung des Bilanzierungssystems und einer intensiven Beteiligung an den zwei Konsultationsverfahren einen Großteil der Interessen der Mitglieder einbringen, die sich - wie beispielsweise die Aufrechterhaltung der zwei Fallgruppen für Ausspeisepunkte mit registrierender Leistungsmessung (RLM mit und ohne Tagesband) - in der Festlegung widerspiegeln.
Sehr kritisch diskutiert wurde die Aufnahme der Vorgaben zur Einführung eines Anreizsystems für Standardlastprofile (SLP), welches nunmehr von der BNetzA als zwingender Bestandteil der Festlegung aufgenommen wurde.
Auch
wenn sich eine Vielzahl von Änderungen ergibt, hat die BNetzA zusammen
mit der Energiewirtschaft versucht, die bisherige Struktur in das neue
System einzubetten, so dass sich grundlegende Komponenten wie das
Tagesbilanzierungssystem, die Weiterführung der bisherigen Kundengruppen
für RLM sowie eines stündlichen Anreizsystems in der Entscheidung der
BNetzA wiederfinden.
Wesentliche Neuerungen
Differenzmengenabrechnung
Die
endgültig zugeordneten und um Ersatzwerte korrigierten Mengen sind als
bilanzrelevante Daten zur Feststellung der täglichen
Ausgleichsenergiemenge heranzuziehen. Die Differenzmengen, die sich aus
den Brennwertkorrekturen ergeben, sind somit erst in einem zweiten
Schritt mit dem mengengewichteten Gasdurchschnittspreis abzurechnen.
Die
Marktgebietsverantwortlichen (MGV) haben gegenüber dem
Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) auf täglicher Basis eine Abrechnung
der Differenzmengen vorzunehmen, die sich aus der Brennwertkorrektur
zwischen der vorläufigen und endgültigen Mengenzuordnung eines
Bilanzkreises von RLM-Entnahmestellen („RLM-Mehr-/ Mindermengen“)
ergeben. Die vorläufigen und endgültigen Mengen eines Bilanzkreises
werden hierfür zuvor vom MGV saldiert. Die derart festgestellten
marktgebietsscharfen Mehr-/Mindermengen werden zum Ende eines Monats
abgerechnet. Somit wird die separate Mehr-/Mindermengenabrechnung für
RLM-Entnahmestellen im Verhältnis zwischen Netzbetreiber (NB) und
Transportkunden (TK) abgeschafft und erfolgt nur noch auf
Bilanzkreisebene zwischen BKV und MGV.
Untertägige Verpflichtungen und Kundengruppen
Die
MGV sind verpflichtet, neben dem Tagesbilanzierungssystem ein
untertägiges Anreizsystem einzuführen, in dem alle physischen und
virtuellen Ein- und Ausspeisungen auf Stundenbasis betrachtet werden.
Dabei wird für SLP- und RLMmT-Entnahmestellen ein Tagesband als
Tagesausspeisemenge in der Bilanz allokiert ("mT": mit Tagesband). Für
RLMoT-Entnahmestellen wird die stundenscharfe Ist-Entnahmemenge als
Ausspeisemenge in der Bilanz allokiert ("oT": ohne Tagesband). Für
RLM-Entnahmestellen wird für jede Stunde eine Toleranz in Höhe von +/-
7,5 Prozent der ausgespeisten Tagesmenge gewährt.
Neues Preissystem für Regel- und Ausgleichsenergie
Die
BKV sind verpflichtet, ihre Bilanzkreise am Tagesende ausgeglichen zu
halten. Gelingt dieser Ausgleich nicht, so stellt der MGV
Ausgleichsenergie zur Verfügung. Toleranzen werden nicht gewährt.
Die Ausgleichsenergiepreise werden wie folgt ermittelt:
a) Täglicher positiver Ausgleichenergiepreis: der höhere der beiden folgenden Preise
höchster Preis aller Regelenergieeinkäufe durch den Marktgebietsverantwortlichen für den jeweiligen Gastag
oder mengengewichteter Gasdurchschnittspreis für den jeweiligen Gastag zuzüglich eines Aufschlags von zwei Prozent.
b) Täglicher negativer Ausgleichsenergiepreis: der niedrigere der beiden folgenden Preise
niedrigster Preis aller Regelenergieverkäufe durch den Marktgebietsverantwortlichen für den jeweiligen Gastag
oder mengengewichteter Gasdurchschnittspreis für den jeweiligen Gastag abzüglich eines Abschlags von zwei Prozent.
Im
Rahmen des untertägigen Anreizsystems saldiert der MGV in jeder Stunde
alle allokierten Ein- und Ausspeisungen je Rechnungsbilanzkreis. Etwaige
Salden werden über die nächsten Stunden hinweg richtungsunabhängig
kumuliert betrachtet. Für die kumulierte Abweichung hat der BKV - nach
Abzug einer eventuell gewährten Toleranz - einen
Flexibilitätskostenbeitrag in Euro je MWh an den MGV zu entrichten. Der
Flexibilitätskostenbeitrag ersetzt den bisher anzuwendenden
Strukturierungsbeitrag, wird aber nur fällig, wenn es zu einem
gegenläufigen Regelenergieeinsatz durch den MGV kommt.
Anreizsystem SLP (tägliche Netzkontenabrechnung)
Die
NB sind unter Mitwirkung der MGV verpflichtet, einen Anreizmechanismus
für die Bereitstellung einer genauen Prognose bei SLP-Entnahmestellen
vorzuschlagen, der bis zum 1. Oktober 2016 umzusetzen ist. Ziel ist die
Minimierung von Differenzmengen im Standardlastprofilverfahren. Die
täglichen Differenzmengen der SLP-Ausspeisungen sind anhand der
weiterhin bestehenden Netzkontosystematik rechnerisch zu bestimmen und
mit den prognostizierten Mengen zu vergleichen. Die so festgestellte
Prognosegüte ist mit einem Anreizmechanismus zu bewerten. Wird im Rahmen
der täglichen Saldierung der SLP-Entnahmestellen eine Unter- oder
Überspeisung über oder unter einen jeweils zu definierenden Grenzwert
festgestellt, ist der tägliche Netzkontosaldo eines
Verteilernetzbetreibers (VNB) als Ganzes oder als Teilbetrag auf die
zukünftige Mehr- oder Mindermengenabrechnung der SLP-Entnahmestellen
abzurechnen und als Abschlag zu zahlen bzw. zu vergüten. VNB, die eine
überdurchschnittliche Abweichung aufweisen bzw. der Datenübermittlung
nicht ordnungsgemäß nachkommen, sind vom MGV in einer Transparenzliste
im Internet zu veröffentlichen. Zudem werden die VNB zukünftig
verpflichtet, die Prognosegüte der Standardlastprofile und das
Anreizsystem für SLP-Entnahmestellen regelmäßig zu überprüfen und der
BNetzA darüber zu berichten.
Untertägige Informationsbereitstellung
Unter
Berücksichtigung der neuen untertägigen Verpflichtungen wird die
derzeitige Informationsbereitstellungspraxis der gemessenen Gasflüsse
für RLM-Entnahmestellen um eine zweite untertägige Übermittlung an die
Bilanzkreisverantwortlichen erweitert. Der bisherige Erfassungszeitraum
von 06:00 Uhr bis 12:00 Uhr wird durch die Bereitstellung einer zweiten
Aktualisierung, die den Zeitraum von 12:00 Uhr bis 15:00 Uhr erfasst,
ergänzt.
Umfassende Veröffentlichungspflichten
Die
Festlegung beinhaltet umfangreiche Veröffentlichungspflichten für MGV.
Es wurden u.a. Veröffentlichungspflichten zu den Preisen für
Ausgleichsenergie, untertägigen Verpflichtungen, Regelenergie zur
Berechnungsgrundlage und -systematik der Bilanzierungsumlagen sowie zu
den Zusammenfassungen der zu erstellenden Berichte und Evaluierungen
aufgenommen.
Umsetzungsfrist und Übergangszeiträume
Für die Unternehmen zu beachten sind vor allem die entsprechenden Übergangszeiträume der Umsetzung. MGV, Fernleitungsnetzbetreiber und VNB sind verpflichtet, die in der vorliegenden Festlegung getroffenen Regelungen grundsätzlich zum 1. Oktober 2015 umzusetzen. Lediglich für die Regelungen der untertägigen Verpflichtungen und Informationsbereitstellung wird die Umsetzungsfrist bis zum 1. Oktober 2016 verlängert. Dies bedeutet, dass die Regelungen - soweit erforderlich - in alle betroffenen bereits abgeschlossenen und neu abzuschließenden Verträge rechtzeitig mit den genannten Wirksamkeitszeitpunkten aufzunehmen sind. Hiervon betroffen sind vorrangig der Bilanzkreisvertrag, aber auch weitere Verträge wie z.B. die Netzzugangsverträge und die Regelungen der NB und MGV untereinander aus dem Hauptteil der Kooperationsvereinbarung.
Hinsichtlich der Anwendung des Tagesbilanzierungssystems und des untertägigen Anreizsystems ergibt sich zwischen dem 1. Oktober 2015 und dem 1. Oktober 2016 eine Überlappung der neuen und alten Regelungen, die es zu beachten gilt. Ab dem 1. Oktober 2015 gilt bereits die getrennte Erfassung der Regelenergieumlage und Abrechnung für SLP- und RLM-Entnahmestellen. Das heißt, dass eine RLM-Entnahmestelle, die bisher der Gruppe RLMoT zugeordnet war, die Regelenergieumlage nach neuem Preissystem bezahlen muss, aber weiterhin nur eine Toleranz von zwei Prozent nutzen kann. Ähnliches gilt für die Kundengruppe RLM NEV, die ab 1. Oktober 2015 auch die Regelenergieumlage zahlen muss, aber vorerst keine Toleranz bekommt.
Weiteres Vorgehen
Die Beschlusskammer 7 der BNetzA hat mit der Festlegung neue Wege eingeschlagen, da die Behörde hier - anders als im Strombereich - keine Vorgaben mehr für ein Standardangebot macht, welches dann in die entsprechenden Bilanzkreisverträge aufzunehmen wäre. Dementsprechend sind viele Regelungen im Zuge der Überarbeitung der Kooperationsvereinbarung auszugestalten und bedürfen noch der Diskussion im Markt.
Der BDEW befasst sich derzeit mit der Ausformulierung der Regelungen, die bereits zum 1. Oktober 2015 von den Unternehmen anzuwenden sind. Diese müssen bereits Eingang in die 8. Fassung der Kooperationsvereinbarung Gas (KoV VIII) finden, deren Entwurf derzeit erstellt wird. Zudem muss ein Konzept zum Anreizsystem SLP bis zum 1. Oktober 2015 entwickelt werden, welches dann mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 in die Überarbeitung der KoV aufgenommen werden wird.