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Gaswirtschaft ist gut gerüstet für den Winter 2016/2017

Aufgrund hoher Speicherfüllstände blickt die Branche zuversichtlich auf den anstehenden Winter. Die Marktgebietsverantwortlichen konnten die ausgeschriebenen Regelenergiemengen vollständig decken, das erstmalig ausgeschriebene DSM-Regelenergieprodukt bleibt dabei jedoch ohne Angebot.

Insgesamt ist das Niveau der Gasversorgungssicherheit somit auf einem hohen Niveau. Mittelfristig sieht der BDEW jedoch Anpassungsbedarf, um dieses Level aufrecht zu erhalten. Dabei wird sich der BDEW im kommenden Jahr 2017 insbesondere für folgende Anpassungen am Rechtsrahmen einsetzen:

  • Stärkung des Anreizes zur Nutzung vertraglicher Abschaltvereinbarungen: Abschaltvereinbarungen zwischen Verteilernetzbetreibern und Letztverbrauchern gelten als wichtiges Instrument zur Engpassbewältigung, werden in der heutigen Praxis aufgrund fehlender Anreize allerdings kaum genutzt. Der BDEW setzt sich für eine Anpassung des § 14b EnWG ein, um den Anreiz ihrer Nutzung zu stärken.

  • Marktgebietsübergreifende Kooperation von Netzbetreibern: Der BDEW schlägt eine Anpassung des § 16 Abs. 1 EnWG vor, um die Pflicht zur Zusammenarbeit von Fernleitungsnetzbetreibern bei Maßnahmen des Absatzes klarzustellen.

  • Definition geschützter Kunden: Die heutige Definition des Begriffs "geschützter Kunden", unter die in Deutschland nur Haushaltskunden und bestimmte Fernwärmeanlagen fallen, ist nach Ansicht des BDEW unzulänglich: Zum einen stößt sie in der Praxis auf Probleme, da es im Krisenfall technisch kaum zu realisieren wäre, eine trennscharfe Abschaltung von Haushaltskunden und allen anderen Verbrauchern zu gewährleisten. Zum anderen lässt die Definition wesentliche soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime unberücksichtigt. Zu beiden Punkten schlägt der BDEW die Anpassung des § 53a EnWG vor.

Die Versorgungssituation

Der Erdgasverbrauch in Deutschland nahm in den ersten drei Quartalen 2016 um 6,5 Prozent zu: Während im gleichen Zeitraum des Vorjahres 623 Mrd. kWh Erdgas verbraucht wurden, lag der Wert für 2016 bei 663 Mrd. kWh. Der um Temperaturunterschiede und Schalttage bereinigte Erdgasverbrauch verzeichnet sogar einen Anstieg des Erdgasverbrauchs um zehn Prozent. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf einen Mehreinsatz von Erdgas zur Stromerzeugung zurückzuführen: Der Erdgaseinsatz in Kraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung nahm bis September 2016 um rund 30 Prozent zu; der Einsatz von Gas in Kraftwerken zur reinen Stromerzeugung sogar um knapp 140 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mittelfristig jedoch wird von einem zwar leichten, aber kontinuierlichen Rückgang des Gasbedarfs in Deutschland ausgegangen.

Stabile Gasversorgung baut auf vier zentralen Säulen

Zur Deckung der Erdgasnachfrage steht der deutschen Gaswirtschaft ein vielseitiges Instrumentarium zur Verfügung, auf welches die Unternehmen entsprechend ihrer jeweiligen Rolle im tagtäglichen Geschäft zurückgreifen: Netz- und Speicherbetreiber sowie Händler und Vertriebe nehmen ihre Verantwortung zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit im Zusammenspiel entlang vier zentraler Säulen gemeinsam wahr:

  • Kontinuierlicher Bezug von Erdgas aus verschiedenen Quellen: Deutschland besitzt mit direktem Zugang zu mehreren Lieferländern ein breit diversifiziertes Aufkommensspektrum. Auch die heimische Erdgasförderung trägt 2016 bisher 6,5 Prozent zur Deckung der Nachfrage bei; insgesamt ist die Erdgasförderung in Deutschland jedoch rückläufig. Über die Terminals Rotterdam und Zeebrügge ist deutschen Unternehmen ein Bezug von Gas aus LNG-Quellen möglich.

  • Kurzfristiger Bezug an den Energiehandelsplätzen in Europa: Der Gashandel an den Kurzfrist-Märkten Europas verzeichnet ein stetiges Wachstum, insbesondere für die deutschen Marktgebiete. So verzeichnete die paneuropäische Handelsplattform PEGAS 2015 einen Anstieg der Spot-Handelsvolumina mit Erfüllung in den deutschen Markgebieten um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Entwicklung stärkt den verlässlichen kurzfristigen Bezug von Erdgas an den Energiehandelsmärkten in Europa neben langfristigen Beschaffungsverträgen.

  • Ausreichende Speicherkapazitäten: Mit 51 Speicheranlagen, die insgesamt gut 24 Mrd. m³ Arbeitsgas aufnehmen können, verfügt Deutschland über die größten Speicherkapazitäten in der EU. Das verfügbare Speichervolumen reicht somit aus, um ein Viertel des in 2015 in Deutschland verbrauchten Erdgases in Speichern vorzuhalten.

  • Leistungsfähige Netzinfrastruktur: Über 510.000 km Ferngasleitungen und Gasleitungen im Verteilernetz bilden eine komplexe Netzinfrastruktur, die den Transport und die Verteilung von Erdgas in Deutschland sicherstellt.

Das hohe Niveau der Erdgas-Versorgungssicherheit beweist wiederholt der von der Bundesnetzagentur veröffentlichte SAIDI-Wert (System Average Interruption Duration Index): Im Jahr 2015 lag demnach die die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung für deutsche Letztverbraucher bei unter zwei Minuten.

Deutschland startet mit hohen Speicherfüllständen in den Winter

Die Speicherfüllstände bewegen sich Anfang des Winters 2016/17 im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen auf einem sehr hohen Niveau. So betrug der aggregierte Speicherfüllstand in Deutschland Ende Oktober mit ca. 228 Mrd. kWh knapp über 95 Prozent. Die Gründe für die vergleichsweise hohen Speicherfüllstände sind unterschiedlich: Zum einen steht der größte Speicher Großbritanniens Rough, der alleine mehr als 70 Prozent der Speicherkapazitäten des Landes darstellt, unerwartet für den Winter nicht zur Verfügung und löst dadurch eine gesteigerte Nachfrage nach Kapazitäten in umliegenden Ländern aus. Zum anderen besteht weltweit eine gesteigerte Nachfrage nach LNG, sodass weitere Flexibilitätsquellen nachgefragt werden. Dadurch steigende Sommer-Winter-Spreads können Marktteilnehmer zu einer erhöhten Einspeicherung veranlasst haben. Aufgrund der resultierenden, hohen Speicherfüllstände blickt die Erdgasbranche zuversichtlich auf den kommenden Winter.

Ausschreibungen von DSM-Regelenergie enden ohne entsprechende Angebote

Erstmalig für den kommenden Winter starteten die Marktgebietsverantwortlichen im Rahmen eines neuen Demand-Side-Management-(DSM-)Produkts eine Ausschreibung von Regelenergie in Form von Nachfrageflexibilität. Die Marktgebietsverantwortlichen folgen damit der Umsetzung des Eckpunktepapiers zur Stärkung der Gasversorgungssicherheit des BMWi. Die von den Marktgebietsverantwortlichen ausgeschriebenen Mengen langfristiger Regelenergie in Höhe von insgesamt 11.100 MW (Gaspool 1.300 MW, NetConnect Germany 9.800 MW) für die Monate 12/2016 bis einschließlich 03/2017 konnten vollständig kontrahiert werden. Angebote für DSM-Produkte sind dabei nicht eingegangen, sodass der Bedarf vollständig über Long-Term-Options gedeckt wurde.

Marktraumumstellung L-H-Gas

Mit seiner Entscheidung vom 30. September 2016 hat die niederländische Regierung die Höhe der Produktion im Groningenfeld auf 24 Mrd. m³ pro Jahr festgelegt. Nur in außergewöhnlichen Kälteperioden sollen die Produktionsmengen um sechs Mrd. m³ erhöht werden können. Diese Entscheidung soll eine Gültigkeit bis 2021 haben; eine jährliche Überprüfung der Entwicklungen ist allerdings vorgesehen. Der von den Fernleitungsnetzbetreibern im Netzentwicklungsplan aufgezeigte Umstellungsplan der mit L-Gas versorgten Gebiete kann dementsprechend wie geplant umgesetzt werden. Die Versorgungsicherheit ist somit auch im L-Gas gewährleistet. Im Hinblick auf den anstehenden Winter 2016/17 wurden zusätzliche technische Konvertierungsanlagen in Betrieb genommen, die einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Einen umfassenden Fragen- und Antwortenkatalog zur Umstellung der L-Gas-Versorgung hat der BDEW im Oktober 2016 veröffentlicht.

Hintergrund

Nähere Informationen zum rechtlichen Hintergrund der BDEW-Anpassungsvorschläge finden Sie in einem eigenen Beitrag dieser Newsletterausgabe.

Über den weiteren Verlauf der BDEW-Aktivitäten zum Thema sowie über aktuelle Entwicklungen zur Gasversorgungssicherheit wird der BDEW seine Mitglieder weiterhin aktuell informieren.

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