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H2: Gasbinnenmarktrichtlinie und -verordnung sollen angepasst werden

Der BDEW hat seine Vorschläge der Europäischen Kommission übermittelt.

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© kittirat-roekburi / shutterstock

Nach der vorbereitenden Konsultation im Juni 2021 hatte die Europäische Kommission am 15. Dezember 2021 ihre Legislativvorschläge zur Überarbeitung der Gasbinnenmarkt-Richtlinie und -Verordnung aus 2009 veröffentlicht. Schwerpunkt der Kommissionsvorschläge sind die Integration von erneuerbarem und kohlenstoffarmen Wasserstoff in den europäischen Rechtsrahmen für den Gasbinnenmarkt sowie Vorgaben für die Regulierung und Entflechtung von Wasserstoffnetzen. Darüber hinaus zielen sie darauf ab, durch die Anpassung der Gasmarktregeln den Hochlauf für die Erzeugung, den Handel und den Transport erneuerbarer und dekarbonisierter Gase zu erleichtern, und die Verbraucherrechte zu stärken.

Aus Sicht des BDEW ist es positiv, dass die Kommission in ihren Vorschlägen erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen auch langfristig eine wichtige Rolle im Energiemix zuweist und für Wasserstoff grundsätzlich die bewährten Regeln und Prinzipien des Gasbinnenmarktes anwendet. Rasche Erfolge hängen davon ab, dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft auf den vorhandenen Strukturen aufsetzt und sich die in großem Umfang bereits sowohl auf der Fernleitungs- als auch auf der Verteilernetzebene vorhandene Gasinfrastruktur zunutze macht.

Leider werden die vielen grundsätzlich richtigen Weichenstellungen durch einzelne nicht sachgerechte Regelungen vollständig konterkariert. Insbesondere die Vorgaben zur Entflechtung von H2-Netzbetreibern stellen eine Barriere dar, die weder durch die Markterfahrungen mit den für Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber geltenden Entflechtungsvorgaben begründet werden kann noch praxistauglich ist. Hinzu kommt, dass die Kommission nicht alle Anwendungssektoren, Kundengruppen und potenzielle H2-Erzeuger in den Blick nimmt, indem sie für das Verteilernetz keinerlei Rolle für den H2-Transport vorsieht.

BDEW benennt Verbesserungsbedarf

Um den notwendigen Beitrag von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen zu Klimaneutralität, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit schnell zu ermöglichen, sieht der BDEW (Stellungnahme von April 2022) insbesondere zu folgenden Punkten Anpassungsbedarf (der BDEW berichtete im Dezember 2021):

  • Differenzierung der Netzebenen „Fernleitung“ und „Verteilung“ bei Wasserstoff analog zum Gassystem.
  • Anwendung der bei Gas- und Stromnetzen bewährten Entflechtungsregeln auf Wasserstoff, unter Beibehaltung des ITO-Modells für Fernleitungsnetzbetreiber auch nach 2030.
  • Möglichkeit des gemeinsamen Betriebs von H2- und Gas- sowie Stromnetzen - ohne die unnötige bürokratische Hürde der Trennung in zwei Gesellschaften im Rahmen einer horizontalen Entflechtung.
  • Beibehaltung der unterschiedlichen, etablierten Netzzugangs- und Entgeltvorgaben des Gasbereiches für die Netzebenen „Fernleitung“ und „Verteilung“.
  • Ermöglichung einer gemeinsamen Finanzierung von Gas- und H2-Netzen im Hinblick auf ein zukünftiges Netz der allgemeinen Versorgung mit Wasserstoff, zumindest Möglichkeit einer begrenzten und umsetzbaren Verwendung der Erträge aus dem Betrieb der Gasnetze zur Umstellung bestehender und zum Bau neuer H2-Leitungen.
  • Finanzierung der Umstellung von Gas- bzw. Neuerrichtung von H2-Netzen auch über Finanzinvestoren und Versicherungsgesellschaften sicherstellen.
  • Schaffung eines zentralen, EU-weit einheitlichen Nachweis- und Handelssystems für erneuerbare und dekarbonisierte Gase, präferiert in Form von Herkunftsnachweisen (GOs) nach dem Book & Claim-Prinzip. Sollte die Zertifizierung wie von der Kommission als Massenbilanzierung angelegt werden, müsste das gesamte europäische Gasnetz als ein Massenbilanzierungssystem festgeschrieben werden, um in einem einheitlichen System den Handel mit solchen Nachweisen im EU-Binnenmarkt zu ermöglichen.
  • Einführung eines gemeinsamen Netzentwicklungsplans für Gas und H2 auf nationaler und EU-Ebene (TYNDP).
  • Ausgestaltung einer gemeinsamen EU DSO Entity für Strom- und Gas-VNB dergestalt, dass für spartenspezifische Themen die jeweilige Gruppierung die Entscheidungshoheit hat.
  • Integration von Wasserstoff in ENTSOG und die EU DSO Entity, um einen Übergang von der heutigen Erdgas- zur H2-Infrastruktur zu gewährleisten.

BDEW weist zudem darauf hin, dass die als Teil der Gasbinnenmarkt-Verordnung ebenfalls am 15. Dezember 2021 vorgeschlagene Anpassung der Gas-Versorgungssicherheits-Verordnung viele Möglichkeiten eröffnen, die Auswirkungen jedoch je nach Ausgestaltung variieren. So ist beispielsweise beim Einbezug der Gasspeicher in die regionale Risikobewertung entscheidend, welche Verbindlichkeit Empfehlungen der Risikogruppen für die Mitgliedstaaten haben. Ein gemeinsamer Beschaffungsmechanimus muss – wie vorgesehen – immer freiwilligen Charakter haben. Der bestehende Rechtsrahmen zur Cybersecurity gewährleistet bereits ein sehr hohes Schutzniveau der IT-Systeme in der Gasbranche.

Nächste Schritte

Die Vorschläge der Kommission werden im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren von Europäischen Parlament und dem Rat der EU beraten. Die Berichterstatter für die Gasbinnenmarkt-Richtlinie, MdEP Jens Geier (S&D/DE), sowie für die Gasbinnenmarkt-Verordnung, MdEP Jerzy Buzek (EVP/PL) werden ihre Berichtsentwürfe voraussichtlich am 27. Juni 2022 im federführenden Industrieausschuss vorstellen. Nach der parlamentarischen Sommerpause werden dann die Beratungen der Änderungsanträge der Ausschussmitglieder beginnen. Mit der Abstimmung der Parlamentsposition ist gegen Ende des Jahres zu rechnen.

Auf Seiten der Mitgliedstaaten tagt seit Februar die Ratsarbeitsgruppe „Energie“ unter französischem Vorsitz einmal im Monat zu den Vorschlägen der Kommission. Im Juli 2022 wird Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und voraussichtlich die Beratungen intensivieren, so dass sich die Mitgliedstaaten voraussichtlich ebenfalls gegen Ende des Jahres auf eine Position einigen werden. Damit könnten die informellen Trilogverhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission dann in 2023 beginnen.

Der BDEW wird sich weiter intensiv in die Beratungen zu den Legislativvorschlägen einbringen.

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