Die Bundesnetzagentur hat am 10. Juni 2020 das angekündigte Festlegungsverfahren zur Weiterentwicklung der Netzzugangsbedingungen Strom (BK6-20-160) eröffnet. Der BDEW hat sich mit zwei Stellungnahmen in das Konsultationsverfahren eingebracht: eine zu den Aspekten der Marktkommunikation, die andere zu den konsultierten Vertragsdokumenten (Netznutzungs- und Lieferantenrahmenvertrag und Netznutzungsvertrag Elektromobilität)
Marktkommunikation
Die von der Bundesnetzagentur vorgelegten Konsultationsdokumente sind in der Summe sehr umfangreich und tangieren viele Fachthemen. Sie umfassen durch das Messstellenbetriebsgesetz zeitlich aufgeschobene Digitalisierungsvorhaben wie die Sperrprozesse, die elektronische Übermittlung der Kommunikationsdaten, der Austausch von Zählzeiten sowie die Einführung des elektronischen Preisblatts für die Netznutzungsrechnung. Des Weiteren hat die BNetzA eine Reihe neuer Themen mit Auswirkungen auf Netz, Vertrieb und Marktkommunikation aufgenommen, dazu zählen insbesondere die "Vorschau Netznutzungsabrechnung", "Prozesse zur elektronisch unterstützten Aktualisierung von Standardverträgen", "Anfrage und Bestellung von Leistungen des MSB durch einen passiven externen Marktteilnehmer", "Änderung der EDIFACT-Adresse" sowie die BNetzA-Vorschläge zur "täglichen Übermittlung von Lastgangdaten". Weiterhin werden mit den Konsultationsdokumenten eine Reihe an Umsetzungsfragen zur Marktkommunikation 2020 in die Prozesse integriert, sodass hier eine Konsolidierung der Dokumente stattfindet.
Der BDEW hat die vielfältigen Themen geprüft und legt mit seiner Stellungnahme umfangreiche Bewertungen vor. Der BDEW unterstützt im Grundsatz die Überlegungen der BNetzA, die Netzzugangsbedingungen Strom weiterzuentwickeln und die Digitalisierung und Automatisierung der Energiewirtschaft weiter voranzubringen. Kritisch sieht der BDEW allerdings den Umfang sowie den vorgesehenen Gesamtzeitplan für eine Implementierung der vielfältigen Themen (1. April 2022). Die vorgelegten Prozesse gehen teilweise über die erforderliche Notwendigkeit hinaus (z. B. Vorschau Netznutzungsabrechnung, Änderung der EDIFACT-Adresse), andere Prozesse lassen zum Teil konzeptionelle wie prozessuale oder technische Fragen offen (z. B. Sperrprozesse, Anfrage und Bestellung von Leistungen des MSB durch einen passiven externen Marktteilnehmer, Netznutzungsvertrag E-Mob).
Zur Schaffung eines nachhaltigen Nutzens für alle Marktbeteiligten gegenüber der heutigen Situation darf sich die Weiterentwicklung von Kontaktdatenblättern nicht nur auf die Behebung von punktuellen Mängeln (z. B. automatisierbare Verteilung der Kontaktdaten via EDIFACT) beziehen, sondern muss grundsätzlich den Anforderungen eines zukünftigen Energiemarktes (Berücksichtigung neuer Rollen und Markterfordernisse) sowie den zur Verfügung stehenden Technologien genügen. Bei den Prozessbeschreibungen zum Thema "Sperrung/Entsperrung" ist hervorzuheben, dass die Prozessentwürfe von den im Energiemarkt etablierten Verfahren weit abweichen und sie in ihrem Prozessdesign neu aufgesetzt werden sollten.
Die Summe der angesprochenen Vorgaben haben massive Auswirkungen auf die Marktkommunikationsprozesse zwischen den Rollen Netz und Vertrieb, insbesondere ist der damit verbundene Umsetzungsaufwand für die Verteilnetzbetreiber vergleichbar mit den Aufwänden zur Marktkommunikation 2020. Für den Energiemarkt ist der geplante Umsetzungstermin zu den von der BNetzA skizzierten Prozessvorhaben 1. April 2022 zu kurz. Der BDEW spricht sich dafür aus, die Themen im Dialog zwischen Bundesnetzagentur und Energiebranche zu priorisieren und unter Beachtung der Komplexität der Themen sowie hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit der Gesamtheit der energiewirtschaftlichen Prozessthemen, wie z. B. Redispatch 2.0, anzupassen.
Netznutzungsverträge
Im Rahmen des Festlegungsverfahrens hat die BNetzA auch die Änderung des bestehenden Netznutzungs- und Lieferantenrahmenvertrages und den Entwurf eines neuen Netznutzungsvertrages für Elektromobilität konsultiert. Zu diesen Konsultationsdokumenten haben BDEW und VKU, wie in der Vergangenheit, gemeinsam Stellung genommen. Die Vorschläge zur Änderung des Netznutzungs- und Lieferantenrahmenvertrages basierten zum großen Teil auf den von BDEW und VKU vorgeschlagenen Änderungen und sind eine Folge der Änderungen in der Marktkommunikation (Marktkommunikation 2020).
Hinsichtlich des neuen Vorschlags für einen Netznutzungsvertrag Elektromobilität sehen die Verbände noch erheblichen Klärungsbedarf. Der Vertragsentwurf lässt das dahinterstehende Konzept nicht widerspruchsfrei erkennen und verwendet Begriffe, die bisher weder im EnWG noch in den Festlegungen noch im Vertrag definiert sind und zu Missverständnissen führen (z. B. Netzkopplungspunkt, virtuelles Bilanzierungsgebiet und Ladepunktnetz). An dieser Stelle beklagen BDEW und VKU insbesondere die missverständliche und nicht EnWG-konforme Verwendung des Begriffes „letztverbrauchende“ für die Fahrzeugnutzer an öffentlichen Ladepunkten.
Der Netznutzungsvertrag Elektromobilität muss sich außerdem sowohl in das energiewirtschaftliche Marktkommunikations- und Regulierungsmodell einfügen als auch den Elektromobilitätsmarkt abbilden können und darf nicht zu Widersprüchen innerhalb des aktuellen Ökosystems für öffentliche Ladeinfrastruktur führen. Für die Elektromobilität haben sich bereits Geschäftsmodelle entwickelt, die durch die BNetzA-Festlegung zur Weiterentwicklung der Netzzugangsbedingungen Strom nicht benachteiligt werden dürfen.
Aus diesen Gründen schlägt der BDEW vor, die genannten Fragestellungen in einem gemeinsamen Workshop mit der BNetzA sowie unter Beteiligung von BDEW-Vertretern aus den Bereichen Mobilität, Netz, Recht und Marktkommunikation aufzugreifen, das Konzeptverständnis gemeinsam zu schärfen und ggf. gemeinsam weiterzuentwickeln.