Kernelemente der SoS-VO-Novelle
Am 16. Februar
2016 hatte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine
novellierte Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung Nr. 994/2010
veröffentlicht.
Kernelement des Novellierungsvorschlags ist ein Konzept zur regionalen
Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten in der Risikoidentifikation sowie bei
der Erstellung gemeinsamer Präventions- und Notfallpläne. Deutschland
findet sich im Vorschlag der Kommission in einer Gruppe mit Polen, der
Tschechischen Republik sowie der Slowakei wieder. Darüber hinaus enthält
der Entwurf der novellierten Verordnung einen Solidaritätsmechanismus,
nach dem sich benachbarte Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung der
essenziellen Gasversorgung von Haushaltskunden, sie beliefernde
Fernwärmeanlagen sowie wesentliche soziale Dienste gegenseitig
unterstützen sollen. Als drittes Kernelement beinhaltet der
Verordnungsentwurf umfassende Berichts- und Informationspflichten für
Unternehmen über Details von Gaslieferverträgen bis hin zur Offenlegung
vollständiger Verträge.
BDEW Position
Der
BDEW hat zum Vorschlag der Kommission für eine novellierte
Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung umfassend Stellung genommen.
Darin spricht sich der Verband für eine konkret anlassbezogene und
themenorientierte Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten als Alternative zum
starren Regionenkonzept der Kommission aus. Der Solidaritätsmechanismus
wird vom BDEW grundsätzlich begrüßt, sollte aber an die Erfüllung
konkreter Bedingungen (eigenständige Vorsorge im Vorfeld) geknüpft sein.
Preisinformationen, die bei einer Offenlegung der Verträge betroffen
wären, leisten nach Ansicht des BDEW keinen Beitrag zur Beurteilung der
Versorgungssicherheitslage in der EU. Die Offenlegung von Verträgen, wie
von der Kommission vorgeschlagen, lehnt der BDEW daher ab.
Europäisches Parlament: Federführender Industrieausschuss spricht sich für Verschärfung des Kommissionsvorschlags aus
Der
federführende Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des
Europäischen Parlaments (ITRE) hat am 13. Oktober 2016 seinen Bericht
zum Kommissionsvorschlag verabschiedet und dabei dem Berichterstatter
MdEP Jerzy Buzek (EVP, Polen) ein Mandat für informelle
Trilogverhandlungen erteilt. Insgesamt fordert der ITRE eine
Verschärfung des Vorschlags der Kommission in wesentlichen Punkten:
Regionale Kooperation: Beibehaltung des Kommissionsvorschlags top-down definierter, starrer Ländergruppen zur gemeinsamen Risikobewertung und Erstellung von Präventions- und Notfallplänen. Sogenannte "Emergency Supply Corridors", die ENTSO-G bisweilen als Alternative zum Regionenkonzept vorgeschlagen hatte und die auch dem Vorschlag des BDEW einer themenorientierten und anlassbezogenen Zusammenarbeit entsprechen, sollen dabei als zusätzliche Informationsquelle bei der Erstellung der Präventions- und Notfallpläne herangezogen werden.
Informationsaustausch über Gaslieferverträge: Weitere Verschärfung der bereits im Vorschlag der Kommission erheblich ausgeweiteten Meldepflichten für Unternehmen, unter anderem Meldung von Preisinformationen und Ausweitung der Kompetenzen der Kommission. Zudem will der ITRE-Ausschuss die Meldeschwelle für langfristige Verträge mit Laufzeit über einem Jahr dahingehend absenken, dass Unternehmen Verträge bereits melden müssen, sobald die Schwelle von 40 Prozent des Gasimports aus Drittstaaten in einem Markt überschritten sind. Für Deutschland könnte dies perspektivisch bedeuten, dass alle Langfristverträge über Gaslieferungen aus Russland gemeldet werden müssten. Außerdem soll die Kommission die Informationen dazu nutzen, zweimal jährlich die Durchschnittspreise in den Regionalgruppen zu veröffentlichen.
Verankerung der Gasnachfragereduzierung als (vorrangige) Maßnahme zur Stärkung der Versorgungssicherheit: Über die Kernpunkte der Verordnung hinaus schlägt der ITRE-Ausschuss die Verankerung des "efficiency first"-Prinzips vor. Konkret gilt dies beispielsweise im Hinblick auf die Betonung von Maßnahmen im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz bei der Erstellung von Präventions- und Notfallplänen.
Darüber hinaus stellt der ITRE-Ausschuss auch die Definition geschützter Kunden infrage. Seiner Position entsprechend soll die bisherige Möglichkeit für Mitgliedstaaten entfallen, auch KMU als geschützte Kunden zu definieren.
Der BDEW spricht sich für die Beibehaltung dieser Möglichkeit aus, um im Zuge dessen die Definition geschützter Kunden in Deutschland auch auf SLP-Kunden auszuweiten. Dadurch soll eine praktische Umsetzbarkeit der Vorgaben auf Ebene der Verteilernetze erreicht werden - bislang ist im Falle von Abschaltungen eine trennscharfe Differenzierung zwischen geschützten und nicht geschützten Kunden kaum möglich.
Rat der Europäischen Union: Bislang keine Einigung aufgrund konträrer Meinungen zur regionalen Kooperation
Der Rat hat trotz regelmäßiger und intensiver Beratungen auf Ebene der Arbeitsgruppe "Energie" bisher kaum Fortschritte im Hinblick auf eine gemeinsame Position der Mitgliedstaaten erzielt. Nachdem am 9. November 2016 das Bestreben der slowakischen Ratspräsidentschaft für ein Mandat zur Aufnahme informeller Trilogverhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission vom Ausschuss der Ständigen Vertreter (Botschafter der Mitgliedstaaten) abgelehnt wurde, fand beim Energieministerrat am 5. Dezember 2016 eine Orientierungsaussprache zu den Themen regionale Kooperation, Solidaritätsmechanismus und Informationsaustausch statt.
Einen zentralen Streitpunkt stellt bislang der Vorschlag zur regionalen Kooperation, der von einer "Sperrminorität" mehrerer Länder um Deutschland (Österreich, Belgien, Frankreich und Italien) prinzipiell abgelehnt wird, während andere Mitgliedstaaten eine Aufweichung ablehnen. Die Aussprache auf Ebene der Energieminister zeigte nun eine erste Annäherung der Mitgliedstaaten dahingehend, dass eine regionale Zusammenarbeit entlang vorab identifizierter Risiken erfolgen soll. Bezüglich der Einführung eines Solidaritätsmechanismus besteht mehrheitliche Zustimmung in den Mitgliedstaaten, wobei die Frage, inwieweit die Kommission bereits konkrete Vorgaben zur Umsetzung des Mechanismus sowie etwaigen damit verbundenen Kompensationsregelungen machen sollte, hierbei im Fokus steht. Bei der Ausweitung der Informationspflichten werden unterschiedliche Auffassungen darüber vertreten, welche Informationen zur Beurteilung der Versorgungssituation notwendig sind und daher den Behörden zur Verfügung gestellt werden sollten.
Beginn der informellen Trilogverhandlungen mit Vorliegen der Position des Rates
Der BDEW hat das Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt eng begleitet und im engen Austausch mit Entscheidungsträgern auf nationaler und europäischer Ebene seine Positionen kommuniziert. Neben der Ausrichtung eines Diskussionsforums zur Thematik auf der diesjährigen gat zusammen mit dem DVGW, stellte insbesondere eine Fachdiskussion mit MdEP Theresa Griffin (Europäisches Parlament), Prof. Klaus-Dieter Borchardt (Europäische Kommission), Klaus Schäfer (Eurogas) und Klaus-Peter Dietmayer (BDEW-Lenkungskreis Gas) einen Höhepunkt der BDEW-Aktivitäten dar.
Sobald eine Positionierung im Rat erfolgt ist, beginnen die sogenannten informellen Trilogverhandlungen zwischen dem Berichterstatter des Parlaments, MdEP Buzek, dem Ratsvorsitz und Vertretern der Kommission. Das informelle Trilogverfahren dient der Beschleunigung des ordentlichen Rechtssetzungsverfahrens. Dabei werden Kompromisslinien zu den unterschiedlichen Themenpunkten zwischen den Positionen des Rates, dem Parlament und dem Vorschlag der Kommission gesucht. Die derzeit amtierende slowakische Ratspräsidentschaft strebte ursprünglich einen Abschluss der Trilogverhandlungen bis Ende 2016 an, der nun voraussichtlich im ersten Quartal 2017 erfolgen wird. Im Anschluss muss diese politische Einigung noch vom Europäischen Parlament und vom Rat formal angenommen werden. Der BDEW wird das Verfahren weiterhin begleiten und seine Mitglieder über die Entwicklungen und Ergebnisse des Verfahrens informieren.