Schon heute sind über 50 % der Stromerzeugung erneuerbar und zunehmend dezentral. Durch Prosuming können sich sowohl Privatpersonen als auch Gewerbe und Industrie als Betreiber und Nutzer von dezentralen Erzeugungsanlagen, wie beispielsweise PV-Anlagen, vermehrt und aktiv an der Energiewende beteiligen. Der BDEW veröffentlicht nun 14 Handlungsempfehlungen, um die Potenziale des Prosuming, auch über die aktuell vorherrschende Nutzung im Einfamilienhaus hinaus, zu erschließen.
Durch technische Entwicklungen wie Hausbatteriespeicher und strombasierte Anwendungen wie Wärmepumpen oder Ladesäulen für Elektrofahrzeuge haben private Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen vielfältige Möglichkeiten, einen wachsenden Teil ihres erzeugten Stroms unterhalb des Anschlusses an das Netz der öffentlichen Versorgung selbst zu verbrauchen. Der Erzeuger (engl. „Producer“) ist also zunehmend auch gleichzeitig Verbraucher (engl. „Consumer“) und verbindet beide Rollen zum „Prosumer“.
Neben der Umsetzung der Energiewende in den Ballungsräumen ist das Prosuming auch entscheidend, um die Sektorkopplung voranzutreiben, da innerhalb der Prosuming-Anwendungen eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Nutzung des erzeugten Stroms für Mobilität und Wärme besteht. Gerade zur Erschließung dieses Potenzials für die Sektorkopplung sind jedoch noch eine Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen erforderlich, um elektrische Anwendungen in den Bereichen Wärme und Verkehr – z.B. Elektroladesäulen und Wärmepumpen – zu forcieren.
Es gibt bereits eine Vielzahl innovativer technischer Lösungen für effiziente Energieerzeugung, -speicherung und -nutzung in Betrieben, Gebäuden oder an Energieerzeugungsstandorten. Allerdings werden diese unter dem heutigen rechtlichen und regulatorischen Rahmen kaum in der Praxis realisiert. Die hohen Potenziale von Prosuming zeigt auch eine Studie von Fraunhofer ISE und Energy Brainpool im Auftrag des BDEW auf, die eine Reihe möglicher Prosuming-Anwendungen untersuchte.
Handlungsschwerpunkte zur Erschließung der Potenziale des Prosuming
Um diese Potenziale zu heben hat der BDEW nun 14 Handlungsempfehlungen veröffentlicht: So soll die Umsetzung größerer Prosuming-Anwendungen wie z.B. in ganzen Quartieren, Mehrfamilienhäusern oder Gewerbebetrieben vereinfacht und regulatorisch angegangen werden. Ein wesentlicher Baustein hierfür ist die Möglichkeit, für die Eigenversorgung hinter einem definierten Netzanschlusspunkt an das öffentliche Stromnetz individuelle Verträge zwischen Stromlieferanten und Kunden abzuschließen, so dass eine „kollektive Eigenversorgung“ ermöglicht wird. Derzeit ist es für Prosumer zudem noch nicht ausreichend möglich, Flexibilitäten für Verteilnetzbetreiber zur Verfügung zu stellen. Hier bedarf es, neben den BNetzA-Festlegungen auf Basis des § 14a EnWG, der zukünftigen Ausgestaltung einer marktlichen Flexibilitätsbereitstellung für Verteilnetzbetreiber in der Niederspannung in § 14c EnWG als Ergänzung zum regulatorischen Redispatch für Übertragungsnetzbetreiber.
Bei einer höheren Durchdringung mit Prosuming-Anwendungen müssen größere solcher Systeme zur Transparenz und Systemstabilität des Energiesystems beitragen. Für Prosuming-Anwendungen ab einer installierten Leistung von 100 kW, die Flexibilitäten anbieten möchten, schlägt der BDEW daher perspektivisch die Pflicht zur Anmeldung eines Fahrplans an den Netzbetreiber vor. So kann der Verteilnetzbetreiber die prognostizierte Einspeisung oder den Netzbezug der Prosuming-Anwendung in die Planung des Netzbetriebs mit integrieren und die zu erwartende Einspeisung sowie der Verbrauch im Verteilnetzgebiet werden transparent.
Auch soll den Prosumern nach den Vorstellungen des BDEW noch stärker die Möglichkeit eingeräumt werden, an den heute bestehenden und zukünftig entstehenden Märkten teilzunehmen und Leistungen für Dritte, bspw. das Netz oder das Energiesystem als Ganzes, zu erbringen. Die Erbringung der Systemdienstleistungen (SDL) soll als freiwillige Leistung marktlich angereizt werden, wenn dies volkswirtschaftlich effizient ist.
Prosuming bietet auch umfangreiche Möglichkeiten für die Anwendung von Sektorkopplungstechnologien. Die Prosuming-Studie von Fraunhofer ISE und Energy Brainpool zeigte für sektorgekoppelte Prosuming-Anwendungen sogar ein besonders hohes Potenzial und gute Wirtschaftlichkeit, die aber mit hohen Investitionskosten verbunden sind. Um das Potenzial der Sektorkopplung noch stärker zu erschließen, müssen daher die Potenziale von Nutzen-statt-Abregeln aus Sicht des BDEW noch wesentlich stärker gehoben werden. Für Prosuming-Anwendungen muss sich Nutzen-statt-Abregeln mit dem Nutzen-statt-Einspeisen des Prosuming ergänzen. Ein wesentlicher Baustein für eine systemdienliche, sektorgekoppelte Betriebsweise von Prosuming-Anwendungen, die außerdem das Angebot von Flexibilitäten ermöglicht, ist die Nutzung von Stromspeichern.
Weitere Handlungsempfehlungen sind Vereinfachungen der Messanforderungen, z.B. für Mieterstrom oder die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Einfache Mess- und Abrechnungskonzepte sollte es künftig auch für die Kombination aus Mieterstrom und einer Direktbelieferung von z.B. Wärmepumpen und E-Ladestationen mit PV-Strom geben. Die Gleichstellung der Eigenversorgung mit der Drittbelieferung sollte bspw. durch eine Stromsteuerbefreiung für Laden von E-Fahrzeugen Dritter auf gemeinsamen Parkplätzen vorangetrieben werden.
Klar ist aus Sicht des BDEW aber auch, dass Prosumer künftig auch angemessen an den Kosten des Energieversorgungssystems, wie Netzkosten, gesicherte Leistung und Systemdienstleistungen, beteiligt werden. Somit bleibt auch bei einem Energiesystem mit größeren Prosuming-Anteilen eine stabile Finanzierungsbasis der Infrastruktur erhalten. Prosumer müssen also einen verursachungsgerechten Beitrag zur Finanzierung der Netzinfrastruktur leisten und gleichzeitig ihre Flexibilitäten netz-, system- und marktdienlich einsetzen.
Das neue BDEW-Papier „Die dezentrale Energiewende gestalten – Prosuming ermöglichen“ sowie eine Studie des Fraunhofer ISE und Energy Brainpool im Auftrag des BDEW zu den Potenzialen und Rahmenbedingungen für den Ausbau des Prosuming aus dem Jahr 2022, deren Ergebnisse der Neupositionierung zugrunde liegen, finden Sie am Ende dieser Seite.