Im Zuge der laufenden Diskussion über die Fortentwicklung des Redispatch 2.0 und das Gutachten der Consentec GmbH hat der BDEW ein Positionspapier zum Thema veröffentlicht. Darin fordert der Verband u.a., die Verbesserung relevanter Praxisprozesse in der Weiterentwicklung mitzuberücksichtigen. Dazu sollte auch eine Anpassung der Rechtsgrundlage für den Redispatch 2.0 geprüft werden.
Im September 2023 hatte die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Festlegungsverfahren zur Überarbeitung der bestehenden Redispatch-relevanten Festlegungsgrundlagen eingeleitet und die Consentec GmbH mit der Erarbeitung eines Gutachtens zur Bilanzierung der VNB-Pilotprojekten beauftragt. Dort war pilotweise die Bilanzierung durch die Netzbetreiber im Verteilnetz erprobt worden. Im Sommer 2023 wurde die Bilanzierung dort jedoch aufgrund von Risiken für die Systemsicherheit ausgesetzt. In dem Gutachten aus dem Frühjahr 2024 identifiziert die Consentec GmbH eine Reihe von Faktoren, die zu Abweichungen zwischen der prognostizierten und bestimmten Ausfallarbeit in den VNB-Pilotprojekten und deren Aussetzung geführt haben. Angeführt wurden insbesondere Schwächen der Steuerungstechnik, Soft- und Hardwareprobleme, eine zum Teil lücken- und fehlerhafte Datenlage sowie die Auswirkungen der Bilanzierungsmodelle. Auf dieser Basis schlägt Consentec u.a. vor, kurzfristig an einer Redispatch 2.0-Umsetzung weitgehend analog zur BDEW-Übergangslösung zum gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0 festzuhalten. Für das Langfristziel eines bilanzierten und planbaren Redispatch 2.0 sollte ein Aktionsplan zur Behebung bestehender Probleme realisiert werden.
BDEW-Prioritäten: Nachbesserungen, Praxisprozesse, Rechtsgrundlage
In seinem Positionspapier bewertet der BDEW die von der Consentec GmbH vorgelegten Analysen und Empfehlungen grundsätzlich positiv. An verschiedenen Stellen greift das Gutachten dabei Punkte auf, die der BDEW bereits im Abschlusspapier der Task Force Rahmenbedingungen Redispatch 2.0 im vergangenen Sommer dargestellt hat.
Dabei sind aus Sicht des BDEW jedoch wichtige Ergänzungen notwendig: So sieht der BDEW in Bezug auf die zentralen Bilanzierungsfragen die Bilanzierung durch Netzbetreiber per Planwertmodell für Redispatch-relevante Anlagen als langfristig beste Option. Diese sollte auch bereits kurzfristig für ausgewählte Anlagen erprobt und umgesetzt werden. Für Verteilnetzanlagen im Prognosemodell, die (noch) nicht ins Planwertmodell überführt wurden, ist hingegen aus Sicht des BDEW eine Bilanzierung durch den BKV des LF die praxistauglichste Lösung, der hierfür angemessen zu kompensieren ist. Dieses Zielmodell steht unter der Bedingung, dass zügig Leistungsmengen ins Planwertmodell überführt werden, sodass langfristig nur ein Leistungsresiduum im angepassten Prognosemodell verbleibt. Die Systemsicherheit muss zu jeder Zeit gewahrt sein.
Darüber hinaus besteht aus Sicht des BDEW der Bedarf, bei der Weiterentwicklung des Redispatch 2.0 weitere Aspekte zu berücksichtigen, die im Gutachten der Consentec GmbH bisher noch nicht aufgegriffen werden konnten. Insbesondere sollten neben der Bilanzierung auch weitere Praxisprozesse im Mittelpunkt stehen, die für einen robusten und erfolgreichen Redispatch 2.0 überprüft und angepasst werden müssen. Notwendige Überarbeitungen ergeben sich insbesondere beim Abrechnungsprozess, beim Stammdatenprozess und in Sachen Antwortverhalten. Hierzu werden in den BDEW-Gremien erste Vorschläge vorbereitet. Zudem sollte geprüft werden ob sich ein angepasster Zuschnitt von Marktrollen und damit verbundenen Verantwortungen und Aufgaben sowohl vereinfachend als auch effizienzsteigernd auf den Gesamtprozess auswirkt. Die Definition und der Zuschnitt von Rollen ist dabei immer im Gesamtkontext aller energiewirtschaftlichen Marktprozesse in der Markt-kommunikation und weiterer Flexibilitätsanforderungen zu betrachten.
EnWG: Verbesserung der Rechtsgrundlage erforderlich
Über den Festlegungsprozess hinaus spricht sich der BDEW dafür aus, auch Anpassungen an der Rechtsgrundlage des Redispatch 2.0 im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vorzunehmen: Im Rahmen der BDEW-Übergangslösung zum gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0 und der einschlägigen Mitteilungen der BNetzA erfolgt der Bilanzkreisausgleich im Verteilnetz aktuell flächendeckend durch den BKV des LF auf Grundlage der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Unabhängig davon, ob die Übernahme der Bilanzierungsaufgabe im Prognosemodell durch den BKV des LF im Rahmen einer Weiterentwicklung des Redispatch 2.0 zeitlich begrenzt oder dauerhaft angelegt wäre, erfordert diese aus Sicht des BDEW einen rechtssicheren Rahmen. Zwar bietet die Übergangslösung eine wirksame Grundlage für die aktuelle Rolle des BKV des LF in der Bilanzierung. Im Zuge der Weiterentwicklung sollte diese jedoch auch rechtlich kodifiziert werden. Der BDEW spricht sich daher dringend für eine sehr zeitnahe Anpassung des § 13a und § 13j EnWG aus, sodass die Möglichkeit der Bilanzierung durch den BKV des LF im Prognosemodell dort explizit gesetzlich verankert wird. Somit können im Zuge der Weiterentwicklung des Redispatch 2.0 vermeidbare rechtliche Risiken abgewendet werden.
BNetzA-Eckpunkte in Aussicht
Im nächsten Schritt will die BNetzA in den kommenden Monaten nun Eckpunkte für eine Weiterentwicklung der Redispatch 2.0-Festlegungen vorlegen. Der BDEW wird sich aktiv und mit konkreten Vorschlägen in den weiteren Festlegungsprozess einbringen.
Weitere Informationen
Weitere Informationen zu den Aufgaben und Prozessen im Rahmen des Redispatch 2.0 sowie zur notwendigen Weiterentwicklung erhalten Sie im Laufe des BDEW-Informationstags „Redispatch 2.0 - Herausforderungen und Erfahrungen der Netz- und Anlagenbetreiber“ am 17. September 2024, online. Gegenstand sind zahlreiche Umsetzungsfragen, mit denen sich Netzbetreiber, Direktvermarkter oder Anlagenbetreiber täglich beschäftigen müssen.