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"Nicht in Scheindebatten wie eFuels verlieren."

Michael Homann, Vorsitzender der Stadtwerke Karlsruhe, zu Klimazielen und Wärmewende.

Portrait Michael Homann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Karlsruhe

© Stadtwerke Karlsruhe

Herr Homann, wenn Sie auf die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung schauen, wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Realisierung der Klimaziele für Deutschland?
Die größten Herausforderungen im Hinblick auf die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung manifestieren sich in den Sektoren Verkehr, Industrie und insbesondere der Wärme- und Stromerzeugung. Bei Letzterer sind besonders die sozialen Auswirkungen auf die unteren Einkommensgruppen und zukünftige Generationen durch den hohen Finanzbedarf zu beachten. Auch müssen die Kommunen mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden.

Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors erfordert eine entschiedene, beschleunigte Umstellung auf die wirtschaftlichsten, d. h. elektrische Mobilitätslösungen, um die CO2- Emissionen zu reduzieren. Es ist wichtig, sich nicht in Scheindebatten über alternative Kraftstoffe wie eFuels oder Wasserstoff zu verlieren. Dabei muss die Schiene für den Güter- und Warentransport eine deutlich größere Rolle übernehmen.

In der Industrie müssen ebenfalls wo immer möglich Maßnahmen durch Elektrifizierung ergriffen werden, um die Emissionen zu senken und eine nachhaltige Produktionsweise zu etablieren. Für Prozesse, die Wasserstoff als Reaktionsprodukt einsetzen können (z. B. Stahl-, Zementindustrie), muss der Zugang zum Wasserstoffnetz schnell umgesetzt werden.

Die dezentrale Wärmeversorgung spielt eine zentrale Rolle, ebenso wie die Neugestaltung des Energiemix. Der Ausbau der Stromnetzkapazität ist unerlässlich, um den steigenden Bedarf durch den Betrieb von Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen zu bewältigen und um die steigende Einspeisung aus PV- und Windkraftanlagen zu ermöglichen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, langfristig ineffiziente und/oder parallele Wärmenetzinfrastrukturen zu vermeiden und geeignete regulatorische Handlungsspielräume zu schaffen, insbesondere im Umgang mit Erdgasnetzen und anderen bestehenden Infrastrukturen.

Der Wärmesektor spielt eine herausragende Rolle bei der Realisierung der Ziele. Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für die Wärmewende?
Der Wärmesektor nimmt eine herausragende Stellung bei der Verwirklichung der energiepolitischen Ziele ein. Die Rahmenbedingungen für die Wärmewende haben große Fortschritte gemacht und bedürfen punktuell weiterer Verbesserungen, insbesondere im Hinblick auf Investitionsanreize und regulatorische Maßnahmen.

Die erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende erfordert eine Integration der verschiedenen Interessen und Bedürfnisse verschiedener Akteure, darunter Gebäudeeigentümer, Energieversorger, Stadtwerke und die Politik. Es ist entscheidend, bürokratische Hürden abzubauen, um eine schnelle Integration verschiedener Energiequellen wie z. B. Geothermie zu ermöglichen. Die zielgerichtete Förderung unterschiedlicher Wärmeversorgungskonzepte und die Defossilisierung von Wärmenetzen sind von hoher Relevanz.

Die Umstellung auf den Energieträger Strom über Wärmepumpen, sowohl dezentral in Gebäuden als auch zentral in der Fern- und Nahwärmeproduktion, erfordert eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, u. a. durch die Anpassung von Aufstellungsbedingungen, um eine Integration zu erleichtern.

Es sollte keine Förderung dezentraler Wärmepumpen in Fernwärme-Ausbaugebieten und umgekehrt erfolgen. Eine Beschleunigung sollte unter Einbeziehung geothermaler Quellen erfolgen und den Einsatz von Großwärmepumpen wie auch die Implementierung von Wärmespeichern berücksichtigen, auch bekannt als „Thermoskannen“, um eine effiziente und nachhaltige Wärmeversorgung sicherzustellen.

Welche Bedeutung messen Sie der Wärmeplanung zu?
Die Erstellung eines Energieleitplans (ELP) als strategisches Planungsinstrument und darin enthaltene Leitplanken für die kommunale Wärmewende sind von entscheidender Bedeutung, um eine effiziente (und damit kostengünstige) und nachhaltige Wärmeversorgung sicherzustellen und Synergien zwischen den verschiedenen Akteuren zu nutzen.

Das Instrument ermöglicht es, Handlungsstrategien und Maßnahmen im Sinne einer Strategie zur Verwirklichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung und eines klimaneutralen Gebäudebestands bis zum Jahr 2040 zentral und zielgerichtet zu entwickeln. Als Planungsinstrument bietet der ELP einen Startpunkt, um mit der Stadtverwaltung gezielt und anschaulich nach Lösungen für bestehende Probleme und Hemmnisse zu suchen, ebenso wie neue Prioritäten in Bezug auf die Verteilung des Straßenraums in Karlsruhe, also Leitungsordnungsprinzip, Abstände zu Bäumen etc.

Der ELP als Startpunkt für die Planung von Energiequartieren und die Durchführung von Machbarkeitsstudien sind wesentliche Schritte, um eine maßgeschneiderte Wärmeversorgung für verschiedene Gebiete der Stadt zu gewährleisten, in denen die zentrale Fernwärme wirtschaftlich keine Rolle spielen kann, etwa aufgrund der Entfernung zum zentralen Fernwärmenetz oder einer geringen Energiebedarfsdichte.

Die Stadtwerke sind ein wichtiger Bestandteil dieser Transformation. In welcher Rolle sehen Sie die Stadtwerke in Deutschland und speziell in Ihrer Kommune?
Die Stadtwerke sind Motor und Partner der lokalen Energiewende, sie gestalten aktiv den Übergang zu erneuerbaren Energien und bieten vor Ort passende Lösungen für eine nachhaltige Energieversorgung in unserer Kommune. Die Stadtwerke Karlsruhe (SWK) investieren rund 750 Mio. Euro in den Ausbau von Netzinfrastruktur und Erzeugungskapazitäten, um die lokale Wärmewende voranzutreiben und eine nachhaltige, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Die Einhaltung des Zieldreiecks der SWK, „Nachhaltig, zuverlässig und bezahlbar“, hat für die SWK in der Umsetzung der Energie- und Wärmewende absolute Priorität. 350 Mio. Euro werden in den Ausbau des Stromnetzes zur Verstärkung der lokalen Netzinfrastruktur für den Anschluss von Photovoltaik, E-Mobilität und/oder Wärmepumpen investiert.

In Baden-Württemberg ist die Wärmeplanung für große Kreisstädte und Stadtkreise bereits verpflichtend. Diese mussten bis zum 31. Dezember 2023 eine eigene Wärmeplanung aufstellen und einreichen. Das bedeutet, dass die Wärmeplanung bei Ihnen in der Kommune abgeschlossen sein sollte. Wie sind Sie als Stadtwerke in diesen Prozess eingebunden worden?
Die Stadtwerke Karlsruhe haben einen maßgeblichen Beitrag zur Erstellung des Energieleitplans geleistet, der als strategisches Planungsinstrument für die klimaneutrale Energieversorgung der Stadt dient. Als Stadtwerke waren wir eng in den Prozess der Wärmeplanung eingebunden, sowohl in der Datenerhebung als auch in der Entwicklung von Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele. Wichtig ist eine sehr enge Einbindung der kommunalen Energieversorger und Netzbetreiber, insbesondere hinsichtlich planerischer Aspekte bei der Netzinfrastruktur.

Wo stehen Sie im Rahmen des Prozesses der Umsetzung der Wärmeplanung? Mit wem setzen Sie als Stadtwerke die Pläne um?
Wir befinden uns in der aktiven Umsetzungsphase der Wärmeplanung und arbeiten gemeinsam mit der Stadtverwaltung, lokalen Unternehmen und Bürgerinitiativen, um eine breite Akzeptanz und Teilhabe sicherzustellen und um die definierten Ziele zu erreichen. Die integrierte Netzplanung als internes Projekt setzt zum Teil auf den Energieleitplan auf, um eine Übersicht über alle notwendigen Maßnahmen bei der Netzinfrastruktur für die Planung eines effizienten und zweckmäßigen Zielnetzes für Karlsruhe zu erhalten.

Welche Instrumente sind für die erfolgreiche Umsetzung aus Ihrer Sicht erforderlich?
Eine zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen den Akteuren, abgestimmte Prioritäten, klare regulatorische Rahmenbedingungen, gezielte Förderprogramme und eine Integration nachhaltiger und innovativer Technologien sind entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung.

Durch die Vorreiterrolle Baden-Württembergs können Stadtwerke aus anderen Bundesländern von Ihren Erfahrungen profitieren. Welche Lessons Learned würden Sie diesen Stadtwerken mitgeben?
Die Einbindung von Netzbetreibern und Energieversorgern jenseits der Rolle reiner Datenlieferanten ist sehr wichtig. Hinzu kommt aber auch die Einbindung aller Akteure, eine frühzeitige Planung und Flexibilität. Auch die Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, die Schaffung von Kooperationsnetzwerken und eine transparente Kommunikation sind von großer Bedeutung.

Was sind die größten Herausforderungen im Rahmen der Erstellung der verpflichtenden Wärmeplanung? Welche politischen Maßnahmen sind notwendig, um die von Ihnen aufgezeigten Maßnahmen und Herausforderungen zielgerichtet umsetzen zu können?
Die größten Herausforderungen liegen in der Integration unterschiedlicher Interessen und Bedürfnisse, der Sicherstellung ausreichender Finanzierungsmöglichkeiten und der Schaffung eines stabilen regulatorischen Umfeldes. Politische Maßnahmen sollten Anreize für Investitionen schaffen und eine langfristige Planungssicherheit gewährleisten.  Beispiele sind weitere Anreizsysteme für die Nutzung erneuerbarer Energien (PV, Wärmepumpe, E-Mobilität) und für den Ausbau der Fernwärme oder Quartierskonzepte.

Die Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordination von sehr hohem innerstädtischen Bauaufkommen mit der Kommune oder die Priorisierung von Netz-infrastrukturausbau im Gegensatz zu anderen, konkurrierenden städteplanerischen und kommunalen Zielsetzungen bleiben eine Herausforderung.

Welche Rolle übernimmt die Fernwärme für die Transformation des Wärmesektors?
Die Fernwärme ermöglicht eine flexible, nachhaltige Wärmeversorgung, insbesondere in urbanen, verdichteten Gebieten. Sie ist die wesentliche Wärmequelle in Stadtgebieten mit hoher Wärmedichte. Die Fernwärme spielt in Karlsruhe die zentrale Rolle zur Erreichung der Klimaschutzziele. Wir haben ein großes Fernwärmenetz mit einer Länge von mittlerweile über 230 Kilometern. Durch die MiRO und die Maxauer Papierfabrik nutzen wir ein hohes Abwärmepotenzial. Ergänzend investieren wir in Großwärmepumpen, Wärmespeicher, Geothermie und eine KWK-Anlage, die wasserstoffready ausgelegt wird. Die Stadtwerke Karlsruhe investieren seit Jahren gezielt in den Ausbau des Fernwärmenetzes, um eine flächendeckende, nachhaltige Wärmeversorgung für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Die Finanzierung hat in der gesellschaftlichen Diskussion an Bedeutung gewonnen. Der gesellschaftliche Diskurs zeigt, dass die Finanzierung der Wärmewende eine entscheidende Rolle spielt. Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen?
Eine transparente Kommunikation der Vorteile und Möglichkeiten einer nachhaltigen Wärmeversorgung, die Schaffung von Anreizen für Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen sind entscheidend, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.

Die Stadt und die Stadtwerke Karlsruhe setzen auf eine aktive Bürgerbeteiligung und informieren die Bevölkerung über die Chancen und Herausforderungen der Wärmewende, um ein breites Verständnis und eine hohe Akzeptanz für die geplanten Maßnahmen zu schaffen. Die Politik sorgt für eine sozialverträgliche Umsetzung, um einkommensschwache Bevölkerungsgruppen nicht überproportional zu belasten (Stichwort „Klimageld“).

Herr Homann, vielen Dank für das Gespräch!


Michael Homann

arbeitete nach seinem Studium (Wirtschaftsingenieurwesen) unter anderem für den heutigen E.ON-Konzern. Michael Homann verantwortet seit Januar 2013 die Geschäftsbereiche Vertrieb und Handel der Stadtwerke Karlsruhe. Im Juli 2014 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsführung ernannt.


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