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Großwärmepumpe als Baustein für klimaneutrale Fernwärme

Abwärme ersetzt fossile Brennstoffe: Die größte Anlage in Deutschland soll 10.000 Stuttgarter Wohnungen versorgen

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© Uli Deck

Die Abwärme aus dem Kühlwasser des Restmüllheizkraftwerks (RMHKW) soll in Stuttgart für das Fernwärmenetz zurückgewonnen werden: Mithilfe einer Großwärmepumpe will die EnBW die Dekarbonisierung vorantreiben und so den Ausstoß von rund 15.000 Tonnen CO2 jährlich vermeiden.

Klimafreundlicher Umbau

Für den Einsatz der Anlage mit gut 20 MW (Megawatt, 1 MW = 1000 Kilowatt, kW) thermischer Leistung laufen bereits die Vorbereitungen am Standort Münster. Sie soll aus dem Kühlwasserablauf der Kondensatoren der Dampfturbinenanlage jährlich rund 100.000 MWh Wärme gewinnen. Damit ließen sich gut 7 Prozent des Verbrauchs im Stuttgarter Fernwärmenetz abdecken, das neben 28.000 Wohnungen und 1.400 Unternehmen auch 380 öffentliche Gebäude versorgt. 

Leitstand © RMHKW Stuttgart-Münster

Die Großwärmepumpe (GWP) nutzt das gleiche Prinzip wie Kühlschränke – nur in umgekehrter Richtung: Restwärme aus dem Kühlwasser geht auf ein Kältemittel über, das bereits bei niedrigen Temperaturen verdampft. Ein Verdichter erhöht den Druck und damit die Temperatur des Dampfs, wodurch sich Wärme ins Netz übertragen lässt. Der Wirkungsgrad liegt bei etwa 3:1. Für 3 MW Wärme wird also 1 MW Strom benötigt, der ebenfalls aus dem RMHKW stammt. Die dem biogenen Anteil des Abfalls entsprechende und deshalb als CO2-neutral zu betrachtende Stromausbeute reicht dafür völlig aus. Ein willkommener Zusatzeffekt: Vor der Rückführung in den Fluss wird die Temperatur des Kühlwassers um bis zu vier Grad verringert.

Neue Maßstäbe zur Dekarbonisierung der Fernwärme

Die Ursprünge der Fernwärmeversorgung in Stuttgart reichen bis in die 1930er Jahre zurück. Deren Basis bildete schon damals die Abwärme aus der thermischen Abfallbehandlung. Mit dem Ausbau des Netzes in der Landeshauptstadt und neckaraufwärts stieg der Bedarf, den heute drei weitere Heizkraftwerke decken: Stuttgart-Gaisburg und Altbach in Kraft-Wärme-Kopplung sowie – für Lastspitzen – ein Heizwerk im Stadtzentrum. In allen dreien verspricht die zusätzliche Erzeugung am Standort Münster von Oktober bis Mai den verringerten Einsatz fossiler Brennstoffe. Demgegenüber kann in den Sommermonaten die aus dem RMHKW ausgekoppelte Wärme den Bedarf spielend decken.

Generell hat sich auch im Raum Stuttgart die EnBW beim Betrieb ihrer Kraftwerke längst auf den Weg der Dekarbonisierung gemacht: So erfolgte bereits im Jahr 2018 der „fuel-switch“ von Kohle auf Gas am Standort Gaisburg, wobei perspektivisch auch der weitere Umstieg auf „grüne Gase“ wie Wasserstoff möglich ist. Das Kraftwerk Altbach soll künftig einen weiteren großen Meilenstein auf dem Weg zum erklärten Ziel der Klimaneutralität bis 2035 bil-den. Allein der Einbau der GWP in Münster erlaubt die klimaneutrale und vor allem kontinuierliche, witterungsunabhängige Versorgung von 10.000 Wohnungen.

Graphische Darstellung © RMHKW Stuttgart-Münster

Bis es soweit ist, haben die Techniker aber noch manche „harte Nuss“ zu knacken. Das beginnt mit der Enge am Standort Münster, der zwischen einer Steilstufe des Neckartals und dem Fluss selbst nur wenig Platz bietet. Dazu kommt der Umgang mit einer bislang keineswegs massenhaft verbreiteten Technik: Wärmepumpen in dieser Größenklasse gibt es europaweit nur an wenigen Standorten, beispielsweise in Skandinavien. Die für den Einsatz in Stuttgart vorgesehene ist die in Deutschland bislang größte. 

Umso willkommener war die Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) als Teil des Reallabors der Energiewende. In diesem Rahmen werden die praktischen Erfahrungen mehrerer Projekte zur Systemeinbindung von GWP miteinander verzahnt. Das Ziel: dem Einsatz solcher Anlagen in der Fernwärmeerzeugung zum Durcbruch verhelfen und letztlich einen wichtigen Baustein zur Dekarbonisierung des Wärmesektors bundesweit liefern.


Projektdaten „Auf einen Blick“:

Eine Großwärmepumpenanlage (GWP) mit 20 MW thermischer Leistung wird die Abwärme aus dem Kühlwasserabfluss im RMHKW Stuttgart Münster nutzen und so den Anteil der CO2-frei erzeugten Fernwärme um ca. 100 GWh/a erhöhen. Die EnBW als Betreiberin dekarbonisiert dadurch 7 % der Versorgung und reduziert gleichzeitig den Wärmeeintrag in den Neckar. Im Rahmen des vom BMWK geförderten „Reallabor der Energiewende“ soll das Projekt dazu beitragen, dem Einsatz solcher Anlagen in der Fernwärmeerzeugung zum Durchbruch zu verhelfen.

  • Standort: RMHKW Stuttgart-Münster

  • Versorgungsgebiet: Fernwärmenetz Region Stuttgart

  • Jährlicher Wärmebedarf: 0,1 TWh von ca. 1,2 TWh gesamt 

  • Leistung: ca. 20-24 von 800 MWth gesamt

  • Technologie(n): Großwärmepumpe – Rückgewinnung von Wärme aus Kühlwasser

  • Bau- oder Projektzeit: 04/21 – 05/23 (Förderzusage – gepl. Ende Probebetrieb)

  • Investition: Vorauss. ca. 16,5 Mio €

 


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