Der BDEW hat im Rahmen der BDEW-Arbeitsgruppe "Nachnutzung Offshore" mit Offshore-Windpark-Betreibern, Übertragungsnetzbetreibern, dem Fraunhofer IWES und dem Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) gemeinsam ein White Paper zum Thema entwickelt. Ziel der Arbeitsgruppe war es, eine Plattform zu bieten, um die mannigfaltigen Herausforderungen sowie die Komplexität des Weiterbetriebs und der Nachnutzung von Offshore-Windparks (OWPs) und entsprechender Offshore-Netzanbindungssysteme (ONAS) aus Sicht der Branche zu beschreiben und mögliche Lösungs- und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Das Papier soll eine Handreichung für Vertreterinnen und Vertreter aus Behörden und Ministerien als auch für Politikerinnen und Politiker darstellen.
Zusammenfassend ergeben sich folgende Kernpunkte:
Weiterbetrieb von OWEA und ONAS
- Der Weiterbetrieb von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) und ONAS nach Auslaufen von deren Erst-Genehmigung sowie die anschließende Nachnutzung vorhandener Flächen mit vorhandenen Bestandsanlagen ist mit einem hohen koordinatorischen Aufwand verbunden, der ein frühzeitiges planvolles Handeln der beteiligten Akteure voraussetzt. Im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) bedarf es einer Klarstellung, welche Voraussetzungen für einen Weiterbetrieb zu erfüllen sind und inwiefern ein Antrag auf Weiterbetrieb bereits früher als 24 Monate vor Ablauf der Genehmigung gestellt werden, darf. Nur wenn frühzeitig Planungssicherheit besteht, können OWEA- und ONAS-Betreiber in die Lage versetzt werden, ausreichend und rechtzeitig Infrastruktur aufzubauen bzw. für einen Weiterbetrieb freizugeben, um langfristig das Ausbauziel von 70 Gigawatt (GW) installierter Offshore-Windenergie-Leistung zu erreichen.
- Der Weiterbetrieb bestehender OWEA kann zu einem hohen volkswirtschaftlichen Nutzen führen. Durch die Weiternutzung bestehender Infrastruktur könnten zusätzliche Netzkosten aufgrund neuer Netzanschlüsse für Neuanlagen auf einen längeren Zeitraum verteilt und damit abgefedert werden. Darüber hinaus könnten Engpässe in den Lieferketten bei OWEA und ONAS vermieden sowie logistische Versorgungskapazitäten (Schiffe und Hafeninfrastruktur) durch gewonnene planerische Flexibilitäten ohne eine Überlastung besser genutzt werden. Gleichzeitig führt ein Weiterbetrieb durch eine verbesserte CO2-Bilanz zu mehr Klimaschutz.
- Der Weiterbetrieb von OWEA und ONAS ist technisch grundsätzlich möglich. Konkrete Erfahrungswerte für mögliche Zeiträume existieren aktuell noch nicht. Derzeit muss jeder Einzelfall individuell betrachtet werden.
- Nachlaufeffekte (Abschattungseffekte) werden durch die zunehmende Ausbausituation auch in den Niederlanden bei bestimmten Windrichtungen- und -geschwindigkeiten eine signifikante Einflussgröße auf den Jahresenergieertrag der OWEA in der Nordsee haben.
- Der BDEW wird gemeinsam mit der Offshore-Branche ein Gutachten beauftragen, mit dem Ziel, praxisgerechte Vorschläge für die Frage des Weiterbetriebs von bestehenden Windenergieanlagen auf See sowie der dazugehörigen Netzanbindung zu machen. Dabei sollen Vor- und Nachteile des Weiterbetriebs von OWPs und ONAS im Vergleich zur direkten Nachnutzung anhand eines Beispielclusters wissenschaftlich untersucht werden.
- Durch den Weiterbetrieb von OWEA und ONAS über 25 Jahre hinaus erhöht sich zweifellos die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen der Netzanbindungssysteme. Damit kann die Verfügbarkeit für die Energieübertragung abnehmen. Die ÜNB sehen hier die Notwendigkeit, die regulatorischen Rahmenbedingungen für einen etwaigen Weiterbetrieb anzupassen, um die Endverbraucher nicht mittelbar unverhältnismäßig zu belasten. Nach Einschätzung des BDEW kann dies beispielsweise durch eine Erhöhung der Nichtverfügbarkeitstage erreicht werden. Vorzugswürdig erscheint aber die Einführung eines Novellierungskontos, das auch einen Ausgleich zwischen den Jahren ermöglichen würde.
Repowering von OWEA
- Der BDEW regt an, das 2 K-Kriterium wissenschaftlich zu überprüfen. In unseren Nachbarländern Niederlande und Dänemark sind vergleichbare Reglungen nicht existent. Aus Sicht des BDEW ergeben sich limitierende Faktoren durch das 2 K-Kriterium. Durch eine Anpassung dieses Kriteriums könnten Seekabel durch längere Volllastzeiten voraussichtlich effizienter genutzt werden. Darüber hinaus könnten zukünftig wichtige Ressourcen gespart, Produktionskapazitäten anderweitig genutzt und der Flächenbedarf sowie die Flächen-Konkurrenz verschiedener Leitungen untereinander minimiert werden.
Rückbau von OWEA und ONAS
- Aufgrund verschiedenartiger Faktoren und fehlender Erfahrungswerte aus der Praxis kann keine verbindliche Aussage über die Rückbaudauer von OWEA und ONAS getroffen werden. Durch die zunehmende Größe der OWPs sowie Limitierungen in den Bereichen Hafenkapazitäten und Speziallogistik für den Rück- und Zubau ist mit einer längeren Rückbaudauer zwischen 24 und 36 Monaten zu rechnen. Partielle Rückbauszenarien, bei denen der Kolkschutz oder ein Pfahlsegment im Boden hinterlassen werden können, könnten zeitlich attraktiv für Stakeholder sein.