Hätten Sie es gewusst? In Deutschland gibt es mehr als sechs Millionen Anlagen zur Erzeugung von Strom. Leistungsstarke Megawatt-Kraftwerke der großen Energieversorger ebenso wie kleine private Photovoltaikanlagen oder Energiespeicher. Und täglich werden im Schnitt rund 6.000 Anlagen neu angemeldet, in den sonnenreichen Sommermonaten sogar bis zu 12.000.
Diese Zahlen kann hierzulande jeder live über eine Webseite abrufen und tagesaktuell nachvollziehen: beim sogenannten Marktstammdatenregister (MaStR). Die Datenbank mit dem sperrigen Namen wird seit 2019 von der Bundesnetzagentur betrieben. Wofür braucht man sie eigentlich?
„Bereits im vergangenen Jahrzehnt war davon auszugehen, dass die Zukunft der Energieversorgung dezentral und kleinteilig sein wird“, sagt .Yvonne Langendörfer. Sie arbeitet in dem für das Marktstammdatenregister zuständigen Referat bei der Bundesnetzagentur und begleitet den Prozess seit seinen Anfängen im Jahr 2017. „Um den Ausbau der erneuerbaren Energien zielgerichtet voranzutreiben, braucht es ein Register, mit dem sich alle Anlagen zentral erfassen lassen.“
Recherche für jedermann
Dabei hat eine zentrale Übersicht weitere Vorteile: „Das Marktstammdatenregister sorgt auch dafür, dass bestimmte Daten nicht mehr zusätzlich an anderen Stellen gemeldet werden müssen – und trägt auf diese Weise auch zum Bürokratieabbau bei“, sagt Langendörfer. Darüber hinaus stellt es Transparenz her. Interessierte Kreise erhalten unkompliziert sachdienliche Informationen über Erzeugungsanlagen, Speicher, Netzbetreiber und andere Akteure im Energiemarkt.
Außerdem unterstützt es die Bundesnetzagentur und andere Behörden bei der Überwachung und Regulierung des Energiemarkts. Zu guter Letzt nutzen Wissenschaftler und Marktforscher die Daten, um Analysen durchzuführen und die Entwicklung des Energiemarktes zu verstehen. Wer mag, kann im Register auf Landkreise heruntergebrochen nach bestimmten Anlagentypen recherchieren, erfasst werden beispielsweise die Bruttoleistung der Anlagen, die Anzahl der errichteten Solarmodule oder auch das Datum der Inbetriebnahme.
Energieversorger wie E.ON nutzen das Register, um den Ausbau der Erneuerbaren auf einer Landkarte für die Öffentlichkeit verständlich zu visualisieren. Das Marktstammdatenregister soll es aber auch Privatpersonen ermöglichen, ihre Solaranlagen unkompliziert anzumelden.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Grundsätzlich muss jede stromerzeugende Anlage – bis hin zum Balkonkraftwerk – angemeldet werden. Gerade die Balkonkraftwerke erleben nämlich derzeit einen massiven Zuwachs: „Aktuell entfallen mehr als ein Viertel – 27 Prozent – der Anmeldung auf solche Kleinstanlagen“, sagt Yvonne Langendörfer. Doch für die Meldepflicht gibt es auch Ausnahmen: So entfällt beispielsweise aus Sicherheitsgründen die Registrierungspflicht für Einheiten militärischer Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen. Auch lässt sich in der Datenbank nicht erkennen, welche Kraftwerke schwarzstartfähig sind, also im Falle eines Blackouts ohne externe Energiezufuhr wieder hochfahren können. Solche Kraftwerke gehören zu den besonders vulnerablen kritischen Infrastrukturen (KRITIS) – Details hierzu bleiben geheim.
Interdisziplinär – die Menschen hinter der Datenbank
Rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen an fünf Standorten in Deutschland dafür, dass das Marktstammdatenregister funktioniert. Das interdisziplinäre Team besteht hauptsächlich aus IT-Spezialisten, Ingenieuren, Juristen, Ökonomen und Verwaltungsmitarbeitern, hinzu kommen externe Dienstleister, die beispielsweise die stark nachgefragte Telefonhotline besetzen. Neben der Aufrechterhaltung des Betriebs geht es aber auch darum, das Register laufend weiterzuentwickeln.
So soll es demnächst neue Datenräume und -klassen geben, damit das Register stets auf dem aktuellen technischen Stand ist: Bald wird auch zum Thema kommunale Wärmeplanung oder zu neuartigen Windkraftwerken wie Flugwindanlangen recherchiert werden können. Und so ist das Marktstammdatenregister nicht nur eine Datenbank – es ist auch ein Spiegel der Fortschritte und Innovationen in der Energiebranche.
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