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Digitale Doppelgänger:

Neue Chancen für die Wasserwirtschaft?

“Digitale Zwillinge“ sollen die Wasserwirtschaft effizienter, sicherer und sparsamer machen. Worum geht es – und was sind die Potenziale?

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© Robert Albrecht/BDEW

Das „feuchte Tuch“ aus der Plastikpackung ist in der Babypflege ebenso beliebt wie beim reinlichen Toilettengang – bei den Wasserwerken hingegen gilt es eher als „rotes Tuch“. Der Grund: Feuchttücher führen bei der Abwasserentsorgung regelmäßig zum Ausfall von Pumpen, weil sie aus reißfesten Kunststofffasern bestehen, die sich im Abwasser nicht auflösen und zur Verstopfung führen. Bei einer Abwasseruntersuchung im Hauptpumpwerk Lichtenberg in Berlin kam vor einigen Jahren heraus, dass mehr als die Hälfte (54 Prozent) der blockierenden „Verzopfung“ – so nennt sich das unappetitliche und ineinander verdrehte Gewölle blockierenden Materials - aus nicht spülbaren Tüchern bestand. 

Wenn die Pumpe erst einmal steht, ist guter Rat im Wortsinne teuer – und die Beseitigung des Malheurs undankbare Handarbeit. Doch es geht auch anders: Bei einem Pilotprojekt zu sogenannten „Digitalen Zwillingen“ in der Wasserwirtschaft untersuchen die Technische Universität (TU) Berlin und Siemens mit einer Pilotanlage, wie sich Pumpstationen mit Hilfe von teils reellen, teils virtuellen Modellierungen effizienter und pannensicherer betreiben lassen. „Wir haben zwei echte Pumpwerke modellhaft nachgebaut, die mit zahlreichen Sensoren ausgestattet sind – und deren digitale Steuerung wir mit echten Daten füttern können“, sagt Prof. Dr. Paul Uwe Thamsen vom Institut für Fluidsystemdynamik der TU. „Damit können wir alle interessanten Szenarien durchspielen: von Trockenperioden über Starkregenphasen bis hin zu den Verzopfungen und Verstopfungen, die bei der Abwasserwirtschaft regelmäßig vorkommen.“ 

Die Simulationen sind nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sie können Kommunen und Wasserwerken auch bares Geld sparen, gerade in Verbindung mit weiteren Daten wie Wettervorhersagen. So lässt sich beispielsweise bei Trockenperioden durch Herunterregeln des Pumpendrucks bis zu zehn Prozent Energie einsparen. Wenn Starkregen angekündigt ist, können durch rechtzeitiges proaktives Management der Pumpstationen Überläufe und damit unnötige Umweltbelastungen vermieden werden.

Das ist aber noch nicht alles: Durch stetige Überwachung und richtige Interpretation der Leistungsdaten sind die Forscher in der Lage, frühzeitig zu erkennen, wenn eine Komponente – beispielsweise eine Pumpe -nicht mehr richtig funktioniert oder alsbald auszufallen droht. Mit dieser Art der so genannten „Predictive Maintenance“ lässt sich nicht nur die Versorgungssicherheit erhöhen, auch die Einsätze von Wartungsteams können so besser koordiniert werden. „Und wir können bei Verstopfungen anhand der Sensordaten rechtzeitig erkennen, ob die Pumpe mehr zu kämpfen hat als sonst – und automatisiert eine Reinigungssequenz abfahren lassen, um die drohende Verstopfung aufzulösen“, sagt Thamsen. 

Verknüpfung von KI und digitalem Zwilling

Auch an der Außenstelle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) an der Universität Trier wird an digitalen Zwillingen geforscht. Im Rahmen einer vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium geförderten Forschungskooperation, an der auch der Umweltcampus Birkenfeld der Hochschule Trier beteiligt ist, ergründet man, wie die Wasserversorgung effizienter gestaltet und noch besser mit Erneuerbaren Energien vernetzt werden kann. „Konkrete Anwendungsfälle sind zum Beispiel die Ortung von Lecks, die optimale Planung der Wartungsarbeiten, die schnelle Reaktion auf Notfälle“, sagt Prof. Ralph Bergmann.

„Wir erforschen aber auch, wie wir die lokale Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien wie Photovoltaik- und Windstrom durch Künstliche Intelligenz und meteorologische Daten so prognostizieren können, dass wir bei der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung möglichst viel Erneuerbare einsetzen können“, ergänzt Felix Theusch vom DFKI. Positiv dabei sei, dass bereits heute in der Wasserwirtschaft vielfach Daten mittels Sensorik erfasst und relevante Infrastrukturmodelle vorliegen würden. Ziel müsse es nun sein, diese Informationen intelligent miteinander zu verknüpfen.

Geringes Risiko, große Potenziale

Digitale Zwillinge bieten also zahlreiche Vorteile: Durch das bessere Verständnis von Abläufen und Prozessen reduziert sich das Risiko von Fehlern oder Störungen. Die ständige digitale Überwachung und Bewertung der Infrastrukturen liefert ein stets aktuelles Lagebild über den Zustand und die Leistungsfähigkeit der Anlagen. Mit Predictive Maintenance lassen sich Stillstandzeiten verringern. Und weiterhin ermöglichen Digitale Zwillinge risikolose Modifikationen von Produkten und Prozessen durch Tests und Simulation – bis hin zu den Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen und Zulieferketten.



Auch Was-wäre-wenn-Szenarien lassen sich mit dem digitalen Zwilling durchspielen: Von Ernstfällen wie Leckagen über Stromausfälle bis zu Überschwemmungen. Das Prinzip des digitalen Zwillings ist auch in anderen Branchen bekannt: So üben angehende PilotInnen riskante Landungen wie beispielsweise bei Seitenwind und Eisregen aus nachvollziehbaren Gründen besser im Flugsimulator und nicht in richtigen Flugzeugen. 

Und auch wenn die Anwendungsszenarien bei Akteuren der öffentlichen Hand derzeit – im Gegensatz zur Industrie – eher die Ausnahme als die Regel sind: Generell herrscht Optimismus bei den Forschern: Sowohl das DFKI als auch die TU Berlin bemerken ein wachsendes Interesse an ihrer Forschungsarbeit.  „Auch die Kommunen erkennen mehr und mehr, welche Potenziale digitale Zwillinge bergen“, sagt Ralph Bergmann von der DKFI.  

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