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Serie zur Wärmewende, Teil 3:

Klimafreundliche Wärme für die Industrie 

Der Umbruch auf dem Wärmemarkt betrifft auch die Industrie. Wie kann sie ihre Prozesse dekarbonisieren? 

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© Robert Albrecht/BDEW

 

Der Anteil der fossilen Energien am deutschen Wärmemarkt muss sinken. In unserer dreiteiligen Serie stellen wir im Rahmen einer kleinen Deutschlandreise Innovationen im Bereich klimaschonende Wärmeversorgung vor. Hier Teil 3: Wir blicken auf die Perspektiven für eine klimaneutrale Wärmeversorgung der Industrie – und auf Speichertechnologien, die künftig für Flexibilität sorgen könnten.

In den Produktionshallen des Mainzer Spezialglasherstellers Schott geht es heiß her: Bis zu 1.700 Grad Celsius braucht es, um die Glasrohstoffe und Scherben in den feuerfesten Wannen aufzuschmelzen, sodass daraus später Ampullen, Fläschchen oder Spritzen entstehen können. Dafür werden meist fossile Energien wie Erdgas und Heizöl eingesetzt. Ließen sich die Schmelzwannen nicht auch mit grünem Strom beheizen? Bisher scheiterte das an den hohen Qualitätsanforderungen an die pharmazeutischen Spezialgläser – doch das soll sich im Rahmen des Forschungsprojekts PROSPECT nun ändern: Bis 2023 wird dort eine vollelektrische Pilotwanne zur treibhausgasarmen Herstellung von Pharmaglas konzipiert. Angestrebter Rückgang der Treibhausgasemissionen: 90 Prozent. 



Jeder Hebel zählt, um die Klimaschutzziele und damit die vollständige Treibhausgasneutralität bis 2045 auch im Wärmemarkt zu erreichen: Mehr als jede zweite Kilowattstunde Energie in Deutschland wird für Raum- und Prozesswärme oder Warmwasser aufgewendet, fast 40 Prozent aller CO2-Emissionen entstehen im Wärmesektor. In der Industrie gehen allein mehr als 60 Prozent des Endenergiebedarfs für Prozesswärme drauf. Während der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 bei 49 Prozent lag, betrug ihr Anteil am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte 2021 nur 16,5 Prozent. Was tut sich also in der Praxis? 

Mehr grüner Strom – und neue Speicher 

In den energieintensiven Industrien haben sich gerade große Unternehmen mit ambitionierten Roadmaps zur Transformation bekannt. Damit die gelingt und die Wärmewende vorankommt, müssen sie jetzt auf neue Technologien setzen. Dr. Stefan Zunft, Fachgebietsleiter Thermische Kraftwerkskomponenten am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart, sieht da technisch zwei Optionen. „Die eine ist Wasserstoff – eine nicht ganz billige Lösung. Die andere ist Wärme aus erneuerbarem Strom. Hier sehen wir in den letzten Jahren starke Kostensenkungen.“

Großforschungsanlage des DLR: Sie dient der Entwicklung neuer Speichertechnologien und der Verbesserung der Flüssigsalztechnologie für Erneuerbare Energien. © DLR

Die Elektrifizierung werde daher der Hauptweg zur Dekarbonisierung der Industriewärme sein. Ein Beispiel für diesen Prozess: die Schott AG. Allerdings fehlen bei immer mehr Strom aus Erneuerbaren aus Netzsicht die Flexibilitätsinstrumente, um Angebot und Nachfrage auszubalancieren. „In Zukunft werden Speicher auf der Sektorengrenze Strom zu Wärme eine sehr große Rolle spielen“, sagt Zunft. „Es ist einfach naheliegend, auf Wärmespeicher zu setzen, weil sich so erheblich preisgünstiger große Mengen Energie speichern lassen als mit Stromspeichern.“ Und auch für die industriellen Verbraucher werden Speicher künftig wichtiger. Sie können dadurch ihren Strombedarf verschieben – und Strom dann einkaufen, wenn er günstig ist. 

Langer Weg zur Marktreife 

In den DLR-Teams erforschen zurzeit rund 50 Fachleute zusammen mit Industriepartnern vielversprechende Lösungen im Bereich Hochtemperaturspeicher. Dabei verfolgen sie vier Ansätze, die, so schätzt es Fachgruppenleiter Zunft ein, alle ihren Platz in der Praxis finden werden: Feststoffspeicher, Flüssigsalzspeicher, Phasenwechselspeicher und thermochemische Speicher. Stichwort Phasenwechselspeicher: Was ist das eigentlich? Bei diesen Speichern wechselt das Speichermedium, ein Nitratsalz, seine Phase; kann im Übergang von fest zu flüssig bei konstantem Temperaturniveau besonders viel Wärme aufnehmen.

Das könne man sich wie schmelzendes Kerzenwachs vorstellen. Das DLR hat bereits einen solchen Speicher im Pilotmaßstab entwickelt und an Kraftwerkstandorten getestet. Noch etwas niedriger liege der technische Reifegrad bei den thermochemischen Speichern – hier stünden noch mehrere Untersuchungen an, zum Beispiel im Bereich des Reaktorbaus. Technisch übernimmt hier die Wärme, die bei einer chemischen Reaktion abgegeben oder aufgenommen wird, die Speicherfunktion.

Woran geforscht wird? Kosten senken! 

Bereits kommerziell erfolgreich ist hingegen der Flüssigsalzspeicher – zumindest außerhalb Deutschlands: In solarthermischen Kraftwerken an Standorten mit hoher Sonneneinstrahlung stellen diese Anlagen rund um die Uhr Strom zur Verfügung. Das flüssige Salz wird dabei mit Wärme aus konzentrierter Solarstrahlung aufgeheizt. Bei Bedarf kann mit der Salzschmelze eine Dampfturbine angetrieben und die Wärmeenergie zurückverstromt werden. Dr. Stefan Zunft berichtet von Innovationen, damit auch die Industrie hierzulande künftig diese Speicher nutzen kann: „Am DLR forschen wir daran, vom Zwei-Tank- auf ein Ein-Tank-System überzugehen, um Kosten zu sparen. Wir wollen zudem ein alternatives Füllmaterial benutzen, um einen Teil des Salzvolumens durch ein preisgünstigeres Füllmaterial zu ersetzen. Und wir wollen die Temperaturen von heute maximal 570 Grad Celsius weiter erhöhen und so neue Anwendungen erschließen.“

Ein konkretes industrienahes DLR-Projekt in Deutschland ist das geförderte Verbundvorhaben TransTES-Chem: Es untersucht und bewertet technische Lösungen für die Einbindung Erneuerbarer Energien in die Versorgung eines Chemieparks; der Schwerpunkt liegt auf der Integration von Wärmespeichern und Kraft-Wärme-Kopplung.

Hier werden neue Wärmespeichersysteme auf der Basis direkt durchströmter Feststoffe entwickelt: die DLR-Testanlage HOTREG in Stuttgart. © DLR 

Fortschritte gibt es zurzeit außerdem bei den Feststoffspeichern: Sie speichern die Wärme in einem Medium wie Keramik oder Naturstein, die dann als Prozesswärme bereitgestellt oder über eine Turbine wieder in Strom umgewandelt werden kann; das Wärmeübertragungsmedium ist gasförmig. In der Praxis heißt das zum Beispiel, dass heiße Luft über ein Gebläse das Gestein aufheizt, wie ein gigantischer Föhn. Auch der größte Stromwärmespeicher der Welt von Siemens Gamesa in Hamburg basiert auf diesem Prinzip, 1.000 Tonnen Schotter aus Vulkangestein halten die Wärme. Im Mai 2022 wurde der Demonstrationsbetrieb des „ETES“ (steht für: elektrothermischer Energiespeicher) allerdings eingestellt – weil der kommerzielle Markt dafür zurzeit noch fehle, wie es beim Kooperationspartner Hamburg Energie heißt.

Dabei können diese Großspeicher in Zukunft überall dort eine Rolle spielen, wo es sehr hohe Temperaturen von bis zu 1.000 Grad Celsius braucht. „Nun geht es darum, kostengünstiger zu werden, indem man sich alternative Speichermedien anschaut, etwa Steinschüttungen statt Formsteinen“, so Dr. Stefan Zunft. Auch die Glasindustrie könnte zum Beispiel von den Innovationen bei Feststoffspeichern profitieren, weil an den Schmelzwannen viel Abwärme anfällt und Luft dort als Übertragungsmedium genutzt wird. Doch dafür steht zunächst die Elektrifizierung der Prozesse an.

Neue Dynamik?

„Bei vielen Industriepartnern sind die Möglichkeiten der Hochtemperaturspeicher bekannt. Hemmnisse lagen bisher eher auf betriebswirtschaftlicher Seite“, berichtet Zunft aus den Kooperationsprojekten. Umstellungen im Energiebereich würden oft als Störfaktoren wahrgenommen. Doch das könnte sich nun ändern – nicht nur wegen der steigenden Preise, sondern auch wegen ambitionierter Strategien für Klimaneutralität: „Die zunehmende Kostenunsicherheit bei fossiler Energie und eine wachsende Anzahl von Net-Zero-Roadmaps bei großen Verbrauchern lassen eine steigende Dynamik bei der Nutzung solcher Speichertechnologien erwarten.“ 

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