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Windkraft im Wald:

Klimaschutz statt Natur?

Waldfläche gegen Windkraftanlagen: Welche Argumente gegen diesen Tausch sprechen – und welche dafür. 

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© Robert Albrecht/BDEW

Zwei Eisvögel bei der Balz, ein wachsamer Rotmilan in seinem Horst, der Fürstenberg vor glutrotem Sonnenuntergang: Dass Jens Borchers, Leiter des Forstbetriebs Fürst zu Fürstenberg, seine Arbeitsumgebung zwischen Schwarzwald und Bodensee schätzt, beweisen seine Fotografien. Mit der Kamera widmet er sich Stillleben und Szenen in der Natur. Doch auf einer seiner Landschaftsaufnahmen hat Borchers fünf Windräder eingefangen. Für den Mann im olivgrünen Tweet-Sakko sind es keine Schandflecken – auch dann nicht, wenn sie auf den Waldflächen des Fürstenhauses errichtet werden sollen. 

Doch das sehen manche anders: Bäume roden, um Windkraftanlagen aufzustellen – das galt vielerorts in Deutschland lange als ausgeschlossen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise hat sich  die Debatte allerdings verändert. Im November 2022 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass ein Teil des Thüringer Waldgesetzes verfassungswidrig sei, das den Bau von Windanlagen in Wäldern untersagt. Mit diesem wegweisenden Urteil rücken Waldgebiete in den Fokus, die immerhin ein Drittel von Deutschlands Fläche ausmachen. Das passt zu einem politischen Ziel: Mit dem neuen Wind-an-Land-Gesetz möchte die Bundesregierung zwei Prozent der Gesamtfläche Deutschlands bis 2032 für den Windkraftausbau vorsehen. Mit der bisherigen Standortwahl für Windräder – auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und in ausreichender Entfernung zur nächsten Ortschaft – ist dieses Ziel nicht erreichbar. 

Windkraft: Gefahr für Vögel?

Seit 2015 diskutiert man im Schwarzwald-Baar-Kreis, wo der Forstbetrieb Fürst zu Fürstenberg mehrere Windkraft-Projekte plant, über einen Windpark, der sechs Anlagen umfassen soll. Die Windräder sollen auf einem bewaldeten Höhenzug mit dem Namen „Länge“ errichtet werden. Kritikerinnen und Kritiker warfen den Projektierern vor, den Arten- und Landschaftsschutz nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Besonders den Rotmilan führten sie gegen den Bau ins Feld. Diese Greifvogelart steht auf der Vorwarnliste bedrohter Arten. 60 Prozent des Weltbestands brüten in Deutschland. Immer wieder wird Windkraft als Bedrohung der Vögel diskutiert, dem Verband AGDW – Die Waldeigentümer zufolge wurde jedoch bisher kein signifikanter Zusammenhang zu der Entwicklung des Bestands festgestellt.

Bildergalerie: Windkraft im Wald

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Bei der Planung des Parks auf der „Länge“ seien die Mindestabstände zu den Horsten eingehalten worden, sagte Gerhard Bronner, städtischer Umweltberater  im angrenzenden Donaueschingen dem Schwarzwälder Boten. Und der Wald, der auf der Länge wachse, sei kein typischer Milanlebensraum. Auch das Auerhuhn steht dem Bau von Windkraftanlagen im Schwarzwald, Deutschlands größtem Mittelgebirge, im Weg. Der NABU fordert von der  Forstwirtschaft, durch Bewirtschaftungspläne Auerhuhnwälder zu schaffen und zu erhalten. Dass die Ansiedlung der Tiere aber an Windkraftanlagen scheitern müsse, ist Borchers zufolge nur eine Vermutung. „Weil man sich wünscht, dass die Hühner wieder auf die Fläche kommen, können wir Windkraftanlagen in nennenswertem Umfang – allein in unserem Betrieb reden wir über insgesamt 30 bis 40 Anlagen – nicht realisieren.“ 

Spitzenreiter und Schlusslichter: Wo die Wälder Windkraft liefern

Immerhin 357 Anlagen hatten es laut einer Erhebung der Fachagentur Windenergie an Land Ende 2021 in baden-württembergische Wälder geschafft. Im Gegensatz dazu verfügten Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zum Zeitpunkt dieser Erhebung über keine einzige der insgesamt 2.300 Anlagen in deutschen Forsten. Im Länder-Ranking führte Rheinland-Pfalz (475 Anlagen) . Ein häufiges Hindernis waren Einwände im Sinne des Naturschutzes, so auch in Nordrhein-Westfalen: Hier, attestierte die Fachagentur Windenergie an Land, verlaufe der Ausbau der Windenergie im Wald im Vergleich mit anderen Ländern bislang auf niedrigem Niveau. Gerade drei Prozent des Gesamtbestand der Anlagen in NRW standen Ende 2021 in Forsten.

Würden im bevölkerungsreichsten Bundesland mehr Windräder in Waldbereiche gebaut, werde der „Wert des Waldes als CO2-Speicher und damit natürlicher Helfer beim Klimaschutz, die Bedeutung als wertvoller Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen und nicht zuletzt als Erholungsraum für den Menschen zukünftig in Frage“ gestellt, so im vergangenen März der NABU NRW. Schützen wollte man auch geschädigte Bereiche. Flächen, die von Trockenheit, Stürmen und Borkenkäferbefall betroffen sind, liefern aber kein Holz mehr – und das auf Jahrzehnte. Der gebeutelten Holzindustrie will die Landesregierung helfen und den Ausbau gleichzeitig vorantreiben: Deshalb können seit Ende des Jahres Windenergieanlagen auf geschädigten Waldflächen und in anderen Nadelholzwäldern errichtet werden . 

Verband der Waldeigentümer sieht großes Potenzial

Auch Borchers kennt diese sogenannten Kalamitätsflächen: „Im Schwarzwald und am Rande der Hegau-Baar gehören vor allem die Höhen, sogenannte Ungunstlagen, zum Betrieb. Dort herrschen hohe Sonneneinstrahlung und starke Winde, es gibt relativ wenig Humus und flachgründigen Boden. Wenn da unsere Forstwirtschaft derart erschwert ist – warum sollen wir dann nicht Windwirtschaft betreiben – zum Nutzen der energiehungrigen Gesellschaft?“ 

Aus der Branche gibt es Zuspruch: „Beim Ausbau der Windenergie (…) gibt es gerade im Wald noch großes Potential, das in den vergangenen Jahren zu wenig genutzt wurde“, sagt Irene Seling , Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Waldeigentümer. „Viele Waldbesitzende möchten zum Beispiel in Höhenlagen oder auf Kahlflächen auf Windkraft setzen, werden jedoch ausgebremst. Um die Windkraft zu fördern, müssten Planungsverfahren beschleunigt und Regulierungen abgebaut werden. Hier hoffen wir, dass die Bundesregierung einige Blockaden in den Ländern lösen kann.“



Möglich, dass das bei Bundeskanzler Olaf Scholz  Gehör findet, der das „Deutschland-Tempo“ nutzen will, „um beim Ausbau von Windkraft und Solarenergie richtig voranzukommen“. Auf die Frage, wie viele Windräder 2023 gebaut werden müssten, damit die Energiewende gelingt, kündigte er monatliche Bestandsaufnahmen mit den Ländern an. „Was nicht pünktlich geschafft wird, muss aufgeholt werden. Bis 2030 werden das an Land im Schnitt vier bis fünf Windräder jeden Tag sein.“ 

In Baden-Württemberg ist in den ersten beiden Monaten des Jahres keine einzige neue Anlage genehmigt worden. Auf der Länge immerhin freute man sich Mitte Februar über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Windpark Länge – ein Etappensieg. Seit das Projekt erfolgreich beklagt und 2019 zunächst abgelehnt wurde, hatte die Firma Solarcomplex neue Pläne geschmiedet. Eine Anlage weniger als ursprünglich geplant, dafür erzielen die verbleibenden sechs eine deutlich höhere Nennleistung. Decken könnten sie den Strombedarf von 40.000 Menschen.

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