Der Ukrainekrieg hat dafür gesorgt, dass die Strompreise im Jahr 2022 zeitweise so hoch waren wie nie zuvor. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung hat die EU-Kommission im März 2023 einen Vorschlag zur Strommarktreform veröffentlicht. Ziel ist es, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen und gleichzeitig die EU-Stromkunden vor starken Preisschwankungen zu schützen. Eines der vorgeschlagenen Werkzeuge in diesem Zusammenhang sind so genannte Differenzkontrakte, auch „Contracts for Difference“ (CfD) genannt. Die Kommission schlägt vor, sie verpflichtend einzuführen. Was aber bringen CfDs wirklich, welche Erfahrungen wurden in anderen Ländern gemacht und was wären mögliche Alternativen zu CfDs? Eine Übersicht der wichtigsten Fragen und Antworten in Sachen „Contracts for difference“.
1. Wie funktionieren Differenzkontrakte im Energiesektor?
Bei einem Differenzkontrakt wird ein fester Preis oder ein fester Preiskorridor für die Vergütung von Strom aus erneuerbaren Quellen festgelegt. Die Höhe dieses Preises wird in der Regel über Ausschreibungen ermittelt. Der Erzeuger verkauft den von ihm produzierten Strom ganz normal am Markt. Unterschreitet der Marktpreis aber den vereinbarten Preis oder die Untergrenze des Korridors, so erhält der Erzeuger die Differenz vom Staat. Überschreitet der Marktpreis den festgelegten Preis oder die Obergrenze des Korridors, so muss der Erzeuger seinen Ertrag oberhalb dieser Grenze an den Staat abführen. Dadurch garantieren Differenzkontrakte den Stromproduzenten einen Mindestpreis und sichern damit deren Investitionen ab. Gleichzeitig aber fungieren sie als eine Art Übergewinnsteuer, die im Fall überschießender Preise greift.
2. Wie ist die rechtliche Lage im Moment?
Die momentan (Stand: Mai 2023) gültige EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen sieht unter anderem Marktprämien als Instrumente zur Förderung von Erneuerbaren Energien vor. Dabei verkaufen Energieerzeuger ihren Strom am Markt. Für jede Kilowattstunde erhalten sie außerdem vom Staat eine Prämie. Diese besteht entweder aus einem vorher bestimmten festen Betrag – oder sie ist „gleitend“. Das bedeutet: Sie kann sinken, je höher der Marktpreis steigt. Bereits heute gibt es Mechanismen, die preisdämpfend wirken sollen: So werden bei der öffentlichen Vergabe von Projekten im Rahmen der Erneuerbaren Energien Marktprämien häufig im Rahmen negativer Auktionen unter den Interessenten festgelegt. Das heißt: Den Zuschlag für das Projekt bekommt der Bieter, der in der Lage ist, für die geringste Marktprämie zu produzieren.
3. Wo kommen Differenzkontrakte im Energiesektor bereits zum Einsatz?
In Großbritannien bilden Differenzkontrakte seit einigen Jahren das Rückgrat der Förderung von Windkraftanlagen. Sie haben großen Anteil am Ausbau dieser Art der Stromerzeugung. Aber auch in Polen oder Frankreich kommen sie bereits zum Einsatz. Andere europäische Länder arbeiten mit Kombinationen aus Auktionssystemen und solchen Kontrakten. In der Regel sind in den bereits existierenden Differenzkontrakten im europäischen Energiesektor aber feste Preise festgelegt, ober- beziehungsweise unterhalb derer Geld vom Produzenten an den Staat fließt – oder umgekehrt. Die EU-Kommission favorisiert in ihrem Vorschlag aber Preiskorridore, um Anreize für wirtschaftliches Handeln zu schaffen.
4. Was sind Argumente für und gegen die verpflichtende Einführung von Differenzkontrakten?
Große Anlagen zur Nutzung von Wind- oder Solarenergie erfordern hohe Investitionen. Deshalb argumentieren die Befürworter von Differenzverträgen damit, dass diese den Betreibern der Anlagen Planungssicherheit böten. Eine solche Art der Absicherung sei oft Voraussetzung dafür, dass überhaupt investiert werde. Gleichzeitig sorgten die Kontrakte dafür, dass übermäßige Gewinne bei hohen Strompreisen dem Staat zugutekämen. Der kann das eingenommene Geld wiederum nutzen, um die BürgerInnen zu entlasten. Als Beispiel gilt BefürworterInnen von Differenzkontrakten die Anfangsphase des Krieges in der Ukraine, als der extrem hohe Preis für Erdgas wegen des Merit-Order-Prinzips auch den Betreibern von Anlagen zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen übermäßig hohe Einnahmen bescherte.
Gegner der Differenzverträge sehen in ihnen dagegen Bremsen für Innovationen und wirtschaftliches Denken. Denn einerseits fehle durch die garantierten Mindestpreise der Anreiz, möglichst effizient zu wirtschaften. Andererseits werde durch die Preisobergrenzen wiederum besonders gutes wirtschaftliches Handeln nicht belohnt. Es bestehe die Gefahr, so die Gegner, dass die Dimensionierung von Anlagen und Speichern sowie die Gestaltung der Stromproduktion sich nicht mehr am wirklichen Bedarf orientierten, sondern vornehmlich am Preiskorridor.
5. Was sind Alternativen zu Differenzkontrakten?
Einerseits wäre es eine Option, das System der Marktprämien weiterlaufen zu lassen, gegebenenfalls mit Anpassungen. Denkbar wäre zum Beispiel die Fortschreibung von Marktprämien in den negativen Bereich, also eine gleitende Wandlung von Subvention zu Abgabe. Das könnte mit einer Art von Progression verbunden werden, die bei hohen Marktpreisen einen immer höheren Anteil des Gewinns dem Staat zukommen lässt.
Auch die so genannten „Power Purchase Agreements“ (PPA) werden immer wieder als Alternative zu Differenzkontrakten genannt. Die Rolle des Staates ist bei PPAs in vielen Fällen weniger wichtig. Stattdessen handelt es sich hierbei um langfristige Abnahmeverträge zu festen Preisen direkt zwischen Stromproduzenten einerseits und Großverbrauchern oder Elektrizitätsversorgern andererseits. Auch diese können die Investitionen von Produzenten absichern.
Die EU-Kommission sieht keinen Widerspruch zwischen Differenzkontrakten und PPAs. In ihrem Vorschlag für eine Strommarktreform nennt sie beide als geeignete Mittel für einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien. PPAs sollen nach ihrem Willen in Zukunft stärker gefördert werden - etwa durch Bürgschaften für kleinere Unternehmen, die solche Lieferkontrakte abschließen.
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