None

Drei Fragen an...

Helene Klaar

Neustart nach der Trennung: Im Gespräch mit der Scheidungsanwältin Helene Klaar.

Scheidungsanwältin Helene Klaar

© Robert Albrecht / BDEW

In der Politik verlangen Koalitionsverhandlungen regelmäßig einen Neustart. Während im Wahlkampf Unterschiede betont werden, erfordert die Zusammenarbeit in einer nach der Wahl gebildeten Koalition das Gegenteil: die Suche nach Gemeinsamkeiten.

Getreu dem Motto „Das Private ist politisch“ gibt es solche Herausforderungen nicht nur in der Politik, sondern auch daheim – beispielsweise bei der Ehescheidung: Auch nach der offiziellen Trennung sind oft noch jahrelang viele Themen konstruktiv zu verhandeln. Wie das gehen kann – darüber haben wir mit der Wiener Scheidungsanwältin Dr. Helene Klaar gesprochen.


Frau Dr. Klaar, Sie sind qua Beruf Expertin für kaputte Beziehungen: Haben Sie Tipps, wie nach einer Trennung das Tischtuch nicht dauerhaft zerschnitten bleibt? Ist ein Neustart zwischen zwei Menschen möglich?
Dass Paare sich trennen, passiert immer wieder. Das ist aber nicht mit einem Abschied für immer gleichzusetzen, denn manchmal gibt es verbindende Elemente, die sich nicht einfach in Luft auflösen: Besitz, Projekte, Kinder. Gerade wenn Kinder im Spiel sind, muss ja der Dialog weitergehen. In diesem Fall verlangen in Österreich die Gerichte, dass man die Paarebene von der Elternebene trennen soll. Das ist bekanntlich wesentlich leichter gesagt als getan.

Ich habe eine Trennung erlebt, wo ein Mann nach der Scheidung erleichtert erklärt hat, er müsse nun endlich nicht mehr den Spagat zwischen Beruf und familiären Verpflichtungen leisten, sondern könne sich nun voll und ganz seiner Arbeit widmen. Meistens ist es aber umgekehrt: Leute streiten um die Kinder und die Betreuungszeit, wobei manche Expartner Betreuung nicht als etwas ansehen, was sie zwingend persönlich wahrnehmen müssen und gerne schon einmal die eigene Mutter oder die neue Partnerin einspannen – Hauptsache, das Kind ist nicht beim anderen Elternteil!

Erwachsene Menschen sollten sich im Privaten wie im Politischen der Tatsache bewusst sein, dass sie auch Verantwortung für andere Menschen haben und diese mit fortwährendem Streit belasten. In der Ehe sind das zumeist Kinder, in der Politik die Bürgerinnen und Bürger.

Grundsätzlich gefragt: Wie gelingt ein gutes Miteinander – und was sollte man tunlichst unterlassen?
Als Anwältin folge ich naturgemäß dem Gesetzestext. In keinem österreichischen - und vermutlich auch keinem deutschen - Gesetz steht, dass Liebe die Voraussetzung für eine Ehe ist. Aber: Sie hilft ungemein. Am Ende sind schon diejenigen Ehen erfolgversprechender, in denen sich beide Beteiligten zueinander hingezogen fühlen.

Ein gedeihliches Zusammenleben und -arbeiten erfordert generell ein hohes Maß an Toleranz und die lebenslange Bereitschaft hinzunehmen, dass das Gegenüber Dinge anders betrachtet oder tut als man selbst.

Mit dem Blick auf die deutsche Politik: Ein offen ausgetragener Koalitionsbruch, dann ein intensiver Wahlkampf – wie wirkt sich das aus auf die Möglichkeit einer künftigen möglichst vertrauensvollen Zusammenarbeit in einer Koalition aus?  
Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich halte das sogar in der Politik für deutlich schwieriger als im Privatleben. Denn: Bei einer Scheidung handelt es sich ja fast immer um die Trennung von einem Menschen, den man irgendwann mal gerngehabt und dem man vertraut hat.

In der Politik hingegen wechseln die Verantwortlichen über die Jahre – aber die Parteien selbst sind teilweise über Jahrzehnte geradezu antagonistisch positioniert. Da sind Verhandlungen immer besonders belastet, denn sie gehen noch über das Persönliche hinaus.

Am Ende geht es darum, dass man im Wahlkampf klare Kante zeigt – und in der Koalition so gut wie möglich konkrete Sachfragen miteinander klärt. Und dass man seinen Wählerinnen und Wählen zugleich vermittelt, welche Wege man mitgehen kann und welche nicht. Dafür ist nicht mal Sympathie entscheidend, sondern der Wille zur gemeinsamen Lösung von Problemen.

Dr. Helene Klaar

ist Rechtsanwältin für Arbeits-, Miet- und Familienrecht und eine der bekanntesten deutschsprachigen „Scheidungsanwältinnen“. Ihr Buch „Scheidungsratgeber für Frauen“ ist inzwischen in der vierten Auflage erschienen. Klaar hat 2019 den Lebenswerk-Preis des Bundesministeriums für Frauen, Familie und Jugend erhalten.

Mehr „3 Fragen an“

„Von China aus betrachtet sieht die Welt alles andere als trüb aus“ – der Satiriker Christian Y. Schmidt. Zum Gespräch

„Wir schaffen einen Prototypen für solidarische Selbsthilfe“ – der Publizist Holm Friebe. Mehr erfahren

„Ohne Schnee würden wir auskommen“ – der ehemalige Skispringer Sven Hannawald. Zum Beitrag


Zurück zum Magazin-Schwerpunkt „neu


Suche