Im Kent County im Nordwesten von Texas erstreckt sich mitten im Nirgendwo ein riesiges Feld mit über einer Million Solarpanelen. Bis zur nächsten größeren Stadt Abilene sind es mehr als 100 Kilometer. Die „Solar Nova Farm“ erzeugt seit dem Frühjahr 2024 genug Strom, um 190.000 Haushalte zu versorgen. Abnehmer sind unter anderem auch das Telekommunikationsunternehmen Verizon und der Autobauer Toyota. In dem republikanisch regierten Bundesstaat, der durch klimaschädliches Öl und Gas reich wurde, boomt die Solarenergie. Innerhalb von fünf Jahren ist ihr Anteil von weniger als einem auf über sieben Prozent gestiegen. Windkraft macht sogar ein Viertel der erzeugten Energie aus. Das Geschäft mit den Erneuerbaren brummt und Texas gilt als führend in den USA.
Haben Rancher und Cowboys ihr Herz für den Klimaschutz entdeckt? Oder geht es ums Big Business, das große Geld? Denn durch die erneuerbaren Energien entstehen neue Jobs, grüner Strom ist oft billiger als fossiler. Günstige Energiepreise locken viele Unternehmen nach Texas. Auch die Haushalte profitieren: Zuletzt sparten sie etwa 200 Dollar pro Jahr.
Widerstand gegen die Energiewende: Republikaner setzen auf fossile Brennstoffe
Trotzdem wächst der Widerstand, noch mehr Flächen für Wind- und Solarenergie zu nutzen: in der Bevölkerung und bei den Republikanern. Gouverneur Greg Abbott wetterte, die Erneuerbaren seien unzuverlässig, die grüne Wende sei „ein tödlicher Deal für die Vereinigten Staaten“. Seinen Wahlkampf finanzierte er übrigens – wie Donald Trump – mit großen Spenden von Öl- und Gasbaronen.
Gleich nach seinem Amtsantritt unterschrieb Donald Trump mehrere Dekrete, mit denen er einen radikalen Kurswechsel in der Klima- und Energiepolitik einleitete. Er rief den nationalen Energienotstand aus, will die Förderung fossiler Energien entfesseln und ihren Export in die ganze Welt steigern. „Drill, baby drill“, bohren, Baby bohren lautet sein Motto.
Zudem steigen die USA aus dem Pariser Klimaabkommen zur Begrenzung der Erderwärmung aus, Zahlungen aus dem Inflation Reduction Act (IRA) und der Bau von Offshore-Anlagen sowie neuen Windparks an Land und an der Küste sind gestoppt. Das betrifft auch Projekte europäischer Energieunternehmen, zum Beispiel von Ørsted aus Dänemark, Shell aus den Niederlanden oder RWE aus Deutschland.
Bidens Klimapolitik: Milliarden für grüne Transformation, aber mit Hürden
Der frühere Präsident Joe Biden wollte mit einem gigantischen Förderprogramm, dem Inflation Reduction Act, etwa 370 Milliarden Dollar in den Klimaschutz und die grüne Transformation pumpen. Das Geld wurde in Form von Zuschüssen, Steuergutschriften und Darlehen gewährt: für den Ausbau der erneuerbaren Energien, zu denen auch Kernkraft gezählt wurde, für Energieeffizienz in privaten Haushalten, den Kauf von E-Autos, den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Produktion von Wasserstoff und Batterien. Ländlich geprägte Gebiete in republikanisch regierten Bundesstaaten sollten vor allem unterstützt werden sowie die Swing States Georgia, North Carolina, South Carolina, Michigan, Arizona und Indiana.
Dennoch spielen erneuerbare Energien in den USA noch immer eine untergeordnete Rolle. Das hat sich auch unter Präsident Biden nicht geändert. Die USA stoßen nach China weltweit die meisten CO2-Emissionen aus. Die Biden-Administration wollte sie allerdings senken: bis 2030 um mindestens die Hälfte unter das Niveau von 2005 – und die Vereinigten Staaten sollten bis 2050 klimaneutral werden.
Die Klimabilanz der Biden-Administration ist jedoch gemischt, weil gleichzeitig der Export von fossilen Energieträgern stieg. Im Juni 2024 erreichten die Kohlexporte einen Sechsjahresrekord. Die Europäische Union und Deutschland importieren vor allem flüssiges Erdgas (LNG) aus den USA, um damit russisches Gas zu ersetzen.
Zukunft der erneuerbaren Energien in den USA: Was Experten sagen
Wie also wird sich der jüngste Kurswechsel der US-Regierung auswirken – und wie beurteilen Energiewirtschaftsunternehmen die Lage in den USA? RWE beispielsweise entwickelt derzeit 4 GW an Projekten für saubere Energie in den USA. Andrew Flanagan, CEO von RWE Clean Energy, sagte Mitte Februar 2025: „Wir fördern das Wirtschaftswachstum, schaffen neue Arbeitsplätze und verschaffen unseren Partnern in der Gemeinschaft Steuereinnahmen in Millionenhöhe sowie zusätzliche finanzielle Vorteile. Gleichzeitig verbessern wir die nationale Energiesicherheit.“
Experten gehen davon aus, dass Trump die Energiewende zwar verlangsamen wird, aber nicht aufhalten kann, weil lokale Behörden und die Bundesstaaten über die Klima- und Energiepolitik entscheiden. In Iowa, South Dakota, Kansas und Oklahoma werden bereits mehr als 40 Prozent des Stroms aus Wind gewonnen, in Kalifornien und Texas mehr als 25 Prozent aus Solarenergie. Das mache Hoffnung für den Klimaschutz, so das Fazit einer Studie des DIW zur US-Klima- und Energiepolitik.
Auswirkungen auf den globalen Energiemarkt: Gewinner und Verlierer
Selbst republikanische Abgeordnete hatten den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, aufgefordert, Steuergutschriften für erneuerbare Energien nach der Wahl Trumps beizubehalten. Fest steht aber auch: Mit dem Wegfall von Steuererleichterungen und Subventionen sind die USA für Investoren aus dem Umfeld „grüner“ Energien nicht mehr so interessant wie in den vergangenen Jahren. Für die europäischen Staaten und für Deutschland könnte das eine Chance sein, Unternehmen aus dem Clean-Tech-Sektor für Investitionen in Europa zu gewinnen.
So würde Donald Trump mit seinem Kurswechsel letztlich der amerikanischen Wirtschaft sogar schaden, weil er sie von den Märkten der Zukunft abkoppele, glaubt Simon Stiell, Exekutivsekretär des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in Bonn. Er sagt: „Der globale Boom der sauberen Energien, der allein im vergangenen Jahr zwei Billionen Dollar wert war und schnell steigt, ist der ökonomische Wachstumsdeal des Jahrzehnts.“ Mit seiner Rolle rückwärts diene Trump weniger den Interessen des Landes, sondern jenen, die seinen Wahlkampf finanzierten.
Der Kampf um die Energiezukunft: Fossile vs. erneuerbare Energien
Für das Weltklima sind steigende Emissionen in Folge einer verstärkten Nutzung fossiler Energie in jedem Fall schädlich. Umso mehr, je stärker andere Staaten sich ein Vorbild an den USA nehmen und ihre eigenen Klimaziele aufweichen würden. Eine andere Frage ist, wie sich künftig der Markt für Öl und Gas entwickelt. Klar ist, dass die Nachfrage nach fossiler Energie geringer wird, je stärker der Ausbau erneuerbarer Energien stattfindet. In einem Markt mit tendenziell sinkender Nachfrage ist die Ausweitung des Angebotes aber selten eine gute Idee. "Selbst wenn ich über Lizenzen verfüge für die Ölförderung, für die Gasförderung: Wenn der Markt es nicht hergibt, dann werden die unter Umständen auch gar nicht genutzt", sagt Sonja Thielges, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Anders gesagt: Ob in Texas in ein paar Jahren mehr Ölquellen sprudeln oder weitere Solarpanele in der Sonne funkeln, ist vor allem eine Frage des Geldes.
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