Holger Banik, was macht den Hafen Cuxhaven so essenziell für die deutsche Offshore-Windenergie?
Vor allem exzellente geografische Gegebenheiten: Mit Elbmündung und Nord-Ostsee-Kanal steht uns eine echte Drehscheibe in den Osten und in Richtung Nordsee zur Verfügung. Als Multi-Purpose-Hafen waren wir traditionell schon immer stark im klassischen Umschlagverkehr, inzwischen boomt aber bekanntermaßen auch wieder das On- und Offshoregeschäft. NPorts hat seit 2008 über 200 Mio. EUR in den Bau von Offshore-Liegeplätzen investiert. Es stehen schwerlastfähige Kaianlagen und Logistikflächen zur Verfügung.
Rund 80 Prozent der großen Bauteile für Windkraftanlagen, die im Augenblick in Deutschland verbaut werden, gehen durch diesen Hafen. Siemens Gamesa baut sein Werk am Standort aus, um hier 14 MW Offshore-Turbinen zu fertigen. Wir freuen uns sehr, dass sich mit Titan Wind ein weiterer Produzent von Windkraftkomonenten hier in Cuxhaven angesiedelt hat, um eine hochmoderne Produktionsanlage für Monopiles aufzubauen, also riesige Fundamentbauteile für Offshore-Windkraftanlagen.
Offshore-Betreiber fordern, dass ein Teil des neuen Infrastruktursondervermögens in die Häfen fließt. Was sollte konkret mit dem Geld geschehen?
Geld aus dem Infrastruktursondervermögen sollte vor allem auf die Energiewende einzahlen. Wir reden also über Offshore-Wind, verflüssigte Gase, Ammoniak zum Cracken von Wasserstoff – und LNG als Überbrückungstechnologie. Da besteht Bedarf nicht nur in Cuxhaven. Um die Häfen in Niedersachsen dahingehend vollumfänglich auszubauen, werden wir für die verschiedenen Projekte voraussichtlich etwa eine Milliarde Euro benötigen. Die kommen natürlich nicht alle vom Bund oder vom Land, auch die Terminalbetreiber werden sich mit privatem Kapital beteiligen müssen. Da Investitionen in Hafeninfrastrukturen für die Energiewende mit großen Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Auslastung und der politischen Ausrichtung verbunden sind, wird es sehr schwierig, für diese Projekte privates Kapital als Anteilsfinanzierung zu akquirieren.
Hier wäre stärker als bisher der Bund bei der Mitfinanzierung gefragt. Großen Mittelbedarf gibt es aber auch für die Unterhaltung und den Ausbau der Hafeninfrastruktur abseits der Energiewende. Hierfür werden weitere ca. 1,2 Mrd. EUR benötigt. Von den niedersächsischen Häfen profitiert ja das ganze Land bis nach Bayern hinunter. Über Cuxhaven werden beispielsweise die Autos von BMW weltweit verschifft – und auch der Offshore-Strom bleibt bekanntermaßen nicht nur in Niedersachsen. Mittel aus dem Infrastruktursondervermögen wären in den NPorts-Häfen somit gut angelegt.
Hat Cuxhaven jetzt schon ein Kapazitätsproblem?
2016 konnten Sie bei uns auf dem Hafen noch Enten jagen. Diese Zeiten sind vorbei. Es knirscht noch nicht, aber der Hafen ist voll. Und deswegen bauen wir aktuell drei neue Offshore-Liegeplätze mit einer Länge von 1,2 Kilometern schwerlastfähiger Kaianlagen und 38 Hektar Logistik- und Lagerfläche. Ende 2027 werden die ersten Liegeplätze in Betrieb genommen und einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Offshore-Windparks leisten.
Wenn Häfen im großen Stil erweitert werden, ist das teuer und nicht immer konfliktfrei.
Wir haben das große Glück, dass alle dieser Arbeiten innerhalb des ausgewiesenen Hafenbereichs stattfinden. Wir müssen also kein neues Land erschließen und darüber mit Anwohnern oder Tourismusverantwortlichen diskutieren. Es handelt sich, wenn Sie so wollen, eher um einen Lückenschluss. Und was die Finanzen angeht, befinden wir uns in der komfortablen Lage, dass wir jeweils 100 Millionen Euro vom Bund, vom Land und als Vorauszahlung von späteren Nutzern erhalten haben. Denn alle wissen: Wir werden diese Kapazitäten brauchen, daran besteht allseits nicht der geringste Zweifel.
Wegen der Offshore-Ausbauziele - werden wir die weiter brauchen?
Ganz unbedingt! Mit den von der Bundesregierung vorgegebenen Offshore-Ausbauzielen werden die bestehenden Kapazitäten in den deutschen Seehäfen nicht ausreichen. Es ist von elementarer Bedeutung, dass wir Auf- und Ausbauziele haben und dass diese Bestand haben. Ob man jedes dieser Ziele wirklich auf den Tag genau pünktlich erreicht, das ist am Ende gar nicht so wichtig. Aber wir brauchen dieses Commitment, diese Verlässlichkeit.
Sonst passiert das, was wir zwischen 2012 und 2016 mit der Kürzung der Ausbauziele erlebt haben: ein echtes Tal der Tränen für die gesamte deutsche Offshore-Industrie, bei dem tausende von Arbeitsplätzen verloren gegangen sind. Sie dürfen nicht vergessen: Wenn man Infrastrukturen baut, wenn man einen Hafen baut, dann baut man den für eine Nutzungszeit von 100 Jahren und nicht von zwei Monaten.
Haben sich aus Ihrer Sicht die Transportströme durch geopolitische Krisen der letzten Jahre verändert?
Ja, wir merken das ganz deutlich. Natürlich haben wir viel weniger Verkehr aus Russland, dafür kommt per Bahn wesentlich mehr Getreide aus der Ukraine an, das dann über die Schiffe weiter verteilt wird. Und zum Glück ist auch das Thema Offshore jetzt wieder in aller Munde.
Was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Sie hörten, dass es zu Neuwahlen und damit möglicherweise auch zu einem Neustart der deutschen Klimapolitik kommt?
Das war in der Tat eine Überraschung! Bei NPorts mussten wir erst mal ganz tief durchatmen. Denn wir haben uns schon gefragt, wie die neue Regierung jetzt das Thema Energiewende bespielen wird. Inzwischen wissen wir, dass die Energiewende weiter verfolgt wird und es glücklicherweise ein Infrastrukturpaket gibt. Das ist für uns eminent wichtig, denn wir bauen unsere Häfen ja nicht aus Spaß an der Freude, sondern für Importe, Exporte und die Sicherung der Industrie in Deutschland – langfristig und im großen Stil.
Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung?
Als nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine die Sorge vor einer Gasmangellage umging, haben wir anhand der LNG-Terminals gesehen, wie unglaublich schnell man etwas gemeinsam schaffen kann, wenn alle es wollen und richtig anpacken. Da haben Politik und Privatwirtschaft intensiv und zügig zusammengearbeitet. Warum hat das so gut geklappt? Weil ein immenser Druck da war. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass wir ein solches Tempo auch vorlegen können, wenn der Druck nicht ganz so groß ist.
Braucht es dafür mehr Entbürokratisierung?
Ich bin kein großer Freund dieses Begriffs. Ohne eine gewisse Bürokratie und ohne gewisse Regeln geht es nämlich nicht. Aber ich würde es begrüßen, wenn die Bürokratie Voraussetzungen für konzertiertes Handeln schafft – und die beteiligten Akteure dann auch so handeln.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision für Cuxhaven 2050 aus?
Die ist ganz einfach: Der Hafen ist voll ausgebaut und brummt. Titan Wind hat seine Produktion aufgenommen und ist ausgelastet. Auf dem Hafengelände fahren viele Transportfahrzeuge voll autonom. Wir sind sauber, effizient und leistungsstark.
Und mit welchem Treibstoff fahren die Schiffe 2050?
Eine sehr gute Frage. Werden es Elektronen oder Moleküle sein? Wir wissen es noch nicht. Es gibt Überlegungen sowohl in Richtung Ammoniak als auch in Richtung Methanol. Das ist ein sehr dynamischer Prozess – und ich bin selbst gespannt darauf, womit Schiffe im Jahr 2050 fahren. Das Einzige, was ich hoffe und wovon ich ausgehe: dass es nicht mehr fossiler Schiffsdiesel sein wird.
Herr Banik, vielen Dank für das Gespräch.
Holger Banik
ist seit dem Jahr 2014 kaufmännischer Geschäftsführer der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG, die die niedersächsischen Seehäfen an der deutschen Nordseeküste betreibt
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