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Drei Fragen an...

Jonas Marquardt

Geld, Schuld, Schulden: Was sagt eigentlich die Kirche dazu? Ein Gespräch mit dem Pfarrer Jonas Marquardt.

Pfarrer Jonas Marquardt über Schulden und Christentum

© Monika Lourenco / BDEW

Herr Marquardt, die großen Weltreligionen haben teilweise recht unterschiedliche Positionen bei der Frage des Umgangs mit Geld. Wie ist die Haltung des Christentums?
Das Christentum hat seit jeher eine merkliche Zurückhaltung gegenüber dem Thema gepflegt, schon in den Sprüchen Salomos (Kap. 22, Vers 7) heißt es: „Wer borgt, ist des Gläubigers Knecht.“ Wir wissen auch, dass bis in die frühe Neuzeit im Christentum der „Zauber“ des Geldes – nämlich, dass Kapital ohne menschlichen Einsatz etwas Werthaltiges produzieren können soll – mit großer Skepsis betrachtet wurde.

Auch Luther war dem Zinsverbot zugetan: „Das leyhen odder borgen soll geschehen frey, an [ohne] allen auffsatz und beschwerung [Zinsen]“, schrieb er in einem Text. Andererseits hat das Christentum von Anfang an das mildtätige und soziale Potenzial von Geld erkannt, genutzt und auch liturgisch vereinnahmt. Und während wir gerade sprechen, sitze ich in einem Haus, in dem Theodor Fliedner, der größte Bettler des 19. Jahrhunderts gelebt hat. Er hat eigenhändig ein Vermögen erbettelt, von dessen Zinsen die Gemeinde noch 60 Jahre lang lebte. Kurz: Die Haltung des Christentums zum Thema Geld kann als ambivalent betrachtet werden.
 
Ablassbriefe gehörten zur spätmittelalterlichen Währung des Seelenheils und waren seinerzeit ein großer Zankapfel, der mit zur Reformation führte. Was spricht eigentlich dagegen, begangene Sünden mit Geld wiedergutzumachen?
In diesem Fall: der Adressat! Sühneleistungen oder Wiedergutmachungen, auch und gerade finanzielle, können bei einer zwischenmenschlichen Schuld durchaus probate Mittel sein. Etwas ganz anderes ist es jedoch, wenn Gott als Empfänger, verkörpert durch die Kirche, Nutznießer finanzieller Zuwendung sein soll.

Das ist Unfug. Hätte man allerdings von Beginn an Ablasszahlungen in karitative Zwecke fließen lassen, weiß ich nicht, ob wir eine Reformation erlebt hätten. Oder ob wir überhaupt eine gebraucht hätten.

Sind Klimazertifikate die Ablassbriefe der Neuzeit?
Würde ich nicht sagen. Diese Form der Kompensation verwechselt nämlich nicht den Schadenstatbestand oder den Geschädigten, wie das bei den mittelalterlichen Ablassbriefen der Fall war. Wenn man dem Ökosystem etwas Schlechtes antut und dann an der gleichen Stelle etwas Gutes mit Zertifikaten erreichen kann, dann ist das für mich ein konsistenter Gedanke.

Und wenn der Absender dabei eine gefühlte Absolution erlebt, wäre das aus meiner Sicht nicht unmoralisch. Denn: Wenn das Motiv für die Nutzung von Klimazertifikaten darin besteht, sich und anderen einzugestehen, dass man etwas Schlechtes oder Ambivalentes getan hat – dann ist es doch besser, die Folgen konkret zu berücksichtigen als sie nur einzusehen und achselzuckend an ihnen vorbeizugehen.

Jonas Marquardt

ist seit 2002 evangelischer Pfarrer in Düsseldorf-Kaiserswerth. Er spricht regelmäßig im christlichen Hörfunksender Domradio.

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