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Gastbeitrag:

Ohne neue Schulden geht es nicht.

„Mit dem Fuß auf der Schuldenbremse kann es keine Transformation geben“, schreiben die Gründer von FiscalFuture in ihrem Gastbeitrag.

Portrait Carl Mühlbach und Tung Doan von FiscalFuture

© Robert Albrecht / BDEW

Jeder umfassende Transformationsprozess steht und fällt mit seiner Finanzierung. Das gilt auch für die notwendigen Umwälzungen im Bereich der Energiewende, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimabeschluss vorgeschrieben hat. Der Großteil der Investitionen muss privat organisiert und finanziert werden, doch auch der Staat trägt eine zentrale Verantwortung, öffentliche Mittel für die Transformation sicherzustellen – denn viele dieser Investitionen sind aus unternehmerischer Sicht risikoreich. Neben einem besseren Zugang zu Krediten und Kapital benötigt es auch eine öffentliche Beteiligung und eine partielle Risikoübernahme an gewissen Stellen.

Allein im Energiesektor müssen nach Berechnungen der Boston Consulting Group bis 2030 Gelder im Umfang von etwa 600 Milliarden Euro mobilisiert werden, um unsere Klimaziele zu erreichen, viele Milliarden allein im Bereich der Übertragungs- und Verteilnetze. Auch bei der Ausweitung der Fernwärmenetze und dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur könnte der Bund auf direktem Wege investieren oder die dafür verantwortlichen öffentlichen Akteure finanziell ausstatten.

Fakten schaffen für Akzeptanz

Es geht aber nicht nur um Geld – also konkret Investitionen in die Dekarbonisierung: Transformationsprozesse brauchen für eine erfolgreiche Umsetzung breite gesellschaftliche Akzeptanz. Und die hängt davon ab, wie glaubwürdig den Bürgerinnen und Bürgern das Wohlstandsversprechen der Transformation erscheint. Es braucht also angemessene soziale Kompensationen, um die Lasten der Transformation gerechter zu verteilen und vor allem bei niedrigen und mittleren Einkommensschichten berechtigte Sorgen zu mildern.

Nicht zuletzt hängt das grundsätzliche Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat maßgeblich von der erlebten Daseinsvorsorge ab. Hier beklagen breite Teile der Bevölkerung seit vielen Jahren Missstände in der Verwaltung, aber auch im Kita- und Schulbereich oder bei Sport und Kultur – Missstände, die vor allem aus hohen Investitionsrückständen resultieren. Um sie zu beheben, bedarf es bis 2030 jährlich etwa 40 Milliarden Euro.

Schulden machen kann sich rechnen

Ausgaben mit Zukunftscharakter können und sollten aus ökonomischer Sicht auch über Schulden finanziert werden: Schuldenfinanzierte Investitionen rentieren sich oft, da sie neben ihrem Beitrag zu den gesellschaftlichen Zielen auch Produktivitätssprünge und Wachstumseffekte auslösen können. Schuldenfinanzierte Investitionen sind der Schlüssel zu einer wirklich generationengerechten Politik, die jungen Menschen einen intakten Planeten und eine zukunftsfähige Wirtschaft hinterlässt.



Ein solcher Weg bleibt in Deutschland durch die „Schuldenbremse“ in großen Teilen verwehrt. Erschwerend schränkt das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom November 2023 die Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) deutlich ein. Bereits zum nächsten Bundeshaushalt 2025 wird dem KTF das Geld ausgehen, größere Umbauprojekte können nicht gestemmt, bereits geplante Vorhaben nicht realisiert werden. Damit erzeugt die Schuldenbremse gewaltige Finanzierungslücken im Hinblick auf die Transformation – ohne jedoch die reellen Grenzen der Staatsverschuldung abzubilden: Die zulässige strukturelle Neuverschuldung von jährlich 0,35 % des BIP ist willkürlich gewählt.

Die Schuldenbremse löst damit einen ökonomisch unfundierten Spardruck auf Kosten dringend benötigter Investitionen aus. Dabei wären Schulden von jährlich 40-60 Milliarden Euro - also 1 bis 1,5% unseres heutigen BIP pro Jahr - sowohl überblickbar als auch ökonomisch verkraftbar.

Planetarische und fiskalische Grenzen im Widerspruch

Zusätzliche Staatsschulden zur Finanzierung der Transformation sind nicht nur unbedenklich, sondern geboten. Vor allem junge Menschen profitieren deutlich mehr von einer erfolgreichen Transformation als von einer schwarzen Null. Unter der Schuldenbremse in ihrer aktuellen Ausprägung verfehlen wir das dringend benötigte Investitionsniveau - weder öffentliche Klimainvestitionen noch großzügige, weil kurzfristige „Superabschreibungen“ für private Akteurinnen und Akteure wären in ausreichendem Umfang realisierbar. Wir müssen das Instrument der Schuldenfinanzierung nutzen, um ausreichend Geld für die Transformation zu mobilisieren. Denn zurzeit sind wir sind unseren planetaren Grenzen leider deutlich näher als den Grenzen unserer Staatsverschuldung.

Carl Mühlbach

hat Volkswirtschaftslehre in Heidelberg, Cambridge und Berlin studiert. Nach einer Tätigkeit im Bundesministerium der Finanzen hat er die Initiative FiscalFuture gegründet und leitet die NGO als Geschäftsführer.

Tung Doan

studierte Volkswirtschaftslehre und Public Economics in Mannheim und Berlin. Als Gründungsmitglied baute er FiscalFuture mit auf. Mittlerweile arbeitet er hauptamtlich für die NGO und ist für die Finanzen zuständig.

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