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Länderportrait:

Schweden – das Land ohne Schulden?

Schwedens Sozialsystem hat einen guten Ruf. Und der Staat gibt nicht mehr Geld aus als er einnimmt. Wie macht Schweden das?

Schweden: Land ohne Schulden

© Monika Lourenco / BDEW

 

Schweden hat mit knapp 33 Prozent eine der geringsten Schuldenquoten in der Europäischen Union. Die Erwerbsquote ist mit 87,5 Prozent bei den 20- bis 64-Jährigen sehr hoch, über 80 Prozent der Frauen sind berufstätig. Die Folge: hohe Steuereinnahmen, mehr Geld für Land und Kommunen. Durch den russischen Angriffskrieg ist die Inflation zwar auch in Schweden gestiegen, doch der Staat kann es sich leisten, einzugreifen und Hilfspakete zu schnüren. Manch ein deutscher Politiker fragt sich: Wie machen die Schweden das?

Seit der großen Finanz- und Wirtschaftskrise Anfang der 1990er Jahre verfolgt das Land vor allem ein Ziel: keine neuen Schulden machen und stattdessen sparen. Schweden war damals hoch verschuldet, das gesamte Finanz- und Bankensystem drohte zusammenzubrechen. Die Staatsschuld lag bei über 80 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Die Exporte brachen ein und die Wirtschaft rutschte in eine tiefe Rezession, die Inflation lief aus dem Ruder, die Zinsen schnellten hoch, die Arbeitslosenquote verfünffachte sich – und die Steuereinnahmen sanken, während die Sozialausgaben immer weiter stiegen. Die bürgerliche Regierung begann in der Folge, vornehmlich die Ausgaben zu kürzen.

Sparen und Schulden abbauen   

Nach dem Regierungswechsel 1994 setzte auch der Sozialdemokrat Göran Persson den Sparkurs fort – zunächst als Finanzminister, dann als Ministerpräsident. „Wer Schulden hat, ist nicht frei“, so sein Credo. Die Ausgaben wurden gedeckelt, neue Schulden nur noch in Ausnahmefällen zugelassen. Das bedeutete Pensionen, Kinder- und Elterngeld, aber auch Kranken- und Arbeitslosengeld zu kürzen, zwei Feiertage zu streichen und das Renteneintrittsalter auf 66 Jahre anzuheben. Gleichzeitig wurden die Einkommen-, Tabak-, Mineralöl- und Mehrwertsteuer erhöht. Denn die Last sollte auf alle Teile der Gesellschaft verteilt werden. Nur bei Kindergärten und Bildung gab es keine Einschnitte.      



Eine der wichtigsten Reformen betraf die Rente. Alle Erwerbstätigen zahlen ausnahmslos in das System ein, anders als in Deutschland. 16 Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte fließen in die umlagefinanzierte Altersrente, 2,5 Prozent in die sogenannte Prämienrente: Hier können die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden, ob sie das Geld in einem staatlichen oder privaten Fonds investieren möchten. Die Rente ist seitdem zwar deutlich niedriger geworden, das Rentenniveau ist aber höher als in Deutschland.

Das schwedische Modell ist Vorbild für die Reform der deutschen Rentenversicherung. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag die Gründung eines Fonds für die Altersvorsorge vereinbart und will mit zehn Milliarden Euro in Vorleistung gehen.

Gemeinsam aus der Krise

Göran Persson war mit seinem Kurs erfolgreich. Nur fünf Jahre nach seinem Amtsantritt präsentierte er einen ausgeglichenen Haushalt. Sparen und Schulden abbauen - das war landesweiter Konsens. Sozialdemokraten, Liberale, Konservative, die Gewerkschaften und die Bürgerinnen und Bürger trugen das Programm mit. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Schweden verzeichnete in der Folge ein hohes Wirtschaftswachstum, niedrige Arbeitslosigkeit, Überschüsse im Haushalt, Schuldenabbau und einen größeren finanziellen Spielraum. Etwas ähnliches mag Bundeskanzler Olaf Scholz im Blick gehabt haben, als er im September 2023 einen „Deutschlandpakt“ forderte und dazu aufrief, gemeinsam für Wohlstand und Stabilität anzupacken.

Das Risiko: ein Leben auf Pump

Alles gut also? Nicht so ganz. Denn die privaten Haushalte sind vergleichsweise hoch verschuldet. Vor allem durch Immobilienkredite. Vier Billionen schwedische Kronen (360 Milliarden Dollar) haben die Banken an Hausbesitzerinnen und -besitzer vergeben. Können die Kredite nicht mehr bedient werden, hat das Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzen. 2023 erklärte Finanzminister Niklas Wykman: „Wir wissen, dass ein Sturm auf uns zukommt. Aber wir sind vorbereitet.“  

Schweden hat den Wohlfahrtsstaat radikal umgebaut, aber noch immer ein hervorragendes Sozialsystem. Zum Beispiel wird in eine gute Kinderbetreuung investiert, damit Eltern schnell in den Beruf zurückzukehren können – anstatt sie mit finanziellen Leistungen zum Zuhause-Bleiben zu motivieren. Und die Bevölkerung ist bereit, den Sozialstaat mit hohen Steuern zu finanzieren. Zwar zahlt die Mehrheit der Deutschen laut einer Umfrage des Finanzministeriums  gerne Steuern. Allerdings sagen auch mehr als die Hälfte: „Wir zahlen zu viel“. Und zwei Drittel wünschen sich, dass ihr Steuergeld sinnvoller eingesetzt wird. Der Abbau von Staatsschulden gehört übrigens nicht dazu.

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