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Sustainable Finance:

Privates Kapital für die Klimawende

Für Klimaneutralität sind enorme Summen erforderlich. Der Staat will sie nicht allein aufbringen. Kann die Finanzbranche die Lücke schließen?    

Illustration Kulisse PV-Anlagen

© Robert Albrecht / BDEW

Es ist ein Weckruf an uns alle: Schon nach rund vier Monaten, nämlich am 2. Mai hat Deutschland in diesem Jahr 2024 seine natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die uns die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann. Das zeigt der sogenannte Earth Overshoot Day. Anders gesagt: Wenn alle Menschen so leben würden wie wir, bräuchten wir drei Erden.

Fakt ist: Emissionen müssen verringert und die ökologische Wende vorangetrieben werden. Nur so können die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werden. In der französischen Hauptstadt setzte sich die Weltgemeinschaft 2015 ambitionierte Ziele, um die Erderwärmung zu begrenzen. Dafür sind jedoch gewaltige Investitionen nötig. Schätzungen gehen von fünf Billionen Euro bis 2045 allein in Deutschland aus. Viele Unternehmen können die Kosten der Transformation aber nicht allein stemmen.

Die Bundesregierung wollte deshalb 60 Milliarden Euro aus der Corona-Zeit für den Klima- und Transformationsfonds verwenden. Ende 2023 machte ihr das Bundesverfassungsgericht einen Strich durch die Rechnung. Bund und Länder werden zudem verpflichtet, die Schuldenbremse einzuhalten. Doch woher soll das Geld kommen, um bis 2045 klimaneutral zu werden?

Privates Kapital mobilisieren

Eine Hoffnung: Sustainable Finance. Das bedeutet, dass, privates Kapital mobilisiert und die Finanzbranche dazu bewegt werden soll, das Thema Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Zum Beispiel bei der Vergabe von Krediten sowie bei Investitionen. Schließlich sollte das auch in ihrem eigenen Interesse liegen. Extreme Wetterereignisse wie Stürme, Fluten oder Dürren werden weiter zunehmen. Die Schäden verursachen hohe Kosten. Damit wachsen auch die finanziellen Risiken und Verluste für Banken, Finanzinstitute, (Rück-)Versicherungen und Investmentfonds.

Dabei galt die Finanzbranche mitunter eher als Problemverursacher, weniger als –löser, denn noch immer fließen Milliarden in fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas. Eine Ursache sieht Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, darin, dass es an Informationen und Transparenz mangelt. Er fordert: „Unternehmen müssen klimarelevante Daten offenlegen und einen Zugang für Finanzakteure schaffen. Transparente und relevante Informationen und Daten sind die Sollbruchstelle für die Finanzierung der Transformation. Ohne sie wird die Transformation nicht gelingen, sie sind das Fundament für den nachhaltigen Umbau.



Auch die Europäische Union (EU) setzt auf privates Kapital, um das Wirtschaftssystem umzukrempeln. Bis 2050 soll die EU klimaneutral sein. Der European Green Deal ist die Grundlage dafür und stellt die Weichen für Investitionen in erneuerbare Energien, Biodiversität oder Kreislaufwirtschaft. 2018 hat die EU zudem einen Aktionsplan vorgelegt, der eine Art grünes Siegel für Finanzprodukte vorsieht und Anlegerinnen und Anleger sensibilisieren soll, ihr Geld nachhaltig zu investieren.

Deutschland als Vorreiter

Deutschland will Vorreiter sein und zu einem führenden Standort für Sustainable Finance werden. 2019 wurde ein entsprechender Beirat gegründet. Ihm gehören Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Real- und Finanzwirtschaft sowie der Zivilgesellschaft an. Der Sustainable Finance-Beirat gibt Empfehlungen und unterstützt die Bundesregierung, die Sustainable-Finance-Strategie mit ihren 26 Maßnahmen umzusetzen und weiterzuentwickeln. Außerdem emittiert der Bund seit 2020 Grüne Bundeswertpapiere– und will damit einen weltweiten  nachhaltigen Finanzmarkt stärken.

Klare Regeln, um Greenwashing zu verhindern

Wie nachhaltig eine Geldanlage tatsächlich ist, ist nicht immer leicht zu erkennen. In der Debatte um Sustainable Finance taucht deshalb immer wieder der Vorwurf des Greenwashings auf. Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fordert daher: „Kapitalverwaltungsgesellschaften und Asset-Manager dürfen keine Informationen unreflektiert übernehmen. Sie müssen verstehen, was ESG-Daten und Ratings darstellen – und was nicht. Wir werden auf europäischer Ebene abwägen müssen, ob wir für die Erhebung und den Umgang mit ESG-Daten und -Ratings einen Mindeststandard brauchen.“ Denn eines steht fest: Der Earth Overshoot Day kann sich nur dann substanziell in Richtung Dezember bewegen, wenn grüne Geldanlagen wirklich grün und nachhaltig sind.

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