Ein sonniger Vormittag am Flugplatz Merzbrück bei Aachen. Eine Propellermaschine rollt in Richtung Startbahn. In der Herbstluft summen Insekten. Auch als der Flieger Fahrt aufnimmt, dröhnt kein Lärm. Kaum merklich abgehoben ist soeben eine Elektromaschine der FH Aachen. „Wir sind deutschlandweit die Ersten, die solche EASA-zugelassenen elektrisch angetriebenen Forschungsflugzeuge für die Ausbildung von Piloten und Pilotinnen nutzen“, sagt Professor Peter Dahmann, Dekan im Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik.
Früher war der Flugplatz Aachen-Merzbrück ein reiner Verkehrslandeplatz. Heute befindet sich hier ein Forschungsflugplatz, den die FH Aachen und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) nutzen. Auf einer Fläche von 80 Hektar entsteht außerdem gerade der Aeropark Merzbrück, in dem sich luftfahrtaffine Gewerbe- und Forschungseinrichtungen ansiedeln sollen. „Entstehen soll hier ein Wirtschaftssystem für die künftige Luftfahrt, das zum einen auf Emissionsfreiheit und Lärmreduktion setzt – und zum anderen dem Trend zu neuen Fluggeräten nachgeht“, erklärt Dahmann. Als ein Beispiel nennt er Lufttaxis, an denen die FH Aachen im Projekt SkyCab forscht.
Energiewende in der Luftfahrt
Bisher setzt die kommerzielle Luftfahrt fast ausschließlich auf die Verbrennung von Kerosin in Gasturbinen. „Dieses Prinzip bewährt sich aufgrund seiner hohen spezifischen Leistung, wegen seiner hohen Effizienz und aufgrund seiner kompakten und leichten Bauweise“, heißt es im White Paper „Zero Emission Aviation – Emissionsfreies Fliegen“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Wie kann man die Emissionen aus der Kerosinverbrennung reduzieren beziehungsweise vermeiden? Wo die Forschung steht, wann und in welchem Umfang mit einer Realisierung aktueller Lösungsansätze zu rechnen ist, kann man im White Paper nachlesen. „Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen für eine erfolgreiche Energiewende in der Luftfahrt zu stellen“, steht in der Präambel.
Zum einen gibt es Konzepte, die weiter auf Verbrennung von Kerosin setzen. Auch so lassen sich Emissionen reduzieren, indem man etwa den Wirkungsgrad von Gasturbinen erhöht. Das Potenzial dafür ist dem White Paper zufolge bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Zum anderen wird der Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe wie synthetischen Kerosins diskutiert: Ein Vorteil ist, dass sich heutige Flugzeuge und Infrastruktur damit weiter nutzen ließen. Dazu wurde das Drop-in-Konzept eingeführt, mit dem eine 50-prozentige Beimischung von synthetischem Kerosin zum herkömmlichen zugelassen wird. Diese Kraftstoffe könnten bereits heute 40 Prozent der Emissionen reduzieren. Doch noch machen sie weniger als ein Prozent des weltweiten Luftfahrt-Kraftstoff-Verbrauchs aus. Schuld sind geringe Produktionskapazitäten und der Preis.
Fliegen mit Wasserstoff
Zudem gilt auch in der Luftfahrt Wasserstoff als zukunftsweisende Antriebstechnologie. Nutzen kann man ihn einerseits in der Gasturbine. Mehr als 90 Prozent klimaveränderliche Abgase ließen sich dadurch einsparen, hat eine Lebenszyklus-Analyse in einem Flugzeug der Größe eines Airbus A319 gezeigt – vorausgesetzt, der Wasserstoff würde aus Erneuerbaren Energien hergestellt. Die Autoren des White Papers schränken ein: „Die globale Wasserstoffnachfrage wird derzeit vorrangig aus fossilen Rohstoffen hergestellt.“
Andererseits lässt sich ein Flugzeug mit einer Wasserstoffbrennstoffzelle antreiben. Wie genau das funktioniert, weiß Professor Josef Kallo. Seit den 1990er-Jahren widmet er sich der Brennstoffzellenforschung, zunächst für Fahrzeuge. Nachdem er seine Forschung am DLR und der Universität Ulm auf die Luftfahrt verlagert hatte, gründete er das Unternehmen H2FLY. Mit diesem hat er demonstriert, was bisher möglich ist: 2016 startete am Stuttgarter Flughafen erstmals das viersitzige, wasserstoff-elektrisch angetriebene Testflugzeug HY4. Seine Reichweite liegt bei 750 Kilometern. Nach Angaben des Unternehmens H2FLY könnte mit dem Brennstoffzellen-Flugzeug HY4 „insbesondere der Markt für Regionalflüge erschlossen werden”, so die Projektinitiatoren gegenüber dem Branchendienst electrive.
„Engineering an der Grenze des Machbaren“
Gemeinsam mit dem Unternehmen Deutsche Aircraft geht H2FLY nun die Aufgabe an, die Wasserstoffbrennstoffzelle im nationalen und europäischen Flugverkehr einzuführen. „Bis 2025 wird es uns gelingen, einen Prototypen zu bauen. Und bis 2032 schaffen wir die Qualifizierung“, sagt Kallo. Was bis dahin zu bewältigen ist, klingt beinahe wie eine Mondlandungsmission: „Es ist ein wenig vergleichbar mit den Aufgaben, die die Kollegen bei der NASA hatten“, sagt er und fügt hinzu: „Sicher immerhin zehn Prozent davon.“
Vor allem beschäftigen ihn die Umgebungsbedingungen: „Wie kann ich mit den hohen Strömen, den hohen Spannungen in großen Höhen und im Unterdruck umgehen?“ Dafür seien Komponenten gefragt, die es heute noch nicht gebe. „Sie müssen funktionieren und gleichzeitig gewichtsoptimiert sind. Das ist Engineering par excellence: absolut an der Grenze des Machbaren.“
Bildergalerie: Treibstoffe der Zukunft
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Die Autoren des White Papers sind zuversichtlich: „Luftfahrzeuge mit Antriebskonzepten auf Basis von Brennstoffzellen lösen perspektivisch heutige Flugzeuge auf der Kurz- und Mittelstrecke ab.“ Auch wenn Kallo wegen des geräuscharmen Fliegens die Brennstoffzelle gegenüber der Wasserstoffverbrennung in der Gasturbine bevorzugt: „Realistisch ist die Brennstoffzelle maximal bis 4.000 Kilometer.“
Pioniere und ihre Erkenntnisse
Mittlere Strecken, etwa von Leipzig nach London, sind auf dem Vormarsch. 42 Prozent aller Emissionen fallen heute auf Flügen bis 2.000 Kilometer an. Auch Batterieantriebe kommen dabei ins Spiel. Ein Beispiel ist „Alice“, ein kleines Elektroflugzeug amerikanischer Bauart. In drei Jahren soll es in den USA und Europa auf Regionalstrecken eingesetzt werden. Die Reichweite liegt bei rund 800 Kilometern. Als erstes Unternehmen der Welt hat sich die Deutsche-Post-Tochter DHL Express auf dieses Versprechen eingelassen und im August zwölf Elektroflugzeuge des Typs Alice bestellt, der bis zu 1,1 Tonnen Fracht befördern soll. Noch 2021 sollen erste Testflüge stattfinden.
Doch nicht allein die Antriebe können es richten. Auch Aspekte wie die Flugführung, Bodenprozesse und Infrastrukturen müssten angepasst werden, fordern die Autoren des White Papers. Auch Professor Kallo unterstreicht: „Wenn wir als Gesellschaft künftig mit Erneuerbaren fliegen wollen, müssen dafür große erneuerbare Energiemengen im Industriemaßstab bereitstehen und bezahlbar sein.“ Damit Flugzeugkonzepte auf Wasserstoffbasis funktionieren, muss die Technologie zur Herstellung von Wasserstoff in großem Maßstab verfügbar sein – und ebenso Tankstellen. Für elektrische Konzepte müssen weltweit die Schnittstellen zum Stromnetz standardisiert werden.
Seit Ende September starten und landen die E-Flugzeuge der FH Aachen, die „Silent Air Trainer“, regelmäßig am Forschungsflugplatz Merzbrück. Sie werden im Projekt NEFT (Next Generation Electric-Flight Training) genutzt, in dem es um die Flugausbildung mit E-Flugzeugen geht. Dabei stellen sich viele Fragen, so Fachbereichsdekan Professor Dahmann: „Welche Lademöglichkeiten brauchen wir? Wie lassen sich Ladezyklen optimieren? Wie können wir Erneuerbare Energien einbeziehen?“ Das Forschungsteam will in den kommenden drei Jahren herausfinden, wie die Flugausbildung insgesamt leise und umweltfreundlich gelingen kann. „Noch gibt es vielleicht Grenzen“, sagt Dahmann. „Aber wir werden auch einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass das Ziel erreicht wird.“
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