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Europas Rennen um die Elektromobilität

Ohne E-Autos können die CO2-Flottengrenzwerte der EU nicht erreicht werden. Was bedeutet das für die grenzüberschreitende Mobilität?

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© Illu: Merle Schenker/BDEW

Sommerurlaub am Mittelmeer – mit dem Auto war das jahrzehntelang eine Leichtigkeit: Gepäck in den Kofferraum, volltanken und los. Wer ähnliches mit dem E-Auto vorhat, kann sich bislang nicht so unbeschwert auf die Reise machen. Vom „Auftanken“ des E-Autos über die Suche nach der nächsten Ladestation bis zum Umgang mit unterschiedlichen Ladestandards und Bezahlsystemen: Eine Fahrt durch Europa mit dem Elektroauto verlangt mehr Planung als mit dem Verbrenner.

Und dennoch: Das Interesse an moderner Mobilität steigt stetig. Dreimal mehr Elektrofahrzeuge bei den Neuzulassungen als im Jahr 2019 davor vermeldet der Branchenverband ACEA . Und auch in Deutschland ziehen die Zahlen an: Seit Jahresbeginn wurden rund 98.400 Elektrofahrzeuge zugelassen , trotz Corona-Krise mehr als doppelt so viel wie 2019. Das liegt nicht nur an finanziellen Anreizsystemen und guter Ladeinfrastruktur, sagt Christoph Stürmer, Global Lead Analyst Autofacts bei PricewaterhouseCoopers (PwC): „Wir haben inzwischen eine breite Auswahl von Elektroautos im Markt, die das Potenzial haben, Kundenanforderungen wirklich zu befriedigen – und nicht als „Sparbrötchen“ empfunden werden. Die Produktqualität ist ein Faktor, der die Elektromobilität erheblich beflügeln kann.



Doch an einer neuen Mobilität führt eh kein Weg vorbei. Seit dem Jahr 2009 gelten strengere Maßstäbe für die CO2-Emissionen von Pkw in der Europäischen Union – und werden für Neufahrzeuge regelmäßig verschärft. Der Druck auf Länder wie Hersteller ist also hoch – der Ausbau der Elektromobilität gerät so zur logischen Konsequenz. Welchen Weg aber gehen einzelne Länder in Europa – und wer hat beim Rennen um die Elektromobilität die Nase vorn? Ein Überblick.

Der Blick zu den Nachbarn

Norwegen gilt als Vorreiter der Elektromobilität in der EU: Inzwischen entfallen 60 Prozent der Neuzulassungen auf vollelektrisch angetriebene Autos, weitere 15 Prozent auf Plug-in-Hybride. Wie das gelang? Kurz gesagt: mit Geld. Käufer von Elektroautos sind bereits seit 1990 von der Kfz-Kaufsteuer befreit, auch die Mehrwertsteuer wird beim E-Autokauf nicht mehr erhoben. Darüber hinaus können Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos kostenlos Fähren benutzen und auf ausgewiesenen städtischen Parkplätzen parken – und sie müssen keine Straßenmaut entrichten. Besonderes Plus in Norwegen: Dort stammen schon jetzt 95 Prozent des Stroms aus Wasserkraftwerken, die Elektromobilität ist damit weitgehend emissionsfrei – vom Antrieb des E-Autos bis zur Erzeugung des hierzu nötigen Stroms. 



Die Niederlande haben beim Rennen um die Elektromobilität in Städten und Kommunen vergleichsweise früh auf eine dichte Ladeinfrastruktur gesetzt. Umso einfacher, da sich die Netzbetreiber zügig auf einen technischen Standard für den Anschluss von Ladesäulen an das Verteilnetz einigen konnten. Anreiz für Verbraucher: Je weniger CO2 ein Auto in den Niederlanden ausstößt, desto weniger KfZ-Steuern fallen an - und Elektroautos fahren bis auf Weiteres steuerfrei. Steuervergünstigungen für Plug-In-Hybride wurden nach übergroßen Marktverwerfungen allerdings wieder zurückgenommen. 

Auch in Großbritannien wird auf pekuniäre Anreize gesetzt. Wer ein E-Auto kauft, kann dafür einen Zuschuss von bis zu 3.500 britischen Pfund (rund 3.880 Euro) bekommen. Private Ladesäulen für Plug-In-Autos werden mit bis zu 500 Pfund (rund 555 Euro) vom Staat gefördert. Die traditionell teure Londoner Innenstadt ist für die Fahrerinnen und Fahrer emissionsfreier Autos zumindest bis ins Jahr 2025 etwas billiger: Die Stadt verzichtet auf die sonst fälligen Mautkosten. Außerdem will die britische Regierung bis 2022 ein Viertel ihrer Autoflotte elektrifizieren, der Verkauf von Dieseln und Benzinern soll ab 2040 komplett verboten werden. Inwieweit der Brexit sich auf diese derzeit noch aktuellen Pläne auswirkt, ist allerdings abzuwarten. 



Frankreich will bis 2040 den Verkauf von Benzinern und Dieseln stoppen. 2019 wurde die Zahlung von Abwrackprämien an den Kauf eines E-Autos gekoppelt. Eine europäische Vorreiterrolle nehmen derzeit die französischen Automobilkonzerne ein: Von den 66 aktuell angebotenen Modellen sind bereits zehn elektrisch  – Poleposition für Peugeot, Renault und Co.

Schweden hat die Einführung von Elektroautos zunächst mit einer fünfjährigen Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer subventioniert. Seit dem 1. Januar 2020 gilt hier ein Bonus-Malus-System:  Bis zu 5.700 Euro Bonuszahlungen sind für Käufer möglich, wenn die CO2-Emissionen ihrer Neuwagen mindestens weniger als 60 Gramm pro Kilometer betragen. Analog dazu müssen für Fahrzeuge mit mehr als 95 Gramm pro Kilometer als Malus höhere Steuern entrichtet werden. 

Wie sieht es in Deutschland aus?

Hierzulande erhalten Käuferinnen und Käufer von Elektro- und Hybridfahrzeugen einen Umweltbonus und eine zeitlich befristete Innovationsprämie. Die Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge wurde im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 verlängert. Zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur wurden 300 Millionen Euro im Jahr 2020 bereitgestellt. Was die Ladestruktur betrifft, sei Deutschland auf einem guten Weg, sagt Ulf Schulte, Geschäftsführer des Ladeinfrastrukturanbieters Allego GmbH: „Wir haben bei den Ladepunkten ein Wachstum von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, vor allem der Aufbau schneller Ladesysteme geht gut voran.“


Stand: Mai 2020


Dennoch steht die Bundesrepublik bei der Dichte von Ladepunkten noch schlechter da als Norwegen oder die Niederlande. Hier sieht Schulte mehrere Gründe: So gebe es in Holland nur sieben Netzbetreiber, was es wesentlich einfacher mache, sich auf technische Standards zu einigen. Doch auch die „deutsche Gründlichkeit“ erweise sich zuweilen als Stolperstein: „Wenn wir in Deutschland etwas machen, möchten wir es gerne gleich richtig machen. Die Umsetzung des Eichrechts beispielsweise kostet recht viel Zeit und Geld. Da waren andere Nationen etwas hemdsärmeliger und pragmatischer unterwegs“, sagt Schulte. 

Das Rennen um die Elektromobilität in Europa – es bleibt also besonders. Denn nicht nur die Geschwindigkeit ist entscheidend. Sondern vielmehr die Notwendigkeit, dass jedes Land das Ziel erreicht. Erst dann wird die Fahrt mit dem E-Auto ans Mittelmeer so einfach sein, wie sie es in der Vergangenheit bereits war. 

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