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Länderportrait USA:

Billionen für Straßen, Strom und Staudämme

Buckelpisten, Energie-Blackouts mitten im Winter: Die US-Infrastruktur braucht Investitionen. Ist Joe Bidens Weg der richtige?

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© Robert Albrecht/BDEW

 

Die Winterstürme im Februar 2021 trafen Texas völlig unvorbereitet. Pipelines froren ein, die Wasserzufuhr zu Kraftwerken wurde unterbrochen. Überall im zweitgrößten Bundesstaat der USA gingen die Lichter und – noch dramatischer – die Heizungen aus. Millionen Menschen froren, mindestens 20 von ihnen starben, der wirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden. Immer wieder waren die texanische Regierung und Kraftwerksbetreiber von Fachleuten gewarnt worden: Sie sollten unbedingt die Öl- und Gasleitungen winterfest machen. Eine Dekade zuvor, 2011, hatten Schnee und Frost schon einmal zu einem landesweiten Blackout geführt. Geschehen war seitdem: nichts. 

Wäre man den Empfehlungen von damals gefolgt, entweder durch freiwillige Maßnahmen der Kraftwerks- und Netzbetreiber oder durch staatliche Regulierung, hätten es viele Menschen in Texas jetzt wärmer, sagte Dave Tuttle, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Energieinstitut der Universität von Texas, der Zeitung USA Today während des Blackouts. So aber würden sich jetzt alle gegenseitig die Schuld zuweisen.

Wetterfühlige Stromnetze sind längst nicht das einzige Infrastrukturproblem der USA. Rund 60.000 Brücken müssen dringend repariert werden, 43 Prozent der Straßen im Land befinden sich in schlechtem oder mittelmäßigem Zustand. Allein die Verspätungen durch Staus und Umleitungen kosten die Wirtschaft mehr als 120 Milliarden Dollar jährlich, schreibt der Ingenieur und Historiker Henry Petroski. Löchrige Leitungen lassen jeden Tag über 22 Milliarden Liter Wasser versickern.

Berufsverband schlägt Alarm

Alarmierende Zahlen wie diese veröffentlicht der US-amerikanische Berufsverband für Bauingenieure. Die Vereinigung bewertet alle vier Jahre den Zustand der Verkehrswege sowie der Wasser- und Stromversorgung. In diesem Jahr hat die Berufsgruppe der landesweiten Infrastruktur die Gesamtnote C- gegeben, eine 3- im deutschen Notensystem. Für die größte Volkswirtschaft der Welt ist das zu wenig. Die Investitionslücke bis 2029 belaufe sich auf mehr als 2,5 Billionen Dollar, die Hälfte entfalle auf Verkehrswege (siehe Infografik).



Präsident Joe Biden will nun massiv investieren, um die vernachlässigte Infrastruktur auf Vordermann zu bringen und das Land gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen. In den nächsten acht Jahren sollen landesweit Brücken, Straßen und Gleise saniert, Flughäfen und Kraftwerke erneuert, Elektromobilität gefördert und energieeffiziente Häuser errichtet werden. 2,3 Billionen Dollar waren ursprünglich für diese und weitere Maßnahmen vorgesehen. „So ein Programm haben wir seit dem Bau des Fernstraßennetzes und dem Wettlauf zum Mond vor mehreren Jahrzehnten nicht mehr erlebt“, sagte Biden bei der Vorstellung des Mammutvorhabens im März. Für die Finanzierung wollte er die Unternehmenssteuern deutlich erhöhen und neue Schulden aufnehmen. Dagegen protestierten die Republikaner. In zähen Verhandlungen haben Vertreter beider Parteien Ende Juni einen Kompromiss erzielt: Das Budget liegt nun bei 1,2 Billionen Dollar.

Mit den Investitionen in die Infrastruktur will Biden die Wirtschaft ankurbeln und Jobs schaffen. Sein Paket heißt deshalb auch „The American Jobs Plan“. Dieser Ansatz ist nicht neu: In den Dreißigerjahren hatte Franklin D. Roosevelt im Zuge des New Deals Strom in die ländlichen Gebiete verlegen, mehr als eine Million Kilometer Straßen und 77.000 Brücken bauen lassen – auch damals ging es um Arbeitsplätze und Konjunkturimpulse nach der Wirtschaftskrise. In den Fünfzigern folgte dann die zweite Straßenbauwelle: Präsident Dwight D. Eisenhower verband die Bundesstaaten mit dem Interstate Highway System, dem bis heute größten öffentlichen Bauprojekt des Landes.

Energiewende per Infrastrukturausbau

60 Jahre später dreht sich die politische Auseinandersetzung in Washington darum, was heutzutage überhaupt zur Infrastruktur gehört. Die Republikaner fordern eine Fokussierung auf klassische Stahl- und Betonprojekte. Bidens Demokraten fassen den Begriff deutlich weiter. Energieministerin Jennifer Granholm argumentiert, dass moderne Infrastruktur vor allem eines sein müsse: innovativ. Breitband, grünen Strom, E-Autos oder klimaneutrales Bauen habe man noch vor wenigen Jahrzehnten nicht mitgedacht, so die Ministerin. Auch die sozialen Aspekte gehörten als Infrastruktur einer Gesellschaft ins Gesamtbild. Am stärksten umstritten an den Plänen der Demokraten war der Ausbau des häuslichen Pflegesystems, das zunächst ebenfalls im Infrastrukturpaket enthalten war.

Die Ausweitung des Begriffs sei absolut richtig, sagt Linda Blimes, Dozentin an der Harvard Kennedy School und Expertin für Öffentliche Haushaltsplanung. Man brauche eine nachhaltige und gegen den Klimawandel resiliente Infrastruktur, denn: „Jeder Dollar, der ausgegeben wird, um etwas zu sanieren, das danach überflutet wird, ist ein verschwendeter Dollar.“ 

USA: International nur Durchschnitt

Die USA geben bislang im Mittel nur 2,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Bau und Instandhaltung ihrer Infrastruktur aus. In Europa sind es im Durchschnitt fünf Prozent, in China sogar acht. Die Folge: Das Weltwirtschaftsforum platziert die USA in seinem Infrastrukturranking nur noch an 13. Stelle. Singapur führt die Liste an; Deutschland schafft es auf Platz acht.

Dabei lassen sich die USA durchaus als Sonderfall betrachten: Anders als in den meisten anderen Industriestaaten liegt die Hoheit über die Infrastruktur in den USA nicht auf nationaler Ebene, sondern weitgehend bei den Bundesstaaten. Nur 25 Prozent der Ausgaben trägt die US-Regierung. Dieses Geld wird meist per Direktzahlung an die Bundesstaaten weitergereicht. Zur Finanzierung von Straßenbau und -instandhaltung führte Präsident Hoover 1932 die Benzinsteuer ein. Der Kongress hat die Benzinsteuer seit 1993 nicht erhöht. An dieses heiße Eisen traut sich im Autoland USA niemand ran, auch Biden nicht. Finanziert werden soll das Infrastrukturpaket nun zur Hälfte durch die Umschichtung bereits bewilligter Mittel. Die andere Hälfte soll unter anderem durch das Schließen von Steuerschlupflöchern und Public-Private-Partnerships aufgebracht werden. 



Die texanische Regierung hat sich derweil unter dem Eindruck des jüngsten Blackouts an die Regulierung ihres Strommarktes gewagt. Die Republikaner brachten ein Gesetz durch das Repräsentantenhaus von Texas, das Aufsichtsstrukturen, Berichtspflichten und Maßnahmen zum Schutz vor Witterungseinflüssen umfasst. Die Regulierungsbehörden dürfen nun festlegen, welche Teile der Gasinfrastruktur kritisch für die Stromproduktion sind und verlangen, dass sie gegen Kälteeinbrüche geschützt werden. Kritische Stimmen bemängeln, die Vorgaben würden nur für die Abschnitte gelten, die direkt mit den Kraftwerken verbunden seien, nicht aber für das gesamte System. Dan Cohan, Professor für Ingenieurswesen an der Rice University, sagt: „Wer die Direktverbindungen zu den Kraftwerken winterfest macht, wird später stromaufwärts zeigen und sagen: ‚Die anderen konnten uns nicht genug Gas liefern.‘“ Ihm falle es schwer, zu erkennen, wie die beschlossenen Maßnahmen volle Abdeckung beim nächsten „Big Freeze“ gewährleisten sollen.

Bis zur nächsten Stromkrise in Texas könnte es gar nicht mehr lange dauern. Der Sommer in dem ohnehin an Hitze gewöhnten Bundesstaat soll noch heißer und trockener werden als üblich. Wenn dann alle Hausbesitzer und Unternehmen die Klimaanlagen aufdrehen, sind Engpässe vorprogrammiert, warnen Fachleute. Curt Morgan, CEO des Stromanbieters Vistra Corp. sagt: „Diesen Sommer mache ich mir genauso große Sorgen um das Stromnetz wie im vergangenen Winter.“

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