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Infrastruktur:

Sicher ist sicher

Wie sicher und störungsfrei funktioniert die Strom- und Gasversorgung? Welche Herausforderungen kommen auf das Energiesystem zu?

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© Merle Schenker / BDEW

 

Weniger als elf Minuten – das war 2020 die durchschnittliche Stromausfallzeit pro Jahr und Endverbraucher in Deutschland. Eine neue Bestleistung, wie die Bundesnetzagentur feststellt: Demnach gab es 2019 die niedrigsten Ausfallzeiten seit Beginn der Erhebungen.

Allen Unkenrufen zum Trotz haben somit die Energiewende und der steigende Anteil dezentraler Erzeugungsleistung keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungsqualität und -sicherheit. Ausgezeichnet steht es in Deutschland auch um die Gasversorgung: Mit einer durchschnittlichen Ausfallzeit von lediglich einer Minute und fünf Sekunden pro Jahr und Verbraucher (im Jahr 2020) dürfte eine Vielzahl derer, die Gas beziehen, sogar keinerlei oder nur vernachlässige Versorgungslücken gespürt haben. Um diese Zahlen richtig einordnen zu können, hilft ein Blick auf die zugrundeliegenden Indexwerte. 



Das Zauberwort bei der Betrachtung der Versorgungssicherheit ist das Akronym „SAIDI“. Es steht für „System Average Interruption Duration Index“ und gibt die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung pro angeschlossenem Endverbraucher innerhalb eines Kalenderjahres an. Der Index kommt zustande durch Meldungen der Gas- und Stromnetzbetreiber. Sie melden der Bundesnetzagentur jährlich alle Versorgungsunterbrechungen, die länger als drei Minuten andauern. Die Berichte umfassen Zeitpunkt, Dauer, Ausmaß und Ursache der Unterbrechungen. Allerdings werden nur ungeplante Ereignisse berichtet, die auf atmosphärischen Ursachen, Einwirkungen Dritter und Rückwirkungsstörungen basieren sowie im Zuständigkeitsbereich der Netzbetreiber liegen. Fälle von höherer Gewalt, zum Beispiel Erdbeben oder andere Naturkatastrophen, werden standardmäßig nicht in den SAIDI aufgenommen.

Sichere Versorgung: So wird’s gemacht

Für Versorgungssicherheit gibt es eine Vielzahl von Erfolgsfaktoren, die alle ineinandergreifen müssen. Am Anfang stehen ausreichende Erzeugungskapazitäten, um den prognostizierten Energiekonsum überhaupt decken zu können. Die Strom- und Gasnetze wiederum müssen in der Lage sein, ihre Transportaufgaben störungsfrei zu erfüllen, was permanente Wartung und Erweiterung der Infrastrukturen bedeutet. Es braucht jedoch auch Regelungsmechanismen, damit die Netzstabilität sichergestellt wird, wenn Einspeisung und Verbrauch ungleichmäßig verteilt sind oder einzelne Leitungen ausfallen und „Umwege“ erforderlich werden. Um die Versorgungssicherheit auf dem aktuell sehr hohen Niveau zu halten, müssen zudem alle Flexibilitätspotenziale beispielsweise über Lastmanagement und Speicher gehoben werden. Zu guter Letzt wird IT-Sicherheit immer wichtiger: Netze und Energieanlagen müssen robust und resilient gegenüber Angriffen von außen und zugleich hochverfügbar sein.



Infrastrukturen spielen zentrale Rolle

Damit der SAIDI auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stabil bleibt oder im Idealfall noch weiter schrumpft, sind nicht nur innovative Technologien und permanentes Monitoring gefragt, sondern auch gewaltige Infrastruktur-Investitionen vonnöten. Bis 2030 werden rund 15 Millionen E-Fahrzeuge auf den Straßen erforderlich sein, damit die höheren Klimaziele erreicht werden können. Gerade die Einbindung der Ladeinfrastruktur in die Energienetze bedeutet eine große Herausforderung. Darüber hinaus rechnet die Branche mit Millionen neuer Wärmepumpen, die ebenfalls ans Stromnetz angeschlossen werden müssen. Laut der BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“ entsteht bis 2050 allein im Stromnetz ein Investitionsbedarf von 225 Milliarden Euro. Und in dieser Studie von 2019 sind die neuen, schärferen Klimaziele noch nicht berücksichtigt. 



Doch auch die Gasnetze bekommen eine neue Rolle im Energiesystem der Zukunft. Denn sie gestatten nicht nur den Transport von Gasen, sie können auch als flexibles Speichersystem und damit als „Joker“ der Sektorkopplung eingesetzt werden. Allein das deutsche Gasnetz ist beispielsweise in der Lage, 360 Terawattstunden Energie zu speichern – etwa ein Zehntel des jährlichen Primärenergieverbrauchs in Deutschland. 

Die Zahlen machen deutlich: Strom- und Gasnetze rücken unweigerlich ins Zentrum der energiepolitischen Debatte in Deutschland. Dabei geht es vor allem um Investitionen und klare Rahmenbedingungen. So macht Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, deutlich: „Eine Netzregulierung, die nur auf ,Kostendrücken‘ ausgerichtet ist, entzieht den Unternehmen die Mittel zur Bewältigung der Anforderungen durch die verschärften Klimaziele und den dafür notwendigen gewaltigen Infrastruktur-Investitionen.“



Und in einem Interview mit dem Deutschlandfunk fordert Georgios Stamatelopoulos, Vorstand Nachhaltige Erzeugungsstruktur bei EnBW Energie, mehr Planungssicherheit für Versorger und Betreiber: „Die Rahmenbedingungen sollen sich nicht jedes Jahr ändern oder novelliert werden, wie es leider bis jetzt der Fall war. Wer in Infrastrukturen für die kommenden 25 bis 30 Jahre investiert, der braucht einen stabilen Rahmen.“Mehr zu Infrastruktur

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