1.033 neue E-Busse für Deutschland – diesen Erfolg durfte Michael Theurer, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, auf der E-Buskonferenz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im März 2023 vermelden. Und er erntete Applaus: „Kaum eine Förderung ist zielgerichteter und treibt die Entwicklung im gesamten Verkehrssektor so effektiv voran wie dieses Förderprogramm des Bundes“, lobte VDV-Vizepräsident Werner Overkamp.
Bis 2030 soll nach dem Willen von Verkehrsminister Volker Wissing jeder zweite Stadtbus in Deutschland elektrisch fahren. Das Ziel ist ambitioniert: Im vergangenen Jahr ermittelte das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers (PwC), dass gerade einmal 3,5 Prozent der deutschen Busflotte emissionsfrei unterwegs seien.
Doch ab 2030 will die EU-Kommission nur noch CO2-freie Stadtbusse zulassen. Und bereits seit 2021 schreibt die Clean Vehicles Directive der EU einen Anteil von mindestens 45 Prozent sauberen Fahrzeugen an allen neu beschafften Bussen vor. Deutschland setzt die Richtlinie im „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“ um: Nach dessen Inkrafttreten warnte der Bundesrat, dass zum Erreichen der Mindestziele erhebliche finanzielle Mehraufwendungen auf Länder und Kommunen zukämen, vor allem für Aufgabenträger des ÖPNV. Ein dauerhafter Ausgleich dieser Mehrbelastungen sei dringend erforderlich. Denn andere Auswege, etwa steigende Fahrpreise oder ein schmaleres Verkehrsangebot, scheiden laut der EU-Richtlinie aus.
Nach zwei Jahren mit dem Gesetz zeigt die Praxis indes: Nicht jede Kommune kann sich heute den Umstieg auf E-Busse leisten. Denn neben neuen Fahrzeugen muss auch die nötige Infrastruktur her, Busfahrerinnen und Busfahrer brauchen Schulungen, Werkstätten müssen für die Wartung der e-Busse umgerüstet werden. Birgit Münster-Rendel von den Magdeburger Verkehrsbetrieben bedauerte im Februar 2023 gegenüber dem „Report Mainz“, bei der Förderung vom Bundesverkehrsministerium nicht berücksichtigt worden zu sein. Auch Boris Flesch von den Stadtwerken Kaiserslautern gibt sich pessimistisch: „Wir sind eine der höchstverschuldeten Kommunen pro Kopf und (…) Gelder dann zu nutzen, um batterieelektrische Fahrzeuge anzuschaffen, das sehe ich im Moment nicht. Das wird sehr schwierig.“
Auf Nachfrage sagt das Ministerium, der aktuelle Förderaufruf fokussiere „auf jene Verkehrsunternehmen und -dienstleister, die bisher keine oder kaum Flottenumstellungen auf alternative Antriebe vorgenommen haben. Zudem unterstützt die Förderung mit einem gesamtheitlichen und technologie-offenen Ansatz, was gerade diesen Kommunen hilft.“ Als weitere Chance verweist das Ministerium auf Beschaffungsallianzen, um durch höhere Stückzahlen von stärkeren Preisnachlässen zu profitieren. Mögliche Nutznießer dieser Rabatte seien kleinere Kommunen und Unternehmen.
Wo all das allerdings nicht weiterhilft: Zuständig für die Einhaltung der Mindestziele aus der EU-Richtlinie sind zuerst die Länder. Sie können festlegen, welche der betroffenen Auftraggeber tatsächlich die Mindestziele einhalten müssen, solange die Beschaffungsquote landesweit eingehalten wird. Auch mehrere Länder können ein gemeinsames Mindestziel bilden.
Emissionsarm Bus fahren – wie geht das?
Neben der politischen und organisatorischen Herausforderung rückt auch die technische Dimension immer stärker ins Blickfeld. Denn auf dem Weg zum emissionsfreien ÖPNV stehen verschiedene Antriebstechnologien zur Verfügung. Busse mit Elektroantrieb sind dabei eine von mehreren Möglichkeiten. 2022 waren deutschlandweit 1.847 E-Busse im Einsatz, davon waren 1.617 batteriebetrieben. In den Vorjahren hatte sich die Anzahl der jährlichen Neubeschaffungen von Batteriebussen jeweils knapp verdoppelt. Eher exotisch sind die bundesweit noch 85 vorhandenen Oberleitungsbusse, die in Eberswalde, Solingen und Esslingen am Neckar verkehren. Die wie eine Mischung aus Straßenbahn und Bus aussehenden Fahrzeuge sind zwar – beim Einsatz erneuerbar erzeugten Stroms – umweltfreundlich, gelten aber wegen der benötigten Infrastruktur in Form von Oberleitungen als relativ teuer.
Daneben gibt es weitere emissionsfreie Antriebstechnologien, die auf Wasserstoff setzen. Die aktuell größte Wasserstoffbus-Flotte Europas ist im Kölner Regionalverkehr unterwegs. Bis 2025 wird ihr Anteil an den insgesamt 352 Bussen des Unternehmens weiter wachsen: auf dann insgesamt 160 Brennstoffzellenbusse, womit die Regionalverkehr Köln GmbH für einen großen Teil des Verkehrsgebietes „bald flächendeckend (…) einen emissionsfreien ÖPNV“ anbieten kann, so Geschäftsführer Marcel Frank.
Eine weitere Lösung auf Wasserstoffbasis ist der sogenannte Brennstoffzellen-Range-Extender (BZ-REX), ein Batteriebus mit Brennstoffzelle und Wasserstoffspeicher: Im Laufe der Fahrt werden Wasserstoff und Luftsauerstoff in Strom umgewandelt, der die Busbatterie auflädt. Lade- und H₂-Tankinfrastruktur für den Einsatz von BZ-REX entsteht gerade am neuen Busbetriebshof in Heidelberg, wo in den kommenden Jahren Dieselfahrzeuge gegen neue E-Busse mit Wasserstoff-Brennstoffzellen ausgetauscht werden.
Wie das Ziel erreicht werden soll
Für ihren Umstieg können aktuell rund 250 Verkehrsunternehmen in Deutschland auf etwa 1,3 Milliarden Euro Fördermittel zurückgreifen, die das BMDV mit seiner Richtlinie bewilligt hat. Diesen Betrag bezeichnete der Branchenverband VDV 2021 als ausreichend, um bis 2024 die Clean Vehicles Directive der EU umzusetzen. Maximilian Rohs von der Beratungsfirma PwC glaubt, die Investitionsförderung in einer frühen Phase sei sinnvoll gewesen, um bei der Industrie einen Markthochlauf anzureizen.
Jetzt gehe es verstärkt darum, Betreiber beim Einsatz der Busse zu unterstützen. Laut der Studie des Unternehmens hatten die Betriebe vergangenes Jahr konkrete Pläne, bis 2030 8.500 E-Busse auf die Straße zu bringen. Insgesamt jedoch sind in Deutschland heute rund 80.000 sogenannte Kraftomnibusse unterwegs. Anders gesagt: Von einer zu 50 Prozent emissionsfreien Busflotte ist die Bundesrepublik derzeit weit entfernt.
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