Zero44: Wer im Chemie-Unterricht aufgepasst hat, erkennt womöglich am Namen des jungen Unternehmens schon, wofür es antritt. Denn wörtlich übersetzt bedeutet „zero44“ nichts anderes als „Null CO2“. „Wir haben CO2 einfach durch die molare Masse von Kohlenstoffdioxid ersetzt: also durch die Zahl, die uns sagt, wie schwer ein Mol dieses Stoffes ist. Und diese beträgt bei CO2 eben 44,01 Gramm pro Mol“, sagt Friederike Hesse. Für alle Chemie-Laien: Wenn es nach den GründerInnen von Zero44 geht, dann sollen die CO2-Emissionen von Schiffen reduziert werden. So weit wie möglich. Und im besten Fall auf null – also „zero“. Gemeinsam mit Nils Obermann hatte die 47-jährige Hesse im Jahr 2022 die Idee für das Start-up. Der Weg zu einer klimafreundlicheren Schifffahrt führt für die Unternehmensgründerin über eine digitale Lösung: Zero44 hat eine Software entwickelt, die Reedereien, Charterfirmen und Schiffsmanager dabei unterstützen soll, ihren CO2-Ausstoß zu senken.
Die Herausforderung
Die Idee für zero44 entstand gemeinsam mit Flagship Founders, einem Berliner Venture Studio, das sich auf die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen in der Schifffahrt spezialisiert hat. „Die Schifffahrt ist im Vergleich zu anderen Branchen noch nicht sehr weit mit der Digitalisierung. Und eine der größten und drängendsten Herausforderungen in unserem Sektor ist die Dekarbonisierung“, sagt Friederike Hesse, die zuvor als Chief Operating Officer für ein Immobilien-Start-up tätig war.
Es brauche neue Schiffstypen, neue nachhaltige Kraftstoffe, neue Technologien, damit die Schifffahrt CO2-neutral werden könne. „Aber nichts davon kann man von heute auf morgen umsetzen, das dauert alles oft Jahrzehnte. So viel Zeit haben wir nicht. Und da kommt Software ins Spiel.“ Mit digitalen Lösungen, davon ist Friederike Hesse überzeugt, könne man schon heute einiges bewirken und die Klimaverträglichkeit der Schifffahrt an vielen Stellen steigern.
Das Versprechen
„Konkret messen wir Schiffsemissionen mit unserer Software. Wir haben dafür ein Datenmodell entwickelt, mit dem sich Schiffsemissionen prognostizieren lassen und wir nutzen diese Daten, um die Prozesse durchzuführen, die durch neue verbindliche Vorschriften notwendig werden“, erklärt die studierte Volkswirtin. Zu diesen Regulierungen zählt zum Beispiel der sogenannte „Carbon Intensity Indicator“ – kurz CII. Dieser jährlich berechnete Wert wurde von der International Maritime Organisation (IMO) entwickelt.
Er setzt die Emissionen eines Schiffes in Bezug zur zurückgelegten Distanz und erstellt daraus ein Rating auf einer Skala von A bis E, ähnlich dem Energieeffizienzlabel von Kühlschränken. Damit will die IMO dazu beitragen, die CO2-Emissionen der Schifffahrt bis 2030 um 20 Prozent und bis 2050 sogar um 100 Prozent zu senken. „Neben dem CII stellt aber auch die bald gültige Ausweitung des EU-Emissionshandels auf die Schifffahrt eine Herausforderung dar“, erklärt Hesse.
Ab Januar 2024 müssen Reedereien unter anderem ihre Emissionen messen und melden sowie für die Reisen Emissionszertifikate beschaffen, an denen EU-Häfen beteiligt sind. Weitere Aufgaben, die sich daraus ergeben: die damit einhergehenden Kosten mit Vertragspartnern abrechnen, das eigene Geschäftsmodell angesichts der hohen CO2-Kosten hinterfragen und anpassen.
„Wir helfen der Schifffahrt, die kommerziellen und administrativen Herausforderungen zu bewältigen, die durch solche neuen Regulierungen im Bereich der Dekarbonisierung entstanden sind und noch entstehen werden“, sagt Hesse. In Bezug auf den Emissionszertifikate-Handel erzeugt die neue Software zum Beispiel EU-ETS-Abrechnungsperioden, verbucht die Zertifikate-Abrechnungen und unterstützt die Reedereien bei der Beschaffung der Zertifikate.
Der Reality-Check: Meilensteine und Hürden
Fünf Monate nach der Gründung brachte zero44 die CII-Software auf den Markt und erzielt damit seit Oktober 2022 Umsätze. Im Mai 2023 konnte das Jungunternehmen eine Finanzierungsrunde in Höhe von 2,5 Mio. Euro verkünden, an der sich unter anderem der Investor Atlantic Labs beteiligte, aber auch verschiedene Unternehmen und Business Angels aus der Schifffahrt.
„Das zeigt, dass unser mittlerweile 14-köpfiges Team und unser Geschäftsmodell am Markt Vertrauen genießen“, sagt Friederike Hesse. Dass es so gut läuft, ist für sie keine Selbstverständlichkeit: „Die Schifffahrt ist eine sehr alte Branche mit engen Netzwerken und spezifischen Geschäftsmodellen. Veränderung fällt hier nicht leicht, vor allem gibt es keine grundsätzliche Begeisterung für Digitalisierung oder Software.“
Mehr Zeit einzuplanen, um Vorbehalte abzubauen und von ihrer Lösung zu überzeugen sei ein wichtiges Learning seit der Veröffentlichung ihrer ersten Software-Lösung. „Wir sind aber optimistisch, dass viele Entscheidungen auf Unternehmensseite künftig schneller getroffen werden – denn der Start des EU-Emissionshandels im Januar nächsten Jahres wird den Druck so erhöhen, dass es gar nicht anders geht.“
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