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Fernwärme:

Wärmenetze für die Energiewende

In den Netzen liegt der Schlüssel zur Wärmewende in Haushalten und Betrieben. Fünf Kommunen zeigen, wie die Fernwärme helfen kann.

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© Robert Albrecht / BDEW

 

Im Zuge der Energiewende gehen Deutschlands Kohlekraftwerke spätestens bis 2038 vom Netz. An vielen Standorten wird neben Strom auch Wärme aus der Kohlestrom-Erzeugung für die Fernwärmeversorgung gewonnen. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern hat damit auch Auswirkungen auf die Wärmeversorgung, die schrittweise klimaneutral werden muss, damit die Klimaziele erreicht werden können. Was muss getan werden, damit die Wärmewende gelingt und die sichere Versorgung immer gewährleistet ist?

Verschiedene Wege versprechen Erfolg: Neben zunehmend grüner Fernwärme gehören dazu beispielsweise auch eine Steigerung der Sanierungsrate, Wärmepumpen und klimaneutrale Gase. Während die Versorgung weiterhin sichergestellt werden muss, gilt es, künftig Ressourcen zu schonen und dabei zugleich die Kosten im Blick zu behalten. Die Wärmewende ist eine Herkulesaufgabe – und die vorhandenen Infrastrukturen der Fernwärme- und Gasnetze spielen bei ihrer Lösung eine Schlüsselrolle: Nach ersten Zahlen stammten 17,4 Prozent der 2020 in Deutschland erzeugten Fernwärme aus Erneuerbaren Energien.

Im Gegensatz dazu liegt der Anteil der Erneuerbaren an der gesamten städtischen Wärmeversorgung – bezogen auf alle Heizungsarten – im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Damit erweist sich die Fernwärme mit ihrem 29.000 Kilometer langen Netz und 6 Mio. versorgten Haushalten als wichtiges Zugpferd der Wärmewende in deutschen Städten. Das zeigt sich bereits in vielen Kommunen. Zeit für eine Nahaufnahme.

Merseburg: Neue Fernwärmetrassen für den Klimaschutz

Westlich von Leipzig nutzen die Stadtwerke Merseburg eine lokale Besonderheit, die die Hälfte der Fernwärme im Netz klimaneutral macht: Denn dieser Anteil wird neuerdings nicht mehr im Kraftwerk hergestellt, sondern aus der Abwärme der Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage (TREA) im benachbarten Leuna bezogen. Dass die Stadtwerke ihre eigene Wärmeproduktion dadurch erheblich zurückfahren können, spart jährlich rund 80 Millionen Kilowattstunden Erdgas.

Das Rauchgas, das in der nahegelegenen thermischen Abfallverwertung entsteht, enthält Abwärme. Diese lässt sich dank eines neuen Reinigungskonzepts entnehmen und wird nun in das insgesamt 40 Kilometer lange Wärmenetz eingespeist. Für ihren Transport von Leuna nach Merseburg wurden zwei neue Fernwärmetrassen verlegt. Die Klimabilanz kann sich sehen lassen: Bis zu 16.000 Tonnen weniger CO2 fallen dank des neuen Konzepts im Jahr an. Neue Müllverbrennungsanlagen an alten Kraftwerksstandorten zu planen sorgt für Proteste, unter anderem gegen mögliche Gesundheitsschäden. Sofern man jedoch bestehende Anlagen weiterentwickelt, kann die Erzeugung von Wärme aus Abfall „ein wichtiger Eckpfeiler einer modernen und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft“ sein, sagt Dr. Hansjörg Roll, der bei der Betreiberfirma MVV Technikvorstand ist. 

Kiel: Leuchtend grünes Fernwärmewasser im Netz

Auf eine Zusammenarbeit mit dem ansässigen Müllverbrennungsunternehmen setzt man auch in Kiel. Die aus den Abfällen erzeugte Abwärme, die zur Hälfte klimaneutral ist, wird in das Fernwärmenetz eingespeist. Rund ein Fünftel des Kieler Fernwärmebedarfs  lässt sich damit decken, zusätzliche eigene Wärme erzeugen die Stadtwerke seit dem vergangenen Jahr in ihrem hochmodernen „Küstenkraftwerk“. 2024 soll zusätzlich Wärme aus der dann startenden Klärschlammverbrennung hinzukommen. Das bedeutet CO2-neutral erzeugte Fernwärme für weitere 4.000 Kieler Haushalte. Bis dahin bleiben Effizienzpotenziale zu heben. Eine innovative Idee aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt: In dem 373 Kilometer langen Wärmenetz fließt seit kurzem Fernwärmewasser in fluoreszierendem Grün.



Was giftig klingt, ist in Wahrheit schonend für Umwelt und Ressourcen: „Der Farbstoff ist gesundheitlich und wasserbiologisch unbedenklich. Durch die grüne Signalwirkung entdecken wir austretendes Heizwasser einfach schneller“, erklärt Sönke Schuster, Pressesprecher der Stadtwerke Kiel. Je schneller unentdeckte Leckagen im Rohrnetz aufgespürt werden, umso mehr Wasserverluste können die Stadtwerke Kiel verhindern – und müssen das ausgetretene Heizwasser nicht neu in den Kreislauf einbringen.

Kommunale Versorger in ganz Deutschland haben das Potenzial der Fernwärme erkannt. Sie entwickeln Ideen und investieren in Projekte, mit denen die netzgebundene Wärmeversorgung ehrgeizigen Klimazielen den Weg bereitet. So kann die Wärmewende gelingen – in der Stadt und auf dem Land, in Leipzig und in der Lausitz.

Lausitzer Interessengemeinschaft: Den Wandel gemeinsam schaffen

Die Lausitz ist Energieregion: Seit etwa hundert Jahren wird nahe der deutsch-polnischen Grenze Braunkohle gefördert. Wie soll hier die Fernwärmeversorgung künftig klimaneutral gelingen, wie kann sie ohne die Kohlekraftwerke weiter wirtschaftlich bleiben? Das wollen die Stadtwerke Weißwasser (SWW) in einer Interessengemeinschaft mit den Versorgungsunternehmen von Hoyerswerda und Spremberg herausfinden. Dass das Heizen bezahlbar bleibt, ist nach den Worten von SWW-Geschäftsführerin Katrin Bartsch zentral: „Wir befinden uns in einer Region mit einem hohen Bevölkerungsanteil im Niedriglohnsektor.“

Nachdem zur Wendezeit schon einmal radikal Arbeitsplätze abgebaut wurden, solle die Lausitz auch nach der Kohle „eine Energieregion bleiben“. Die Bevölkerung müsse weiter an der Wertschöpfung teilhaben. Man brauche qualifizierte Arbeitskräfte, um die Energieerzeugung, Speicherung und Verteilungsstruktur neu aufzusetzen. Aus Sicht von Bartsch ist das auch für die demografische Entwicklung eine Chance. 

Zunächst erheben die drei Kommunen bis 2023 in einer Transformationsstudie den Ist-Zustand sowie zu erwartende Verbräuche. So soll die künftige Wärmeversorgung Form annehmen – bis hin zu einem gemeinsamen Umsetzungsprogramm für die Energieregion Lausitz. Auch vor 2038 sei die Abschaltung theoretisch möglich, sagt die Stadtwerkschefin aus Weißwasser, und der Bau eines neuen Kraftwerks nehme vier bis fünf Jahre in Anspruch. In Spremberg beginnt man gerade mit der Arbeit: Das dort geplante „Referenzkraftwerk Lausitz“, ein Speicherkraftwerk auf Wasserstoff-Basis, hat eine Förderzusage in Millionenhöhe erhalten und soll 2025 in Betrieb gehen.

Zunächst entsteht am Standort des heutigen Kohlekraftwerks Schwarze Pumpe eine Musteranlage mit einer Leistung von zehn Megawatt. In ihr will man Schlüsseltechnologien erproben. Bis 2030 soll die Leistung auf 100 Megawatt erhöht werden. Die 2.500 Arbeitsplätze, die Spremberg mit dem Kohleausstieg verliert, ersetzt das Referenzkraftwerk nicht. Doch soll es „hochskaliert werden auf die gesamte Lausitz, so dass man wieder eine nennenswerte Energieversorgung hat“, sagte Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier gegenüber der Zeitschrift Cicero. Was die Verantwortlichen in Spremberg lernen, soll später beim Bau größerer Kraftwerke helfen, die andernorts in der Region das fossile Zeitalter ablösen.

Hanau wird unabhängig: Kohleausstieg bis spätestens 2025 

Noch entsteht an 55 Standorten in Deutschland Fernwärme aus Kohleverstromung, hat das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg ermittelt. Einer davon ist das Kraftwerk Staudinger im hessischen Großkrotzenburg: Hier wurde zuletzt im Schnitt ein Drittel der Fernwärme gewonnen, die im 71 Kilometer langen Fernwärmenetz der Stadtwerke Hanau fließt. Doch spätestens Ende 2025 soll mit der Kohle Schluss sein. Für die Zeit danach planen die Stadtwerke Hanau ein eigenes erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk auf einem ehemaligen Kasernengebiet. Pünktlich zum Auslaufen des Vertrages über die Wärmelieferung aus dem Kraftwerk Staudinger Ende 2024 sollen bis zu dreimal zehn Megawatt Leistung über hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung installiert werden, außerdem sind zwei Kessel mit jeweils acht Megawatt Leistung als Reserve geplant.

Die neue Anlage könnte drei Viertel der benötigten Wärmeleistung erzeugen, den Rest erledigen zwei Reservekraftwerke der Stadtwerke. Eine weitere Perspektive: Künftig könnte Abwärme aus einem Rechenzentrum ins Netz aufgenommen werden, das gerade in der Nähe geplant wird. Zusammen mit der Mainova, einem Mitgesellschafter und strategischen Partner der Stadtwerke, will man eine Kooperation eingehen. Die Gesellschaft könnte neben Wärme weitere energienahe Dienstleistungen anbieten, etwa den Zubau von Photovoltaik, Kältebereitstellung und Wasserstofferzeugung. Auf die Ausgestaltung der Wärmeversorgung sei auf diese Weise wesentlich mehr Einfluss möglich als im Rahmen eines reinen, langlaufenden Liefervertrages mit einem externen Anbieter, betont Stadtwerke-Geschäftsführerin Martina Butz. 

Leipzigs Investment in nachhaltige Fernwärmeversorgung

Die Wärmewende ist eine Herausforderung – und eine Chance: Im Wärmesektor liegt einer der größten Hebel für Klimaneutralität bis 2050. Anders als bei der Stromversorgung sind viele Kommunen und Stadtteile noch nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen. Das ändert sich in Leipzig: Fernwärme-Trassen werden ausgebaut und verdichtet, gerade wird der Stadtteil Plagwitz ans Wärmenetz angeschlossen. Von den Wärmelieferungen, die die Leipziger Stadtwerke aus dem Braunkohle-Kraftwerk Lippendorf beziehen, wollen sie Ende 2022 unabhängig werden.

Dazu bauen sie ein neues Gasheizkraftwerk auf dem Gelände des einstigen Ernst-Thälmann-Kraftwerks: Sie selbst nennen es „das sauberste Gaskraftwerk der Welt“. Der Ausstoß von Stickstoffoxid und Kohlenmonoxid sei minimal dank der Kombination aus zwei Gasturbinen samt modernster Brennertechnologie und Heißwassererzeugern plus dazugehöriger Katalysatoren. Das Kraftwerk „garantiert kaum messbare Luftschadstoffe, die weit unter dem Niveau der gesetzlich zulässigen Grenzwerte liegen“, informieren die Stadtwerke. Erdgas sei dabei nur eine Übergangstechnologie, sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Grundsteinlegung Ende 2020. „Das HKW Süd ist grundsätzlich auch in der Lage, mit nicht-fossilen Energieträgern Strom und Wärme zu erzeugen.“ Von Anfang an könnten die Siemens-Gasturbinen – ihre Leistung beträgt jeweils 62 Megawatt – hohe Anteile von grünem Wasserstoff verbrennen, erklärt der Betreiber.

Dieser wird per Elektrolyse aus Wind- oder Solarstrom gewonnen. So werde es in Zukunft möglich sein, die Strom- und Wärmeerzeugung vollständig auf erneuerbare Technologien umzustellen. Auch ein Wärmespeicher soll auf dem Gelände gebaut werden, der die im Kraftwerk produzierte thermische Energie aufnimmt und etwa an kalten Wintertagen ins Netz einspeist. 300 Millionen Euro investiert Leipzig ins Zukunftskonzept Fernwärme, dabei spielen auch die künftigen Fernwärmepreise eine Rolle: „Unsere Investitionen bewirken, dass unser Einfluss auf den Preis steigt und wir unseren Kunden auch in Zukunft eine sichere und bezahlbare Wärmeversorgung zur Verfügung stellen können“, so Maik Piehler von den Leipziger Stadtwerken.  

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