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Interview Karsten Schwanke:

„Niemand kann den Klimawandel leugnen“

Im Gespräch mit dem TV-Meteorologen Karsten Schwanke.

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© Daria Fürst/BDEW

Herr Schwanke, Sie erklären den TV-Zuschauern seit 25 Jahren das Wetter. Gab es irgendwann einen Moment, an dem Sie das erste Mal gemerkt haben, hier läuft was schief? Hier kommt der Klimawandel wirklich jetzt näher? 
Es gab immer wieder solche Momente, aber die haben sich in den letzten zehn Jahren massiv gehäuft. Besonders in Erinnerung bleiben mir die Sturzfluten in Braunsbach (Baden-Württemberg) und Simbach am Inn (Niederbayern) im Mai und Juni 2016. Dort sahen wir eine stehende Wetterlage, in der der sich über mehrere Wochen jeden Tag immer wieder kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial gebildet haben. Dann kam natürlich 2018: Das Jahr hat für uns Meteorologen wirklich einiges verändert, denn wir haben dort zum ersten Mal eine komplette Umstellung der Großwetterlage auf der Nordhalbkugel gesehen – eine sechs Monate lange, nahezu ununterbrochene Hochdruckwetterlage. Ich hätte im Vorfeld nie gedacht, dass wir eine solche Umstellung der Großwetterlage über so einen langen Zeitraum bereits bei einer weltweiten Erwärmung von gerade mal einem Grad bekommen. Das war wirklich ein großes Achtungszeichen. Ganz klar: Der Klimawandel ist da, das kann niemand leugnen.

Kann man einen generellen Trend sehen zu speziellen Wetterereignissen, die jetzt deutlich zugenommen oder abgenommen haben?
Auf der globalen Ebene nimmt der Energiegehalt von tropischen Wirbelstürmen radikal und deutlich messbar zu. Und hier, in Deutschland, sehen wir in jedem Fall eine Zunahme von Dürreereignissen im Sommer, die gleich durch zwei Dinge befeuert werden: geringe Niederschläge bei gleichzeitig höheren Temperaturen. Während sich weltweit die Temperatur in den letzten 80 Jahren um etwa 0,8 Grad erhöht hat, sind bei uns in Deutschland die Höchsttemperaturen, also sozusagen die Temperaturen an den heißesten Tagen, von den 1960er Jahren bis heute um 4 Grad angestiegen. Außerdem nehmen Starkregenereignisse deutlich zu. 

Welche Regionen in Deutschland müssen künftig mit welchen Wetterereignissen rechnen? 
Wir haben zunächst einmal in allen Regionen eine weitere Zunahme der Temperatur. Und damit für alle Regionen eine Zunahme von Hitzeereignissen, das kann man pauschal sagen. Gleichwohl wird es natürlich im Südwesten Deutschlands deutlich höhere Temperaturen und deutlich längere Hitzeperioden geben als im Norden.



Außerdem werden wir deutschlandweit insgesamt eine Zunahme der Jahresniederschläge sehen, im Norden stärker als im Süden. Diese Niederschläge verteilen sich jedoch nicht gleichmäßig über das Jahr, sondern sie werden zunehmend vor allem im Winterhalbjahr fallen. Damit einhergehend sehen wir also eine Zunahme von winterlichen Hochwasserlagen. Im Sommerhalbjahr müssen wir mit einer Zunahme von lokalen Starkregenereignissen rechnen, aber insgesamt mit weniger Regen.

Wenn also im Sommer nicht nur die Temperaturen steigen, sondern auch noch weniger Niederschlag fällt, dann wird es eine Verstärkung von Dürreperioden geben. Das betrifft vor allem den Süden und den Osten, in dem es ja jetzt schon sehr trocken ist. Weiterhin müssen wir mit größeren Veränderungen beim Grundwasserspiegel rechnen. Ich erinnere da an das Niedrigwasser am Rhein im Jahr 2018 – was nicht nur für die Schifffahrt, sondern auch für die Industrie ein Problem darstellte – Stichwort Kühlwasser. Nicht zu vergessen das Waldsterben: Laut dem letzten Waldschadensbericht von 2020 sind hierzulande 80 Prozent der Bäume krank oder tot. Das wird aufgrund der zunehmenden Hitze nicht besser. 

Wie sind Szenarien für Stadt und Land, mit dem sich ändernden Klima umzugehen?
Wir müssen uns ganz generell dringend um Anpassungsstrategien kümmern, hier haben wir in den vergangenen 30 Jahren viel zu wenig getan. Für die Städte wären die so genannten „Schwammstädte“ ein mögliches Konzept: Wir müssen unsere Städte befähigen, die stärkeren Winterniederschläge zu speichern wie ein Schwamm, damit wir sie im Sommer abgeben können. Zum Herunterkühlen der Städte sind unsere Parkanlagen und unser Stadtgrün essenziell – wir werden sie zunehmend aktiv bewässern müssen. Dafür brauchen wir Zisternen oder Speicherseen, damit wir nicht das wertvolle Trinkwasser aus der Leitung dafür verschwenden. 

An der Küsten geht es um das Thema Hochwasserschutz und auf dem Land um Forst- und Landwirtschaft: Zum einen müssen wir uns dringend um den Erhalt unserer Wälder kümmern und uns fragen, welche Baumarten den galoppierenden Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten überhaupt mitmachen und uns darauf einstellen. Auch in der Landwirtschaft müssen wir uns Gedanken machen, welche Kulturpflanzen dem veränderten Klima standhalten können und gegebenenfalls auch über neue Kulturen nachdenken.



Und: Ich befürworte die Wiedervernässung alter, trockengelegter Moorflächen, die aktuell der Landwirtschaft dienen. Das wäre einer der größten Hebel dafür, die Treibhausgasemissionen aus unseren Böden stark zu verringern. Natürlich muss es an dieser Stelle Ausgleichszahlungen für die Landwirte geben, aber das wäre eine Art und Weise, aktiven Klimaschutz zu betreiben. 

Was entgegnen Sie Menschen, die den Klimawandel leugnen? 
Da muss man differenzieren. Es gibt sicherlich die „Hardcore-Leugner“, die haben ihre Agenda und die erreicht man nicht mehr. Aber die große Masse der Menschen ist einfach verunsichert und hat Angst vor Veränderungen oder davor, dass ihnen etwas weggenommen wird. Mit diesen Menschen muss man reden. Man muss ihre Ängste wahrnehmen und ernstnehmen – und das funktioniert am besten, wenn man zum einen wirklich faktenbasiert aufzeigt, was wir heute schon sehen und wohin das führt.



Auf der anderen Seite müssen wir auf der Angebotsseite besser werden, und da ist die Politik gefragt: Wir brauchen ein besseres, ein schnelleres, ein sauberes und ein günstiges Nahverkehrssystem. Sie erinnern sich: Als die ICE-Schnellstrecke zwischen Hamburg und Berlin eröffnet wurde, war das ein voller Erfolg. Die Lufthansa hat den Flugverkehr zwischen beiden Städten eingestellt – und niemand hat das als Verbot oder Verlust empfunden, im Gegenteil. Wir brauchen mehr solcher Projekte, die zeigen: Energiewende kann auch ein Plus an Lebensqualität bieten.

Herr Schwanke, vielen Dank für das Gespräch.

Karsten Schwanke... 

...geboren 1967 in Ziesar, ist Diplom-Meteorologe und seit 1995 Moderator, Journalist und Meteorologe für zahlreiche Medien und TV-Sender.

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