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LNG: Eine Brücke in die Energiezukunft

Deutschland muss sich von seiner Abhängigkeit von Rohstoffen aus Russland lösen. Ein Mittel dazu: LNG-Terminals. 

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© Daria Fürst / BDEW

 

Wilhelmshaven, Voslapper Groden: Der Stadtteil am Wasser ist ein Ort der Gegensätze. Einerseits findet man hier Chemiewerk und Raffinerie, in der Ferne sind die Kräne des JadeWeserPorts zu erkennen. Andererseits hat sich hier auf zwei nicht vermarkteten Industrie-Arealen eine solche Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten entwickelt, dass die Flächen seit rund 15 Jahren unter Naturschutz stehen – zur Freude von Rohrdommel, Wasserralle und Schilfrohrsänger. 

Und noch eins macht den Voslapper Groden im Jahr 2022 interessant: Schon vor Jahren wurde hier die Errichtung eines Anlande-Terminals für verflüssigtes Erdgas ins Auge gefasst, für „Liquefied Natural Gas“, kurz LNG. Bis vor kurzem erschien eine Realisierung der Anlage in weite Ferne gerückt. Doch angesichts der politischen Weltlage hat sich die Situation gravierend geändert. Der Voslapper Groden ist zum Hoffnungsträger geworden für die nähere Zukunft der deutschen Energieversorgung. Schon im Lauf des nächsten Winters soll mit Tankern angeliefertes Erdgas von Wilhelmshaven aus ins deutsche Gasnetz eingespeist werden. 

Mit dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine ist eine verhängnisvolle Abhängigkeit ins Blickfeld gerückt: Deutschland bezieht weite Teile seines Erdgases über Pipelines – und über die Hälfte davon kommt seit vielen Jahren aus Russland. 2020 waren es rund 55 Prozent. 

Abhängigkeit von Russland beenden

Zwar ist es laut Bundeswirtschaftsministerium seit dem Beginn des Krieges gelungen, den Anteil russischen Gases auf etwa 35 Prozent zu drücken. Doch damit befindet sich das Land immer noch in großer Abhängigkeit vom Aggressor im Osten. Dies wird besonders deutlich, seitdem Russland seinerseits begonnen hat, die Liefermengen zu drosseln. 

Insgesamt vier neue Terminals für den Import von flüssigem Erdgas nach Deutschland sollen das Land unabhängig von Russland machen. Neben dem Terminal in Wilhelmshaven wird das zweite in Brunsbüttel entstehen. Als weitere Standorte sind Stade, Hamburg-Moorburg, Rostock, Lubmin und Eemshaven in den Niederlanden in der Diskussion. „Wir müssen heute mehr denn je unsere Energieversorgung auf robustere Säulen stellen“, beschrieb Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Lage kürzlich auf einer Länderreise in Sachsen-Anhalt. 

Dabei unterscheidet sich per Schiff geliefertes LNG erst einmal nur durch seinen Aggregatszustand von Erdgas aus der Pipeline:  Das Gas ist flüssig, weil es auf unter minus 160 Grad Celsius heruntergekühlt wurde. Damit verringert sich sein Volumen um den Faktor 600, was einen Transport per Tankschiff interessant und wirtschaftlich macht. LNG wird nicht in jedem Falle durch umweltschädliches Fracking gewonnen. So wird aus Katar per Tanker geliefertes LNG konventionell gefördert, so wie zum Beispiel in Russland auch. Allerdings will die Bundesregierung den Import von Fracking-Gas nicht kategorisch ausschließen – erst einmal gilt es, eine sichere Versorgung zu gewährleisten. 

In der Umweltbilanz ist allerdings auch konventionell gefördertes Gas aus dem Tanker solchem aus der Pipeline unterlegen – die Kühlung auf die sehr tiefe Temperatur schluckt einiges an Energie. Außerdem ist LNG teurer als das Gas aus der Leitung. So soll LNG vor allem die Zeit überbrücken, bis genug Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht, um die russischen Gaslieferungen zu ersetzen.

LNG: Genehmigungsprozesse vereinfacht

Um hier schnell zu Ergebnissen zu kommen, hat die Politik einiges in Bewegung gesetzt. So gab das Bundesfinanzministerium für den Import von LNG insgesamt 2,94 Milliarden Euro frei, verteilt auf die Jahre 2022 bis 2032. Außerdem wurde Mitte Mai im Eiltempo ein Gesetz verabschiedet, das die Genehmigungsprozesse für die Terminals vereinfacht und im Wesentlichen auf die EU-Mindeststandards absenkt. So ist für die Projekte zum Beispiel keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr nötig. Auslegungs- und Einwendungsfristen wurden verkürzt. Begründet wurde das mit der überragenden Bedeutung einer sicheren Energieversorgung.
Sogar schon vorher sind in Wilhelmshaven die Arbeiten für das neue LNG-Terminal gestartet.

Am 5. Mai wurde mit dem ersten Rammschlag damit begonnen, den ersten von 150 Stahlpfählen im Meeresgrund vor dem Voslapper Groden zu verankern, die für den Anleger einer so genannten „Floating Storage and Regasification Unit“ FSRU benötigt werden. Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um ein großes Schiff, das über die Technik verfügt, um flüssiges Erdgas von Tankschiffen zu übernehmen, wieder in gasförmigen Zustand zu versetzen und ins Gasnetz einzuspeisen. Solche FSRUs sind fertig aufgebaut auf dem Weltmarkt verfügbar – was wiederum erklärt, dass die Anlage in Wilhelmshaven so schnell betriebsbereit sein soll. Der Bundesregierung ist es gelungen, je zwei FSRU von der norwegischen Reederei Höegh und dem griechischen Anbieter Dynagas zu mieten. 

Uniper und RWE übernehmen LNG-Betrieb

Die zweite Höegh-Einheit soll Anfang 2023 in Brunsbüttel stationiert werden, die Standorte für die Dynagas-Anlagen werden im Moment noch gesucht. In Wilhelmshaven geht es jetzt neben dem Bau des Anliegers noch darum, den Standort an das deutsche Erdgasnetz anzuschließen. 28 Kilometer sind dafür zu überbrücken, das Unternehmen Open Grid Europe wird die nötige Zuleitung bauen. 

Den Betrieb der FSRU sollen dann Uniper und RWE übernehmen, die der Politik schon bei den Anmietungen geholfen haben. „Damit unterstützt das Unternehmen die Bundesregierung dabei, die Versorgungssicherheit in Deutschland kurzfristig zu stärken und sich so schnell wie möglich aus einer einseitigen Energie-Abhängigkeit zu lösen. Schon ab dem nächsten Jahr wird es somit möglich sein, einen Teil des russischen Gases zu ersetzen“, sagt Andree Stracke, Vorsitzender der Geschäftsführung der RWE Supply & Trading. Uniper-CEO Klaus-Dieter Maubach sagt Ähnliches: „Unser Standort in Wilhelmshaven und die FSRUs von Höegh werden einen wichtigen Baustein für eine stärkere Diversifizierung der Erdgasversorgung liefern.“ Das eigene Investment in Wilhelmshaven beziffert Uniper auf 65 Millionen Euro. 

Von LNG zu grünem Wasserstoff

Bis 2025 will Uniper das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven um dauerhafte Anlagen an Land ergänzen. Denn die Infrastruktur, die gerade für die Anlandung und den Weitertransport von flüssigem Erdgas entsteht, wird sich in Zukunft auch für das Handling von grünem Wasserstoff nutzen lassen. So kann LNG nicht nur Notlösung für wegfallende Liefermengen von Erdgas aus Russland sein, sondern eine echte Brückentechnologie hin zur Energiewende. Das Investment von Politik und Wirtschaft für die Neustrukturierung der Versorgung von Deutschland mit Erdgas könnte zumindest zum Teil zum Beschleuniger des Übergangs zu einer Wasserstoff-Wirtschaft werden. 



Den handelnden Personen ist das sehr bewusst: „Wir gehen heute nicht nur die ersten Schritte raus aus der Abhängigkeit von russischen Lieferungen“, so Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) am 5. Mai, „Wir gehen parallel auch die ersten großen Schritte hin zu einer sauberen und unabhängigen Energieversorgung.“ Und Robert Habeck ergänzt: „Umso mehr freue ich mich, dass im Land Niedersachsen so zahlreiche Projekte zum Ausbau der Erneuerbaren und dem Import von Wasserstoff entwickelt werden. Nur wenn wir dies neben dem Ausbau von Infrastruktur von LNG mitdenken, kann Versorgungssicherheit nachhaltig gewährleistet werden.“

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