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Fernwärme:

Von der Quelle zum Verbraucher

Wie funktioniert Fernwärme? Wir gehen einer Technologie auf den Grund, die zum Schlüssel eines klimaneutralen Wärmesektors werden könnte.

Illustration Fernwärme und Fernwärmenetz

© Robert Albrecht / BDEW

 

In der eigenständigen Stadt Charlottenburg an der Spree stehen im Jahr 1900 alle Zeichen auf Fortschritt. Die Stadt wetteifert mit dem benachbarten Berlin: Nachhaltig, lebenswert und modern will sie sein – für wohlhabende Bevölkerungsgruppen und industrielle Betriebe. So braucht etwa die elektrische Straßenbahn eine zuverlässige Stromversorgung, und die Stadt dafür ein eigenes Kraftwerk. Dieses kann bald mehr als nur Strom erzeugen: Ab 1911 versorgt es das Rathaus über eine 800 Meter lange Leitung auch mit Wärme. Damit gilt das Heizkraftwerk Charlottenburg in Deutschland als Pionierbetrieb der Fernwärme.

Die Methode, thermische Energie durch Rohrleitungen zu Gebäuden zu transportieren, hat seitdem nicht an Aktualität verloren: Heute gilt Fernwärme neben Wärmepumpen als zentrale Heiztechnologie in der Wärmewende. 2023 wurden 26,1 Prozent aller fertiggestellten Wohnungen an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Im Wohnungsbestand liegt die Technologie nach Gas- und Ölheizungen auf dem dritten Platz.

Fernwärme: Ein in sich geschlossener Kreislauf

Für die Wärmewende ist die Technologie besonders interessant. Erzeugen lässt sie sich mit verschiedenen Brennstoffen: heute oft noch Öl oder Kohle und, so seit 2001 auch in Charlottenburg, Erdgas. Diese Energieträger werden in Heizkraftwerken verbrannt, aber auch in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Hier werden gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt. Für klimaneutrale Fernwärme kommen auch Biomasse, Geo- und Solarthermie infrage. Außerdem lässt sich die Abwärme aus industriellen Prozessen oder Rechenzentren nutzen. Auch Großwärmepumpen an Oberflächengewässern oder in Zusammenhang mit der Abwasseraufbereitung sind geeignete Technologien.

Transportiert wird die Wärme durch ober- und unterirdische Leitungen in Form von heißem Wasser, aber auch von Dampf. Am Hausanschluss überträgt ein Wärmetauscher die Wärmeenergie aus dem heißen Wasser an die Raumheizkörper. Nachdem das heiße Wasser genutzt wurde, fließt das abgekühlte Wasser wieder zurück zum Heizkraftwerk, wo es erneut erhitzt wird.

Das Wasser kann nicht zuletzt in Zukunft auch mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien erwärmt werden. Diesen Weg hat man im Heizkraftwerk Berlin-Charlottenburg eingeschlagen. Hier entsteht eine sogenannte „Power-to-Heat“-Anlage. Wenn der Wind besonders stark weht oder die Sonne intensiv scheint, wird häufig mehr Strom erzeugt als benötigt. Windräder und Co. werden in solchen Situationen mitunter abgestellt, denn allzu große Mengen Grünstrom können das Stromnetz überlasten. Power-to-Heat-Anlagen bieten indes einen Weg, die gewonnene Energie anderweitig zu nutzen: um Wärme zu erzeugen. Auf diese Weise lässt sich der Gasverbrauch reduzieren – gut für die Klimabilanz.  

Zudem ist in Charlottenburg aktuell eine hocheffiziente, gasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlage in Arbeit. Eines Tages soll Wasserstoff das Gas ersetzen. Doch der Weg ist weit, denn während der Umbauarbeiten muss die Wärmeversorgung sichergestellt und gleichzeitig Strom erzeugt werden.

Auch wenn der Begriff „Fernwärme“ Entfernung suggeriert, ist räumliche Nähe ein entscheidender Faktor: Auf weiten Distanzen entstehen Verluste, sodass Fernwärme möglichst im Umkreis der Erzeugung genutzt werden muss. Ein Netz ist deshalb in sich geschlossen und lokal begrenzt. Der jeweilige Betreiber wird dadurch zum natürlichen Monopolisten. Dass Fernwärmepreise zwischen unterschiedlichen Regionen variieren, liegt an den Besonderheiten vor Ort: Je nach Netz werden unterschiedliche Energieträger und Erzeugungstechnologien verwendet – das bedeutet unterschiedliche Kosten für die Versorger. Außerdem sind die Netze unterschiedlich alt, unterschiedlich lang und mit den jeweiligen geografischen Gegebenheiten am Ort konfrontiert.

Öffentliche Debatte – und viele Chancen

Wie die Preise für Fernwärme gestaltet werden, darüber wird diskutiert, seit manche Versorger infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine ihre Preise 2023 anheben mussten. Versorger, die Erdgas für die Fernwärmeerzeugung nutzen, mussten Gas zu hohen Preise im Großhandel beziehen. Diese Kosten schlugen sich auf die Fernwärmepreise nieder.



Trotz dieser Kritikpunkte liegen die Chancen auf der Hand: Wie eine Studie der Agora Energiewende ergab, hat die Fernwärme das Zeug dazu, in Deutschland bis 2045 rund ein Drittel aller Wohnungen klimaneutral zu beheizen. Wer mit einem Anschluss rechnen kann, darüber soll dem Wärmeplanungsgesetz (WPG) nach die kommunale Wärmeplanung informieren.

Die Fernwärme selbst soll schon bis 2030 zur Hälfte klimaneutral erzeugt werden. Daran arbeiten die Versorger mit Hochdruck. Unter anderem wollen sie mit einer Preistransparenzplattform informieren, und damit bei Verbraucherinnen und Verbrauchern weiter um Akzeptanz werben. Das Potenzial der Technologie ist bis heute riesig – auch 113 Jahre nach ihrer Ersteinführung in Charlottenburg.

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