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Lernen von der Natur:

Lösungen für die Energiewirtschaft

Die Bionik nimmt sich die Natur zum Vorbild. Kann die Energiewirtschaft davon profitieren?     

Icons Bionik in der Energiewirtschaft

© Robert Albrecht / BDEW

 

Die Natur diente schon Otto Lilienthal als Vorbild. Er studierte Störche, um seine Flugobjekte zu bauen und gilt heute als Pionier der Luftfahrt. Das Abschauen von der Natur ist inzwischen eine eigene Wissenschaft: die Bionik. Der Begriff ist aus den Wörtern Biologie und Technik zusammengesetzt. Bioniker nutzen Eigenschaften von Tieren und Pflanzen, um innovative Lösungen zu finden, die unser Leben verbessern und erleichtern. Welche Phänomene aus der Natur kann die Energiewirtschaft nutzen? Wir stellen sechs Beispiele vor.

Schleiereule

Eine Schleiereule schwingt fast lautlos durch die Nacht. So kann sie sich unbemerkt ihrer Beute nähern. Den leisen Flug macht eine spezielle Fächerstruktur der Federn möglich, die Schleiereulen ständig neu ausrichten können. Diese Struktur machen sich Hersteller von Windrädern zunutze, damit sie leiser werden. Das Design der Rotorblätter ist entsprechend verändert worden. An den Hinterkanten sind nun dünne, gezackte Bauteile ergänzt, Serrations genannt. Durch diese Auffächerung vermindert sich der sogenannte Hinterkantenschall. Er entsteht, wenn die Luftströmung über die Kanten abfließt. Dank der Schleiereule wird dieser Schall um 1,5 bis vier Dezibel geringer. Verglichen mit dem Geräuschpegel einer durchschnittlich befahrenen Straße würde dies eine Halbierung des Pegels bedeuten.

Schmetterlinge

Die „Gewöhnliche Rose“, in der Fachsprache Pachliopta aristolochiae, ist ein Schmetterling mit einer besonderen Eigenschaft. Er kann die Strahlen der Sonne fast völlig absorbieren: durch das tiefe Schwarz seiner Flügel. Absorption ist auch für Photovoltaikanlagen wichtig, um Strom zu produzieren. Denn je höher die Absorption, desto effizienter die Solarzelle. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nahmen deshalb die Flügel des Schmetterlings unter die Lupe. Ihre schwarze Färbung kommt von der Oberfläche. Sie hat Löcher mit einem Durchmesser von einigen Millionstel Millimetern. Diese Nanostruktur sorgt für die phänomenale Absorptionsrate. Die Forscher übertrugen die Struktur auf eine Dünnschichtsolarzelle und veränderten im nächsten Schritt per Computersimulation die Lochgrößen. Ein Mix aus Löchern mit Durchmessern zwischen 133 bis 343 Nanometern brachte die besten Ergebnisse. Photovoltaikanlagen könnten so viel effizienter werden.  

Muscheln

Im Indopazifik leben Riesenmuscheln in den Korallenriffen, die Sonnenlicht viel besser verarbeiten als jede Solaranlage. Wie machen sie das? Durch eine perfekte Symbiose. Im Inneren der Muschel gedeihen Algen, die ihr als Nahrung dienen. Die Muschel absorbiert durch ihr leuchtend blaues Fleisch das einfallende Sonnenlicht zu 95, nur fünf Prozent werden wieder reflektiert. Das Licht wird an die Algen weitergeleitet, die damit Photosynthese betreiben. Sie sind besonders effizient, weil sie in dünnen kleinen Reihen angeordnet sind. Forschende sind davon fasziniert. Ihre Vision: Algen-betriebene Bioreaktoren als Alternative zu Solaranlagen. Und Biokraftstoffe aus Algen produzieren. Bei optimaler Sonneneinstrahlung könnte ein Hektar Algen 60.000 Liter Brennstoff liefern.

Haifisch

Von der Natur lernen und CO2 sparen: Die außergewöhnliche Haut von Haien dient der Luftfahrt als Vorbild, um den Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Wie im Wasser geht es auch in der Luft darum, den Reibungswiderstand zu verringern. Der Hai ist ein Meister darin. Die Schuppen seiner Haut dienten als Modell, um eine neue Folie für Flugzeuge zu entwickeln: AeroSHARK. Sie wird außen auf Rumpf und Triebwerksgondeln geklebt. Ihre mikrometerkleinen, schuppenartigen Vorsprünge – sogenannte Riblets – optimieren die Aerodynamik und ahmen den kraftsparenden Wasserwiderstand der eleganten Meeresräuber nach. Die ersten Maschinen fliegen bereits mit der Folie.

Pflanzen

Das Kongresszentrum auf dem Campus der EPFL in Lausanne gilt als moderne Kathedrale der Nachhaltigkeit. Die Westfassade mit ihren Glaspaneelen leuchtet in den Farbtönen Gelb, Grün, Orange und Rot. Nicht nur das Design ist außergewöhnlich, sondern auch die Funktion: Die Wand besteht aus 300 Quadratmetern Solarzellen, die Strom auf Basis von Farbstoffen erzeugen. Silizium wird nicht benötigt. Vorbild für die Funktionsweise der Solarzellen war die Photosynthese von Pflanzen. Die Rolle des natürlichen Farbstoffs Chlorophyll übernehmen künstliche Farbstoffe. Sie übertragen Elektronen auf ein Netz von Nanopartikeln aus Halbleiteroxiden, das elektrische Energie erzeugt. Die Idee hatte der Chemiker Michael Grätzel.

Termitenhügel

In Namibia stehen meterhohe Hügel – soweit das Auge reicht. Bewohnt werden sie von Termiten, die wahre Architekturgenies sind. Von ihnen können Menschen lernen, Gebäude in Zukunft energiesparend zu lüften. Denn die Hügel haben eine besondere Belüftung und sind hervorragend klimatisiert. Dafür sorgt ein Netz aus Tunneln und Luftschächten. Von außen kann Luft durch Turbulenzen schnell und tief in das Innere eindringen. Energiezufuhr ist dafür kaum nötig. Die verwirbelte Luft kommt auch mit der Tunnelwand in Kontakt, an der Pollen und andere Schwebstoffe abgeschieden werden. Das System hat also zusätzlich eine Filterfunktion. Außerdem sorgt die verwirbelte Luft dafür, dass sich an den Wänden weder Feuchtigkeit noch Schimmel bilden.



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