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Nachhaltigkeit dokumentieren:

Der Ursprung der CSR-Richtlinie

Künftig werden mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen. Chance oder Herausforderung?

Illustration CSR-Richtlinie

© Robert Albrecht / BDEW

 

Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken“ – so der berühmte Ökonom Peter F. Drucker (1909 – 2005). Das Zitat besagt, dass Nachhaltigkeit nur dann in wirtschaftliches Handeln überführt werden kann, wenn es messbare Daten gibt. Daten, anhand derer Unternehmer konkrete strategische Entscheidungen fällen können.

Genau das will die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorantreiben, im Jahr 2022 von der EU veröffentlicht. Eigentlich hätte sie am 6. Juli 2024 in nationales Recht umgewandelt werden müssen, Deutschland ist jedoch aktuell – wie auch andere 16 EU-Mitgliedsstaaten – in Verzug.

Die CSRD soll – als Teil des European Green Deal - Finanzmärkten, der Zivilgesellschaft und NGOs erleichtern, die Nachhaltigkeit von europäischen Unternehmen zu bewerten. Damit geht sie deutlich weiter als die bisherige Non-Financial Reporting Directive, die Unternehmen relativ viel Spielraum bei der Berichterstattung über ihre Geschäftsaktivitäten ließ – und so Greenwashing-Vorwürfen wenig entgegenzusetzen hatte.

Klimaziele unterstützen, nachhaltige Investitionen fördern

Hauptziel der CSRD: Unternehmen sollen dazu angehalten werden, ihr Handeln strategisch so auszurichten, dass die Erreichung der Klimaziele unterstützt und die planetaren Ressourcen geschont werden. Zugleich sollen Banken, private und institutionelle Anleger anhand der Berichte besser entscheiden können, wen sie zu welchen Konditionen finanzieren. Im Idealfall erhalten nachhaltige Unternehmen leichter Kredite und attraktivere Kreditkonditionen. Nicht zuletzt wird der Kreis der Betroffenen bis 2028 sukzessive erweitert: Während die NFRD nur für etwa 11.000 Unternehmen in Europa relevant war, betrifft die neue Berichtspflicht fast 50.000 Unternehmen - und damit zunehmend auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) oder kommunale Energie- und Wasserversorger.

Bürokratie-Albtraum oder Chance?

Unternehmen werden künftig nach einem ausgefeilten Kriterienkatalog detaillierte Informationen über Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen offenlegen. Dazu gehören z. B. Klimabilanzen, Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Biodiversität, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen. Kernpunkt der neuen CSRD ist die sogenannte „Doppelte Wesentlichkeitsanalyse“: Unternehmen sollen nicht nur ermitteln, welche tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen ihr unternehmerisches Handeln auf Umwelt und Arbeitsbedingungen hat. Auch die Chancen und Risiken von Nachhaltigkeitsthemen – beispielsweise Reputationsverluste oder Umsatzeinbußen durch Abwanderung von Kunden - für die finanzielle Lage eines Unternehmens und die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells sollen betrachtet werden.

Das kann gerade für KMU, die sich neu mit der Materie befassen, zu erhöhten Aufwänden führen. So hat das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Rödl und Partner in einer 2024 veröffentlichten Studie (PDF) die Einflüsse der CSRD speziell auf Stadtwerke untersucht. Der Studie zufolge betrachten 93 Prozent der befragten Unternehmen die Datenverfügbarkeit und- beschaffung als weitaus größte Herausforderung. 87 Prozent nannten zeitliche und 73 Prozent personelle Ressourcen als weitere Hemmschuhe. Auf der anderen Seite sind jedoch auch 60 Prozent der Ansicht, dass die Offenlegung der ESG-Kriterien positiv oder sehr positiv auf die Arbeitgeberattraktivität einzahlen könne. Auch knapp ein Drittel der Unternehmen jenseits der Energiebranche (siehe Grafiken) fühlen sich noch nicht gut aufgestellt für die Berichtspflichten.

Geburtswehen und erste Früchte

Prof. Dr. Jörg Werner ist Professor für Accounting an der Frankfurt School of Finance & Management. Er sagt: „Gerade die erstmalige Erstellung eines solchen Berichts ist komplex und erfordert einen hohen zeitlichen Vorlauf. Dies fällt in eine Phase der wirtschaftlichen Abkühlung, in der viele Unternehmen Prioritäten setzen müssen und sensibel auf steigende Bürokratiekosten reagieren. Das Bundesministerium für Justiz selbst schätzt die jährlichen Erfüllungskosten für die deutsche Wirtschaft auf rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Demgegenüber stehen jedoch auch klare Vorteile, sagt Angelika Maupilé, Nachhaltigkeitsmanagerin bei den Stadtwerken Norderstedt in einem Interview: „Besonders die Transparenz über die eigenen Chancen, Risiken und Auswirkungen entlang der Wertschöpfungsketten (…) ermöglicht eine große Chance für die Unternehmenssteuerung. Das finde ich sehr positiv.“



Nachhaltigkeit habe bisher häufig auf Freiwilligkeit basiert, jetzt würden sich auch die Unternehmensleitungen und die Finanzfachleute damit beschäftigen, so Maupilé weiter. Und Nicole Behncke, Partner Sustainability Services bei PwC Deutschland, sagt: „Die systematische und intensive Befassung mit der gesamten Wertschöpfungskette bringt Risiken und Geschäftschancen ans Licht, die man nach altbewährten Analysemethoden womöglich nicht entdeckt hätte“.

Oder, um es mit Peter F. Drucker zu sagen: „Wissen muss ständig verbessert, in Frage gestellt und erweitert werden, sonst verschwindet es“.

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