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Griechenland:

Die grüne Steckdose Europas?

Die Wiege der Demokratie will zur Energiedrehscheibe werden. Über ein ambitioniertes Ziel, von dem viele Länder profitieren würden.

Illustration griechischer Soldat der Antike steht neben PV-Anlage

© Robert Albrecht / BDEW

 

Temperaturen über 35 Grad. Tausende von Menschen strömen durch die Straßen. Autos, Busse und Taxis schieben sich dicht an dicht zwischen den Häusern vorbei: Unterhalb der Akropolis herrscht im Sommer oft dicke Luft. Die Zitadelle mit ihren fast 2.500 Jahre alten Säulen ist der Touristenmagnet Athens. Und nicht nur hier werden Feinstaub und Abgase in die Atmosphäre gepustet – laut Statistik gehört die Metropole zu den schmutzigsten Europas. Spätestens ab 2027 soll sich das ändern. Alle Taxen sowie ein Drittel der Flotten von Autovermietungen in der Region Attika und in Thessaloniki müssen dann emissionsfrei sein. Auf dem griechischen Festland und den Ägäis-Inseln sollen E-Autos in wenigen Jahren an über 25.000 Ladestellen Strom tanken können. Und 2028 wird das letzte Braunkohlekraftwerk vom Netz gehen. Das Ziel: Die Treibhausgas-Emissionen sollen bis 2030 um 58,6 Prozent sinken, verglichen mit 1990.

Tempo bei der Energiewende

Griechenland, die Wiege der Demokratie, erfindet sich neu als Vorreiter in Sachen nachhaltige Energie. Das Land ist prädestiniert für Solarkraft, schließlich gibt es hier Sonne satt – mit über 250 Sonnentagen pro Jahr. Auch der bei Seglern geliebte und zugleich gefürchtete Wind Meltemi fegt mit Sturmstärke übers Meer und verspricht großes Potenzial im Offshore-Geschäft.

Kann Hellas zur grünen Steckdose Europas werden? Vieles spricht dafür. Die Produktion von erneuerbarem Strom schreitet im Rekordtempo voran, von 8,6 Terawattstunden 2014 auf 21,4 Terawattstunden 2023. Bereits 57 Prozent des Energiemixes wurden 2023 aus Wind, Sonne und Wasserkraft gewonnen. „Wir haben unsere Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren und bei der Reduzierung der Treibhausgase übertroffen“, sagte der griechische Energie- und Umweltminister Theodoros Skylakakis im Oktober.

Griechenlands Strommix: Erneuerbare auf dem Vormarsch



Mittlerweile sind dem Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) zufolge 6,7 Gigawatt Solarenergie in Griechenland installiert – doppelt so viel wie 2020. Dazu kommen fünf Gigawatt installierte Windenergie-Leistung. Weitere 16 Gigawatt erneuerbarer Leistung befinden sich laut Nachrichtenportal in.gr. derzeit in Bau. Und auch für die nächsten Jahre hat das Land hochfliegende Pläne: Bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion auf über 75 Prozent steigen. Der Fortschritt bei der Energiewende sorgt jedoch auch für Probleme: Immer häufiger müssen Solar- und Windkraftwerke stundenweise abgeschaltet werden, weil es nicht genug Nachfrage gibt.

Griechischer Solarstrom für Deutschland

Wer mehr grünen Strom herstellt als er braucht, kann ihn an Nachbarländer verkaufen – vorausgesetzt, die Netze geben das her. Im Rahmen eines Zehnjahresprogramms will der griechische Netzbetreiber IPTO deshalb die Kapazität von gegenwärtig 18 Gigawatt auf 29 Gigawatt bis 2030 ausbauen. „Die Strategie Griechenlands ist es, ein Exporteur grüner Energie nach Zentraleuropa zu werden“, sagt Ioannis Margaris, stellvertretender Vorsitzender von IPTO. „Und zwar durch Stromtrassen durch den Balkan oder Italien.“ Grüne Energie könnte so durch die Adria per Stromautobahn bis nach Deutschland gelangen.

Bildergalerie: Ausbau der Erneuerbaren in Griechenland

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Um Stromproduktion und Nachfrage in Einklang zu bringen, muss Griechenland auch seine Speicherkapazitäten ausbauen. Im Energieministerium gibt es Pläne, die einzelnen Solarparks mit Batteriespeichern auszurüsten. Im Mai 2024 wurden dafür Investitionen freigeben. In Nordgriechenland soll Kozani – eines der größten bifazialen Kraftwerke Europas – mit Lithium-Ionen-Batterien mit einer Einspeisekapazität von 110 Megawatt ausgestattet werden. Neue Stromspeicher sind zudem in Orestiada und Evros geplant.



Das Land setzt zudem auf Wasserkraft. Über den Steilhängen des Kastraki-Stausees bei Amfilochia entsteht das größte Pumpspeicherkraftwerk des Landes  – eine riesige „wiederaufladbare Naturbatterie“, gespeist aus überschüssiger Erneuerbarer Energie. Das Wasser wird künftig in zwei Speicherbecken mit meh. 

Pro Jahr soll die Anlage etwa 816 Gigawattstunden saubere Energie ins Netz abgeben. Ende 2025 soll sie in Betrieb gehen.

Klappt alles wie am Reißbrett geplant, will Griechenland ab 2035 rund 3,5 Terawattstunden Strom exportieren. Verwandelt sich das Land zur grünen Steckdose Europas, wird dieser Wandel vielerorts spürbar sein. Auch in Athen.

Dann ist bald Schluss mit schmutziger Luft über der Akropolis – trotz Staus auf den Straßen.

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