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Trinkwasserversorgung und Klimawandel

BDEW fordert Erleichterungen beim Bau von Fernwasser- und Verbundleitungen

  • Ausbau der Infrastruktur dringend notwendig, um künftige Probleme bei der Trinkwasserversorgung zu vermeiden 
  • Neues Rechtsgutachten im Auftrag des BDEW zeigt, welche gesetzlichen Anpassungen notwendig sind, um den Bau von Fernleitungen zu erleichtern.


Die Auswirkungen der durch den Klimawandel verursachten Trockenphasen auf die Wasserversorgung sind bereits an vielen Stellen in Deutschland sichtbar und werden absehbar noch deutlich steigen. Das macht einen erheblichen Aus- und Umbau der Wasserinfrastruktur notwendig. Dabei sind insbesondere Verbundleitungen von zentraler Bedeutung. Der Bedarf an solchen Wasserfernleitungen dürfte aufgrund der Folgen des Klimawandels zukünftig erheblich ansteigen.
Die Planung und der Bau solcher Wasserfern- bzw. Verbundleitungen sind für die Betreiber jedoch aktuell mit enormen rechtlichen und bürokratischen Hemmnissen verbunden, die entsprechende Projekte deutlich verlangsamen. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum der rechtliche Rahmen für Wasserfernleitungen deutlich hinter den Regelungen anderer Infrastrukturen wie etwa für Fernstraßen oder Energieleitungen zurückbleibt“, sagte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser.

Bei der öffentlichen Trinkwasserversorgung handele es sich um einen herausragenden Teil der Daseinsvorsorge, deren Sicherstellung eine Kernaufgabe des Staates sei. Auch die nationale Wasserstrategie hebe die gesteigerte Relevanz von Wasserfernleitungen ausdrücklich hervor. „Eine Angleichung des Rechtsrahmens für die Öffentliche Wasserversorgung, um den Bau von Fern- bzw. Verbundleitungen zu beschleunigen ist unbedingt notwendig. Dies gilt umso mehr als dies ohne erhebliche Eingriffe in das bestehende Rechtssystem möglich ist“, sagt Weyand.

Ein aktuelles Rechtsgutachten (siehe Anlage), das für den BDEW erstellt wurde, zeigt, dass sich schon mit wenigen Gesetzesänderungen eine deutliche Beschleunigung des Baus von Verbundleitungen und damit eine Verbesserung der Versorgungssicherheit mit Trinkwasser möglich wäre. 

„Zwar herrscht in Deutschland bislang keine generelle Wasserknappheit. Allerdings kommt es bereits jetzt zu einzelnen regionalen Engpässen in der Wasserversorgung. Wenn wir nicht zeitnah handeln, könnten wir schon in wenigen Jahren vor ernsthaften Problemen bei der Trinkwasserversorgung stehen“, so Weyand. „Wir müssen unsere Infrastrukturen dringend an den Klimawandel anpassen.“

Verbundleitungen ermöglichen eine angemessene Verteilung des verfügbaren Wasservorkommens zwischen wasserärmeren und wasserreicheren Gebieten. Indem sie Wasser aus Regionen, in denen größere Mengen zur Verfügung stehen, in Gebiete transportieren, in denen nicht ausreichend Wasser vorhanden ist, gewährleisten sie eine flächendeckende Trinkwasserversorgung. Zudem sichern sie als Ersatzleitung die Versorgung auch dann ab, wenn es beispielsweise bei der eigentlichen Leitung zu einer Störung kommt. Die Wasserfernleitungen bzw. Verbundleitungen der Öffentlichen Wasserversorgung sind damit notwendige Kernbestandteile eines zukünftigen Wasserversorgungssystem. 
 



Zum Hintergrund:

Reformvorschläge für die Beschleunigung von Wasserfernleitungsprojekten

  • BDEW-Überblick zum Rechtsgutachten (siehe Anlage) von Posser Spieth Wolfers & Partners Düsseldorf (pswp) für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW):

Vorbemerkung
Die Auswirkungen der durch den Klimawandel verursachten Trockenphasen auf die Wasserversorgung sind bereits an vielen Stellen in Deutschland sichtbar. Sie werden absehbar noch deutlich zunehmen. Dies, wie auch weitere Entwicklungen wie gebietsweise die Bevölkerungsentwicklung und die gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit der Öffentlichen Wasserversorgung führen zur Notwendigkeit eines erheblichen Aus- und Umbaus der überregionalen und lokalen Wasserinfrastruktur. Dabei sind von zentraler Bedeutung große Verbundleitungen. Diese gewährleisten die Wasserverfügbarkeit in Gebieten, in denen die Ressource Wasser nicht ausreichend vorhanden ist mit Wasser aus Gebieten, in denen die Ressource ökologisch und nachhaltig in größeren Mengen gewinnbar ist. Zudem sorgt eine Verbundleitungsinfrastruktur für eine ausreichende Versorgungssicherheit auch unter anderen Gesichtspunkten wie denen einer ausreichenden Redundanz und Ausfallsicherheit. Darüber hinaus stärken auch Verbindungsleitungen auf lokaler Ebene zwischen Wasserversorgungsunternehmen die Versorgungssicherheit bei der Verfügbarkeit von Trinkwasser.

Aufgrund des großen Umfangs der Anpassungsnotwendigkeiten insbesondere der Leitungsinfrastruktur und der zeitlichen Dringlichkeit ist es erforderlich, dass der Gesetzgeber durch Regelungen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Errichtung und des Betriebs von Wasserfernleitungen bzw. Verbundleitungen der Öffentlichen Wasserversorgung einen geänderten gesetzlichen Rahmen schafft. Die Wasserfernleitungen bzw. Verbundleitungen der Öffentlichen Wasserversorgung sind notwendige Kernbestandteile eines zukünftigen Wasserversorgungssystem. Nur durch sie wird eine angemessene Verteilung des verfügbaren Wasservorkommens zwischen wasserärmeren und wasserreicheren Gebieten gewährleistet - eine Versorgungsfunktion, die heute wie auch zukünftig eine herausgehobene Rolle spielt und spielen wird, denn ein störungsfreier Zugang zu Trinkwasser über 24 Stunden und 7 Tage die Woche ist ein herausgehobener Belang des Kerns der kommunalen Daseinsvorsorge als Aufgabe gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Zwar herrscht in Deutschland bislang keine generelle Wasserknappheit im Allgemeinen. Allerdings kommt es bereits jetzt zu einzelnen regionalen Engpässen in der Wasserversorgung. Durch Wasserfern- bzw. Verbundleitungen kann eine angemessene Verteilung des verfügbaren Wasservorkommens gewährleistet werden. 

Status Quo
Der rechtliche Rahmen für Wasserfernleitungen bleibt deutlich hinter den Regelungen anderer Infrastrukturen wie bspw. den Regelungen für Fernstraßen oder auch Energieleitungen zurück, obwohl es sich bei der Öffentlichen Wasserversorgung um einen ganz besonders herausragenden Aspekt des Wohls der Allgemeinheit und der öffentlichen Daseinsvorsorge handelt. Die im FStrG und EnWG geregelten Privilegierungen für die dort geregelte Infrastruktur greifen de lege lata jedoch nicht für Wasserverbundleitungen. Eine Angleichung des Rechtsrahmens für die Öffentliche Wasserversorgung ist daher geboten. Dies gilt umso mehr als eine solche Angleichung sogar minimal invasiv-möglich ist. 

Lösungsvorschläge
Eine Optimierung der Regelungen zum Bau und Betrieb von Infrastruktur der Öffentlichen Wasserversorgung würde auch der jüngst am 15. März 2023 im Bundeskabinett verabschiedeten nationalen Wasserstrategie zur Umsetzung verhelfen. Diese erkennt die gesteigerte Relevanz von Wasserfernleitungen ausdrücklich an und sieht dazu unter anderem die Prüfung vor, ob Flächen für länderübergreifende und überregionale Wasserversorgungsinfrastrukturen - wie etwa Fernwasserleitungskorridore - in den einschlägigen Landesplänen oder in einem Bundesraumordnungsplan aufgenommen werden können (BT-Drs. 20/6110, S. 42, S. 80). Diese bloße Prüfungsmaßnahme genügt jedoch offensichtlich nicht, um den Folgen des Klimawandels auf die Wasserversorgung zu begegnen und den gesteigerten Bedarf an überregionalen Wasserfern- bzw. verbundleitungen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei der Öffentlichen Wasserversorgung gesetzgeberisch abzubilden.

Damit die Versorger den durch den Klimawandel zu erwartenden Schutzlücken bei der Trinkwasserversorgung wasserärmerer Gebiete proaktiv frühzeitig und in überschaubarer Zeit durch entsprechende Vorkehrungsplanungen sowie deren Umsetzungen begegnen können, bedarf es gleicher oder besserer Regelungen als in anderen Regelungsbereichen der Infrastruktur wie z. B. Energieleitungen.
Insgesamt kann sich der Gesetzgeber an praxiserprobte Regelungsstrukturen aus anderen Fachplanungskontexten anlehnen und auf ein schlankes Artikelgesetz beschränken. Die erforderlichen Anpassungen können so ohne erhebliche Eingriffe in das bestehende Rechtssystem von WHG, UVPG und VwGO vorgenommen werden. 

Konkrete Einzelaspekte

  • Ergänzung von Regelungen in einen neuen Unterabschnitt des WHG für Wasserfern- und Anbindungsleitungen wie sie für andere Infrastrukturen bereits existieren (Regelungen zur Vereinfachung des Anhörungsverfahrens, zur Durchführung notwendiger Vorarbeiten, Vorgaben zur enteignungsrechtliche Vorwirkung und für die vorzeitige Besitzeinweisung sowie prozessuale Beschleunigungsregelungen).
  • Anwendungseröffnung dieser neuen WHG-Regelungen durch eine klarstellende Ergänzung in § 67 UVPG.
  • Erstreckung des vorzeitigen Baubeginns gemäß § 67a UVPG auch auf Wasserverbundleitungen,
  • Begründung der erstinstanzlichen OVG-Zuständigkeit durch Ergänzung des Katalogs in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
  • Angleichung des Regelungsregimes für Wasserfernleitungen an die Regelungsgehalte betreffend den Küsten- und Hochwasserschutz in §§ 71,71a WHG. Auch in diesem Bereich war der Klimawandel bereits Motor für die Gesetzgebung (vgl. hierzu BT-Drs. 18/10879, S. 1 zum Hochwasserschutzgesetz II vom 30.06.2017). Unter Verweis auf die Hochwasserereignisse von 2013 wurde hier hervorgehoben, dass „… dem voranschreitenden Klimawandel noch stärker Rechnung getragen werden muss …“. Für die Anpassungsbedarfe betreffend die Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung von Wasserverbundleitungen greifen diese Erwägungen in gleicher Weise.

Ausblick
Durch die vorgenannten Anpassungen würde der Gesetzgeber zum einen der Regelung des Art. 20 a GG zur Vermeidung von klimawandelbedingten Schutzlücken entsprechen, zum anderen aber auch die bestehende normative Regelungslücke bei Infrastrukturprojekten und insbesondere Wasserverbundleitungen der Öffentlichen Wasserversorgung beseitigen. Er würde zudem auf gesetzlicher Ebene seiner Pflicht zur Konkretisierung der Sicherstellung der kommunalen Daseinsvorsorge im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG gerecht. Schließlich würden hierdurch einheitliche Wasserversorgungsverhältnisse infolge vereinheitlichter Zulassungsvorgaben in der Bundesrepublik ermöglicht und den Vorgaben der Nationalen Wasserstrategie Rechnung getragen. Diese beschreibt als Ziel Folgendes: 
„Die gesetzlichen Regelungen werden geprüft, wenn nötig angepasst und so genutzt, dass sie eine optimale Voraussetzung für die Entwicklung und beschleunigte breite Umsetzung von effizienten und nachhaltigen Wasserinfrastrukturen schaffen (…). Existierende Regelungslücken (…) werden geschlossen.“ (BT-Drs. 20/6110, S. 42).“

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