Mit Verabschiedung des Europäischen Klimagesetzes im Juni dieses Jahres wurden die neuen EU-Klimaziele rechtlich verankert. Mit welchen Maßnahmen die Ziele erreicht werden sollen, will die EU-Kommission in ihrem „Fit for 55“-Paket aufzeigen, das am 14. Juli 2021 vorgestellt werden soll. Die Energiewirtschaft unterstützt die neuen Ziele ausdrücklich, weist aber darauf hin, dass die sich daraus ergebenden Herausforderungen gewaltig sind. Der BDEW hat im Vorfeld des EU-Legislativpakets bereits konkrete Vorschläge vorgelegt, welche Instrumente die Erreichung der Klimaziele ermöglichen. Hierzu erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung:
„Die neuen EU-Klimaziele für 2030 und 2050 sind sehr ambitioniert und stellen alle Sektoren vor gewaltige Herausforderungen. Daher ist es wichtig, dass wir mit der notwendigen Transformation der Energieversorgung ein sicheres Fundament schaffen, das auch die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandortes Europa unter Wahrung der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit im Blick behält. Dies wird nur mit einem ganzheitlichen, kohärenten Ansatz gelingen, der Freiräume für Innovationen und unternehmerische Initiative schafft - nicht mit bürokratischer Übersteuerung und halbherzigen Kompromissen.
Wir haben bereits einen breiten Erfahrungsschatz, den wir jetzt nutzen müssen. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis: Wenn wir CO2 effizient und gezielt reduzieren wollen, müssen wir ihm einen Preis geben. Wir haben in mehr als 15 Jahren EU-Emissionshandel einen langen Lernprozess durchlaufen. Er ist das Schlüsselinstrument für die Erreichung der Klimaziele und sollte als Leitsystem der europäischen und nationalen Energiewende ausgebaut werden. In einem ersten Schritt sollte der EU-Emissionshandel frühzeitig an das Ambitionsniveau der neuen Klimaziele ausgerichtet werden. Das zentrale Instrument hierfür ist die Anpassung des linearen Reduktionsfaktors. Um große Preisschwankungen zu vermeiden sollte zudem die Marktstabilitätsreserve im Hinblick auf ihre Wirkparameter weiterentwickelt werden. Die Einführung eines Mindestpreises für Emissionszertifikate ist dahingegen wenig zielführend.
Auch für den Gebäude- und Verkehrsbereich ist die Einführung einer CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene sinnvoll. Wichtig ist, dass eine Zusammenführung mit dem bestehenden Emissionshandelssystem erst erfolgt, wenn sich die CO2-Vermeidungskosten der einzelnen Sektoren angeglichen haben. Damit die gewünschte Emissionsminderung auch in der Praxis gelingt, muss die CO2-Bepreisung von einem breiten Maßnahmenmix flankiert werden. Neben sozialen Abfederungen brauchen wir beispielsweise eine Förderung klimaschonender Technologien, um den Umstieg für Menschen und für Unternehmen zu erleichtern.
Die Erreichung der Klimaziele wird in erster Linie über die Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien gelingen – das gilt für alle Sektoren. Die Energiewirtschaft steht bereit, für eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung zu sorgen, basierend auf Erneuerbaren Energien und flankiert von dekarbonisierten Gasen. Wir brauchen auch hier einen breiten, umfassenden Ansatz, der zum einen den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv vorantreibt und gleichzeitig wesentliche Voraussetzungen für die Erschließung des Potenzials klimaneutraler Gase schafft. Die Revision der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) muss dringend genutzt werden, um hier entscheidende Weichen zu stellen. Insbesondere für den Hochlauf der dringend notwendigen Wasserstoffwirtschaft müssen regulatorischen Hemmnisse wie zu strenge Vorgaben zur Additionalität vermieden werden, die das Tempo des Hochlaufs von Wasserstoff ausbremsen. Zudem sollte ein europäisches System für Herkunftsnachweise etabliert werden. Um den Ausbau der Erneuerbaren zügiger voranzubringen, gilt es, schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren zu straffen und mangelnden Flächenverfügbarkeiten durch die Aufhebung von Zielkonflikten im Umweltrecht entgegenzuwirken.
Die Energiewirtschaft leistet auch einen wesentlichen Beitrag für die Dekarbonisierung des Verkehrsbereichs: Sie baut und betreibt die erforderliche Infrastruktur zum Laden und Tanken und liefert zuverlässig Energie für Elektro-, Gas- und Wasserstofffahrzeuge. Grundsätzlich sollte der Ausbau der öffentlichen Lade- und Tankinfrastruktur marktgetrieben erfolgen, damit sie nachhaltig Bestand hat und auf den Bedarf der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet ist. Entscheidend für den bedarfsgerechten Ausbau ist, dass auf EU-Ebene Rahmenbedingungen festgelegt werden, die den Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer nationalen Strategien eine dynamische Zielfestlegung ermöglicht, die die Marktentwicklung im jeweiligen Mitgliedsland abbildet und Kundenbedarf, Nutzungsverhalten sowie die Entwicklung der Fahrzeugzahl und technologischen Parametern wie die Ladeleistung berücksichtigt. Wichtig für den marktgetriebenen Aufbau ist allerdings auch die wirtschaftliche Auslastung der Ladesäulen und Tankstellen. Um die Anzahl der emissionsarmen Fahrzeuge auf den Straßen weiter zu steigern, sind ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte ein wesentlicher Treiber, der von einer effektiven CO2-Bepreisung flankiert werden sollte.“