In der Debatte über die Einhaltung der Klimaziele hat sich BDEW-Präsidentin Dr. Marie-Luise Wolff für die zügige Einführung einer CO2-Bepreisung in allen Wirtschaftssektoren ausgesprochen, die nicht am europäischen Handel mit CO2-Zertifikaten teilnehmen. „Wir müssen dem Treibhausgas-Ausstoß insbesondere im Verkehrs- und Gebäudesektor einen Preis geben, damit hier schnellstmöglich signifikant höhere CO2-Einsparungen erzielt werden. Dies gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen dafür, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht“, sagte Wolff zum Auftakt des BDEW Kongresses 2019 in der STATION Berlin. Daher sollten die Energieträger im Verkehrs- und Gebäudesektor in Höhe des jeweiligen CO2-Zertifikatepreises im europäischen Emissionshandelssystem bepreist werden. Hinzukommen müssen Maßnahmen wie die Förderung der Elektromobilität, die Senkung der Steuer- und Abgabenlast auf Strom und die steuerliche Absetzbarkeit energetischer Gebäudesanierungen.
„Die politische Realisierungschance eines CO2-Preises steht und fällt mit der sozialen Ausgewogenheit“, so Wolff. „Um soziale Schieflagen zu vermeiden, sollten die Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung wieder vollständig an die Bürger zurückerstattet werden. Wer sein Verhalten ändert, würde so sparen, wer nichts tut, würde draufzahlen. Der BDEW hat hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem verschiedene Alternativen diskutiert werden. Hierzu gehören beispielsweise eine Pro-Kopf-Rückerstattung, wie dies etwa in der Schweiz praktiziert wird, oder Reduzierungen des Strompreises beispielsweise über eine Senkung der Stromsteuer.“ Das Gutachten wird der BDEW in Kürze vorstellen.
Der Verband legte auf dem BDEW Kongress zudem ein Konzept zur Markteinführung von Power-to-Gas (PtG) vor. Power-to-Gas kann derzeit als einzige Technologie alle Sektoren (Strom, Industrie, Wärme und Verkehr) miteinander koppeln und dabei gleichzeitig eine übersaisonale Speicherfähigkeit von Energie sicherstellen.
Der BDEW sieht mehrere Bausteine, um eine Markteinführung von Power-to-Gas kurz- und mittelfristig zu ermöglichen. Zunächst sollten marktnahe Mechanismen wie die Erschließung eines Absatzmarktes für Wasserstoff greifen – zum Beispiel über die Anerkennung im Gebäudeenergiegesetz und über die Ausweitung der Forschungs- und Entwicklungsförderung.
Power-to-Gas-Anlagen und anderen Flexibilitätsoptionen, die überschüssigen Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen nutzen, sollten für die Zeiten dieses netzdienlichen Strombezugs („Überschussstrom“) von Letztver-braucherabgaben und insbesondere der EEG-Umlage ganz befreit oder zumindest mit niedrigeren Abgaben belastet werden.
Nur wenn solche Maßnahmen nicht zu einer Markteinführung synthetischer, grüner Gase führen, könnten in einem dritten Schritt Förderinstrumente zum Tragen kommen. Dazu zählt insbesondere – nach dem zeitlichen Auslaufen der Reallabore – eine Verpflichtung für die Nutzung grüner Gase im Erdgasnetz, beispielsweise über eine Quote.
„Der Einsatz von Power-to-Gas-Anlagen im zukünftigen Energiesystem verfolgt drei Ziele: Erstens, einen Beitrag zur notwendigen Flexibilisierung der Energieversorgung über die Sektoren hinweg. Zweitens, die Nutzbarmachung Erneuerbarer Energie in den gekoppelten Sektoren (Wärme, Verkehr, Industrie), um einen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. Drittens, durch die Möglichkeit einer übersaisonalen Speicherung zur Versorgungssicherheit beizutragen. In der Zielerreichung stehen Power-to-Gas-Anlagen und deren Produkte dabei immer im technologieoffenen Wettbewerb zu anderen Anwendungen“, sagte Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Wolff und Kapferer appellierten zudem an die Bundesregierung, die Empfehlungen der Kohlekommission zügig umzusetzen. „Es ist fraglich, ob es noch einmal gelingen würde, in relativ kurzer Zeit einen solchen Kompromiss zu erzielen, der von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen wird. Der Kohlekompromiss ist die große Chance für effektiven Klimaschutz bei gleichzeitiger Wahrung der hohen Versorgungssicherheit. Die Politik sollte diese Chance trotz einer schwierigen politischen Großwetterlage entschlossen nutzen. Wir appellieren an die Bundesregierung, sich im Sinne einer konsequenten Energie- und Klimapolitik zusammenzuraufen.“