Der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft und die Nutzung von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen als Transformations- und Wachstumstreiber nimmt weltweit Fahrt auf. Auch in Deutschland müssen die Weichen für einen entschlossenen Wasserstoffhochlauf gestellt werden. Der BDEW hat hierzu nun ein „Diskussionspapier für ein Marktdesign für Wasserstoff“ vorgelegt. Es zeigt wesentliche Bausteine für die Entwicklung eines Marktes auf und umreißt vier Phasen des Wasserstoffhochlaufs.
„Für die Energiewende und aber auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland bietet der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft enorme Chancen“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Die kommenden Jahre werden in Deutschland und Europa entscheidend für die Frage sein, ob der Wasserstoffhochlauf im großen Stil gelingen und ob ein Umfeld für Innovationen und Investitionen geschaffen wird. Wir sollten deshalb eine europäischen Marktdesigndebatte führen – ähnlich wie bei Strom und Erdgas.“
Das Zielbild für die Wasserstoffwirtschaft sollte aus Sicht des BDEW auf lange Sicht ein funktionierender Wettbewerbsmarkt sein. Langfristig werden so Investitionsentscheidungen aufgrund von transparenten Preissignalen und Absicherung gegenüber marktlichen Risiken für die Nachfrage- und Angebotsseite ermöglicht. Die Nachfrage nach Wasserstoff erfolgt dann auf Basis wirtschaftlicher Entscheidungen und wird das Angebot weiter befördern.
„Aktuell befindet sich der Markthochlauf noch am Anfang: Die Technologien rund um Wasserstofferzeugung, -transport, -speicherung und -nutzung sind in großen Teilen verfügbar und technisch reif. Es fehlt bisher allerdings die Erprobung im Zusammenspiel der verschiedenen Wertschöpfungsstufen“, erklärt Kirsten Westphal, Mitglied der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Dies liege auch daran, dass die langfristigen Marktaussichten bisher noch zu ungewiss und die finanziellen Risiken daher zu groß sind. „Privatwirtschaftliche Investitionen erfolgen noch nicht in ausreichendem Umfang. Für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf brauchen wir Mut und Pragmatismus. Regulatorische Hürden sollten deshalb gering gehalten, Angebot und Nachfrage durch konsistente Förderinstrumente angereizt und ein verlässlicher Regulierungsrahmen, zum Beispiel für die zukünftige Wasserstoffinfrastruktur gesetzt werden.“
Zudem brauche es klare Regeln, Standards und Zertifizierungen für den Handel mit Wasserstoff und seinen Derivaten. Dazu gehöre auch ein EU-weites, transparentes und international anschlussfähigen Herkunftsnachweis- und Zertifizierungssystems.
Der BDEW sieht vier Phasen für die Entwicklung des Wasserstoffmarkts:
Während der Initialphase müssen wichtige Grundvoraussetzungen bis 2023/2024 geschaffen werden, um den Markthochlauf zeitnahe zu initiieren. Zu diesem frühen Zeitpunkt einer Hochlaufkurve sind staatliche Unterstützung, regulatorische Flexibilität und ein glaubwürdiges Zielbild essenziell, um Anreize zu setzen, die Finanzierung zu ermöglichen, Risiken zu minimieren und Transparenz zu schaffen.
Dies sollte den Weg für die anschließende Aufbauphase ebnen. Die Aufbauphase dauert laut Definition des Papiers bis Anfang der 2030er Jahre, wenn das H2-Kernnetz und weitere Leitungen auf Fernleitungs- und Verteilnetzebene in Deutschland aufgebaut sind bzw. die Übergangsregelungen aus dem europäischen Wasserstoff- und Gasmarkt-Dekarbonisierungspaket enden. In der Aufbauphase werden erste internationale Lieferbeziehungen etabliert, Projekte ausgedehnt, die Wasserstoffnutzung in der Industrie angereizt und bedarfsgerecht Gasverteilnetze auf Wasserstoff umgestellt.
Im Anschluss vollzieht sich in der Ausprägungsphase ab ca. 2032/2035 immer mehr die Entwicklung hin zu einer durch überwiegend marktliche Mechanismen gesteuerten Wasserstoffwirtschaft. Bis etwa 2040 werden auch langfristig angelegte staatliche Fördermechanismen nach und nach auslaufen. Die Wasserstoff-Erzeugung wird nun durch die Nachfrageseite angereizt und durch Skalierung und Preissenkungen bei Erneuerbarem Strom immer kostengünstiger, der internationale Handel mit Wasserstoff wächst und der industrielle Mittelstand großflächig mit Wasserstoff versorgt. Das Wasserstoff-Kernnetz wird zum H2-Backbone weiterentwickelt und die europäische Einbindung des Netzes verstärkt.
Rund um das Jahr 2040 soll dann die Zielphase eines funktionierenden Wasserstoffmarkts erreicht sein. Dann werden Wasserstoff und seine Derivate werden in Deutschland, der EU und global in ausreichenden Mengen erzeugt und gehandelt, ein Markt für Wasserstoff (und seine Derivate) ist etabliert und ein virtueller Handelsplatz existiert. Zudem ist eine voll funktionsfähige Infrastruktur vorhanden und ein europaweites Wasserstoffnetz hat sich herausgebildet, das die notwendigen Transport- und Verteilungsaufgaben übernimmt.
Das Diskussionspapier für ein Marktdesign für Wasserstoff finden Sie hier und unten als Link.