Zur heutigen BGH-Entscheidung erklärt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung:
„Das Urteil des BGH ist für uns nicht nachvollziehbar. Die von der Bundesnetzagentur festgelegte Höhe der Eigenkapitalverzinsung für Investitionen in Strom- und Gasnetze gehört zu den niedrigsten in ganz Europa, und das, obwohl in Deutschland ein wesentlich höherer Bedarf am Aus- und Umbau der Energienetze besteht. Ein Gutachten im Auftrag des BDEW zeigt, dass die Zinssätze in Deutschland 0,79 Prozentpunkte unter dem europäischen Durchschnitt und 1,49 Prozentpunkte unter dem internationalen Durchschnitt liegen.
Die Logik der Bundesnetzagentur bei ihrer Berechnung der Eigenkapitalzinssätze wird auch in der nächsten Regulierungsperiode automatisch zu einem weiteren massiven Absinken der Zinssätze führen. Dies würde es den Netzbetreibern erheblich erschweren, Kapitalgeber zu finden. Das sind die völlig falschen Signale angesichts der Bedeutung des Energienetzes für die Herausforderungen der Energiewende. Perspektivisch wird es für die Integration der Erneuerbaren Energien aber auch der Elektromobilität einen Zubau sowohl auf der Übertragungsnetz- als auch auf der Verteilnetzebenen kommen. Ein Zubau, der finanziert werden muss.
Bisher haben Investoren ihre Mittel im Vertrauen auf eine angemessene und risikoadäquate Eigenkapitalverzinsung zur Verfügung gestellt. Um Investoren dazu zu bewegen, weiterhin in Netze zu investieren, müssen die Rahmenbedingungen für Netzinvestitionen kapitalmarktgerecht bleiben. Grundlage für die Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung sind die gesetzlichen Regelungen der Netzentgeltverordnungen, nach denen die Bundesnetzagentur bei der Zinssatzfestlegung Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten berücksichtigen muss.
Ein weiterer Punkt: Investitionen in Netze gehen mit einer sehr langfristigen Bindung des eingesetzten Kapitals einher. Es geht hier um Zeiträume von mehreren Jahrzehnten. Auch dies muss bei der Ermittlung der Eigenkapital-Verzinsung berücksichtigt werden.
Um die Herausforderungen aus der Integration der erneuerbaren Energien zu meistern, wurde in den vergangenen Jahren und wird auch weiterhin erheblich in die Energienetze investiert. Gleichzeitig gibt es neue energiepolitische Ziele wie Sektorenkopplung, E-Mobilität oder Digitalisierung, die in vielen Fällen wieder die Netze als Verknüpfungspunkte sowohl zwischen Verbrauchern und Erzeugern als auch den verschiedenen Energieträgern fordern."
Zum Hintergrund:
Nur auf 40 Prozent der Investitionssumme darf ein Netzbetreiber gemäß Netzentgeltverordnung überhaupt den Eigenkapital-Zinssatz anrechnen. Für 60 Prozent der Investitionen wird der Zinssatz gemäß den Regelungen der Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen ermittelt. Für die dritte Regulierungsperiode ist das ein Zinssatz in Höhe von 2,72 % für Stromnetze und 3,03 % für Gasnetze. Diese Zinssätze werden bei unveränderter Methodik in der 4. Regulierungsperiode (Strom: 2024 – 2028: Gas: 2023 – 2027) nochmals erheblich sinken.
Die Netzbetreiber in Deutschland stehen vor einer dreifachen Herausforderung: Zum einen müssen die Netze im Zuge der Energiewende massiv aus- und umgebaut werden. Zugleich soll der Stromsektor mit den Bereichen Wärmemarkt, Verkehr und Industrie verknüpft werden, damit auch dort mehr regenerativer Strom zum Einsatz kommen kann. Für die Elektromobilität beispielsweise müssen die örtlichen Verteilnetze verstärkt werden. Der Verteilnetzumbau ist hier kein "nice-to-have", sondern zwingende Voraussetzung für einen Durchbruch der Elektromobilität. Hinzu kommt die Digitalisierung, deren Potenziale nur genutzt werden können, wenn in intelligente Netztechnologien investiert wird. All das erfordert Milliarden-Investitionen. Hinzu kommen die Kosten für die Instandhaltung der bestehenden Stromnetze (Gesamtlänge: 1,8 Millionen Kilometer) und Gasnetze (Gesamtlänge: 480.000 Kilometer). Damit wird die weltweit anerkannte hohe Energieversorgungssicherheit gewährleistet.