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Kerstin Andreae:

Jetzt nicht nachlassen! Müssen nach kriegsbedingtem Ausnahmejahr 2022 wieder in die Spur kommen

Heute hat das Umweltbundesamt seine Prognose zur Erreichung der Klimaziele der einzelnen Sektoren vorgestellt. Die Energiewirtschaft erreicht das CO2-Einsparziel von 257 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten knapp mit einer Einsparung von 256 Mio. Tonnen. Der Gebäudesektor emittierte 112 Mio. Tonnen und verfehlt damit sein Sektorziel von 107,4 Mio. Tonnen, der Verkehrsbereich emittierte 148 Mio. Tonnen und verfehlt damit das Sektorziel von 138,8 Mio. Tonnen. Hierzu erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung:

„Dass die Energiewirtschaft trotz des kriegsbedingten Krisenjahres 2022 ihre Klimaziele erreicht hat, ist eine gute Nachricht. Trotz des nötig gewordenen Einsatzes von Kohlekraftwerken aus der Reserve zur Absicherung der Versorgung sind die CO2-Emissionen weniger stark gestiegen als erwartet. Dies darf jedoch nicht davon ablenken, dass zur Zielerreichung vor allem Energieeinsparungen und günstige Wetterverhältnisse beigetragen haben.

Das vergangene Jahr war energiewirtschaftlich von drastischen Umwälzungen geprägt. Kriegsbedingt wurden über den Jahresverlauf die russischen Importe von Erdgas und Steinkohle, die zuvor die Hälfte des deutschen Verbrauchs ausmachten, zunehmend eingestellt. Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, wurden unter anderem auch Kohlekraftwerke, die bereits in der Reserve oder zur Stilllegung vorgesehen waren, reaktiviert und in den Markt zurückgeholt. Das war hat einerseits erheblich zu einer sicheren Strom- und Wärmeversorgung beigetragen, führte aber andererseits dazu, dass die Energiewirtschaft im vergangenen Jahr klimapolitisch einen Schritt zur Seite machen musste. Umso wichtiger ist es, sich wieder auf den weiteren Aufbau eines zukunftsfähigen Energiesystems auf Basis Erneuerbarer Energien zu fokussieren. Wir müssen parallel zum Krisenmanagement auch Zukunftssicherung betreiben.

Hier liegt noch viel Arbeit vor uns: Um die Erneuerbaren-Ausbauziele zu erreichen, ist eine Vervierfachung der Ausbaugeschwindigkeit bei Windenergieanlagen an Land sowie eine Verdreifachung des Photovoltaik-Ausbaus notwendig. Das ist mit den aktuellen regulatorischen Bedingungen nicht zu schaffen. Angesichts der Vielzahl an Vorgaben und Regelungen brauchen wir einfache, einheitliche und pragmatische Lösungen. Dazu gehört, dass bürokratische Hürden wo immer möglich abgebaut, Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht und ausreichend Flächen schneller zur Verfügung gestellt werden, als es beispielsweise das Wind-an-Land-Gesetz vorsieht. Wir brauchen hier deutlich mehr Tempo und eine positive Gelingenshaltung von der Bundespolitik bis in jede Amtsstube. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien muss 2023 neuen Schub bringen für Investitionen in Speicher, Wasserstoff, wasserstofffähige Gaskraftwerke und Energienetze.

Das Erreichen der Klimaziele ist für alle Sektoren eine Herkulesaufgabe. Immense Zukunftsinvestitionen sind notwendig, um in allen Bereichen Fortschritte zu erzielen. Daher ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung ihr Klimaschutzsofortprogramm vorlegt, das den Rahmen für die einzelnen Sektoren vorgibt. Die Umsetzung wird angesichts Fachkräftemangel, Lieferkettenproblemen und notwendiger finanzieller Handlungsspielräume noch herausfordernd genug.

Trotz der Einsparbemühungen hat der Gebäudesektor nach Berechnungen des Umweltbundesamts sein Klimaziel verfehlt. Wichtig ist daher, jetzt verstärkt strukturelle Veränderungen anzugehen und die Wärmewende jetzt konsequent umzusetzen. Zentral ist, die Sanierungsrate von 1 auf 2 Prozent zu verdoppeln. In Anbetracht der regionalen Gegebenheiten, der vorhandenen Leitungsinfrastruktur, der spezifischen Wärmequellen und dem Zustand und Alter der Gebäude können die Kommunen vor Ort zusammen mit den Energieversorgern und anderen Stakeholdern am besten entscheiden, wie sich die Wärmeversorgung vor Ort schnell und effizient dekarbonisieren lässt. Zudem dürfen Hauseigentümer weder mit komplexen Anforderungen verunsichert noch finanziell überfordert werden. Dabei ist es entscheidend, dass die Bundesregierung Regelungen aus einem Guss vorlegt. Die kommunale Wärmeplanung, die Umsetzung des 65%-Erneuerbaren-Ziels für neue Heizungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie entsprechende Förderprogramme müssen gemeinsam erdacht und eng verzahnt werden – idealerweise als ein Gesetzespaket. Es kann nicht sein, dass sich Regelungen letztlich gegenseitig behindern.

Mit konkreten Maßnahmen gelöst werden muss die erneute, drastische Verfehlung der CO2-Einsparziele des Verkehrssektors. Hier braucht es dringend eine überzeugende Gesamtstrategie, wie die Klimaziele erreicht werden sollen. Ein erster Schritt muss eine Strategie sein, die aufzeigt, wie das Ziel, bis 2030 15 Millionen E-Autos im Markt zu haben, erreicht werden soll. Das wird nur mit einer Stärkung des Fahrzeugangebots gelingen: mehr bezahlbare E-Automodelle mit akzeptablen Lieferfristen. Fest steht: Das öffentliche Ladeangebot verbessert sich Tag für Tag. Allein im vergangenen Jahr gab es einen Zuwachs von rund 40 Prozent bei der Anzahl der Ladepunkte, bei den Schnelllader sogar einen Zuwachs von 80 Prozent. Damit lassen sich nach aktuellem Ansatz der EU-Kommission heute schon rund 2,5 Millionen vollelektrische Pkw versorgen. Aktuell sind rund 1 Million E-Pkw zugelassen.“

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