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Nachhaltigkeit bei Energie- und Wasserversorgern: Einkauf rückt in den Fokus

Laut einer Studie von BDEW und Capgemini verfolgt die Mehrheit der Unternehmen Ansätze zu nachhaltiger Transformation, die Hälfte auch im Einkauf

Für Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft gewinnt die nachhaltige Transformation aller Geschäftsaktivitäten an Dringlichkeit. Da fossile Energieträger immer weniger zu den Gesamtemissionen beitragen, rücken anteilig andere Unternehmensbereiche stärker in den Blick – insbesondere der Einkauf. Den Stand der Dekarbonisierung in diesem Bereich beleuchtet die neue Studie des BDEW in Zusammenarbeit mit Capgemini Invent, der Beratungseinheit der Capgemini-Gruppe für digitale Innovation, Transformation und Design sowie dem Verband Oesterreichs Energie.

Drei von vier Versorgungsunternehmen planen nachhaltige Transformation systematisch

In Kürze treten drei neue Regelwerke für den Einkauf von Energieversorgern in Kraft oder gelten bereits: Seit Beginn 2022 die EU-Taxonomie-Verordnung, die geplante Corporate Sustainability Reporting Directive sowie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Von den befragten deutschen und österreichischen Versorgern setzt rund ein Viertel (26 Prozent) regulatorische Vorhaben zur Nachhaltigkeit um, wobei ein weiteres Viertel (25 Prozent) die Umsetzung plant. Ebenfalls gut jedes vierte Unternehmen veröffentlicht einen Nachhaltigkeitsbericht (28 Prozent) – eines von zehn Unternehmen aus freien Stücken.

Mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Versorgungsunternehmen treiben ihre nachhaltige Transformation systematisch voran: Ein Drittel (33 Prozent) hat seine Nachhaltigkeitsagenda in der Unternehmensstrategie verankert. Weitere 16 Prozent verfügen ebenfalls über eine solche Agenda und 29 Prozent entwickeln sie zurzeit.

Dekarbonisierung des Einkaufs rückt auf die Nachhaltigkeitsagenda

Von den Gesamtemissionen der Energie- und Versorgungswirtschaft entstehen aktuell 13 Prozent innerhalb der Lieferkette. Bleibt die absolute Menge dieser Emissionen in den kommenden Jahren der Energiewende gleich, wird sie anteilig zu einer der größten Positionen des gesamten Treibhausgasausstoßes werden. Daher verfolgen bei 37 Prozent der Versorgungsunternehmen die Einkaufs- und Nachhaltigkeitsabteilungen gemeinsam das Ziel, die Emissionen auch im Einkauf zu reduzieren und weitere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Einkauf bzw. in der Materialwirtschaft ihres Unternehmens sieht die Mehrheit der Befragten kritisch: 61 Prozent von ihnen nehmen hier Herausforderungen wahr. Dennoch hat mehr als die Hälfte (51 Prozent) bereits neue Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Einkauf angedacht.

Um diese erfolgreich zu skalieren und eine ganzheitliche ESG-Berichterstattung auf Unternehmensebene zu ermöglichen, können Tools eine Schlüsselrolle spielen. Allerdings verfolgt erst eine Minderheit von 43 Prozent Nachhaltigkeitsambitionen mit ihrer Hilfe. Meist sind dies Tools zur Erhebung von Emissionen; speziell für den Einkauf geeignete Tools nutzen bisher 25 Prozent der Unternehmen.

„Die Zeit für nachhaltige Transformation ist jetzt – das hat die Energie- und Wasserwirtschaft erkannt. Die Studie zeigt, wie Versorgungsunternehmen Nachhaltigkeit auch im Einkauf verwirklichen können. Sie unterstützt dabei mit konkreten Handlungsempfehlungen und Best Practices. Regulatorischer Druck kann zusätzlich Impulse geben, wichtiger aber ist: Die Unternehmen sind motiviert, das Richtige zu tun. Damit stärken sie ihre Resilienz sowie ihre Attraktivität für Mitarbeitende und Kunden, für Gesellschafter und die Gesellschaft im Ganzen,“ sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Guido Wendt, Head of Energy & Utilities bei Capgemini Invent in Deutschland, fügt hinzu: „Für Energie- und Wasserversorger gilt es, durch ihre Nachhaltigkeitsstrategie das Dekarbonisierungspotenzial aller Unternehmensbereiche zu erschließen. Je stärker direkte Emissionen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sinken, desto klarer tritt der indirekte Treibhausgasausstoß in der Lieferkette hervor. Mit den richtigen Tools und Technologien können Versorger auch ihren Einkauf auf den Pfad zu Net Zero bringen.“

Richtlinien zu nachhaltigem Einkauf: Bei der Hälfte vorhanden, von jedem Dritten umsetzbar

Auf der operativen Ebene ist für die nachhaltige Transformation des Einkaufs entscheidend, dass die Einkaufsrichtlinie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Dies ist bei knapp jedem zweiten Energie- und Wasserversorger der Fall (48 Prozent) und bei weiteren 20 Prozent geplant. Allerdings fließen erst bei 32 Prozent der Unternehmen Nachhaltigkeitsaspekte in die Bewertung der Lieferanten ein; weitere 25 Prozent bereiten dies vor. Die Basis dafür sind Kenntnisse darüber, inwieweit Zulieferer bestimmte ESG-Kriterien erfüllen. Anhand dessen können bisher 30 Prozent der befragten Unternehmen nachhaltige Vergabekriterien anwenden. Weitere 24 Prozent arbeiten daran.

Hauptmotiv für nachhaltige Transformation bei Versorgern: das Richtige tun

Als wichtiger Indikator für die zukünftige Entwicklung der nachhaltigen Transformation der Energie- und Wasserwirtschaft gibt die Motivation der Unternehmen ein starkes Signal: Für 36 Prozent der Versorger ist die Überzeugung, das Richtige zu tun, der wichtigste Treiber; weitere 19 Prozent nennen dies als zweitwichtigsten Grund. 32 Prozent sehen in der positiven Außenwirkung ihre größte Motivation für Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Regulatorischer Druck oder Kosteneinsparungen stehen für nur 18 bzw. 14 Prozent der Versorgungsunternehmen vorwiegend hinter ihren Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit.

Die Studienautoren empfehlen Entscheiderinnen und Entscheidern im Einkauf, umfassende Transparenz über die Emissionen der bezogenen Guter und Dienstleistungen herzustellen sowie soziale Risiken der Lieferanten systematisch zu erfassen. Geeignete Tools und Technologielösungen zum ESG-Risikomanagement und CO₂-Accounting können in die Systemlandschaft des Unternehmens integriert werden und den Einkauf in Nachhaltigkeitsprozessen sowie bei Governance und Change-Management unterstützen.

Methodik der Studie

Im Rahmen der Studie fand im März 2022 eine quantitative Befragung bei deutschen und österreichischen Energie- und Wasserversorger aller Größenklassen statt: Befragt wurden 134 Personen, in erster Linie Geschäftsführende, Einkaufsleitende und Nachhaltigkeitsbeauftragte sowie Leitende anderer Bereiche. Zudem wurden weitere Erkenntnisse durch persönliche Interviews gewonnen. Ergänzt wird die Studie durch Best Practices zur Umsetzung nachhaltiger Prozesse im Einkauf.

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