„Um die Transformation der Strom- und Wärmeversorgung hin zur Klimaneutralität zu meistern, braucht es Investitionen in wasserstofffähige Gaskraftwerke und KWK-Anlagen. Denn klar ist: Um die Versorgungssicherheit trotz Kohle- und Atomausstiegs sicherzustellen, benötigen wir neue Kraftwerke, die in einer Übergangsphase noch mit Erdgas und dann mit Wasserstoff die gesicherte, regelbare Leistung in den Strom- und Wärmenetzen als Partner der Erneuerbaren Energien gewährleisten. Es geht darum, Übergänge in Richtung Klimaneutralität zu organisieren. Deshalb verfolgt die EU-Kommission grundsätzlich einen richtigen Ansatz, wenn sie Gaskraftwerke zur Strom- und Wärmeerzeugung unter Einhaltung strenger Kriterien als nachhaltig einstuft. Die zahlreichen Kriterien, die die EU-Kommission in ihrem diesbezüglichen Entwurf an neue Gaskraftwerke anlegt, sind jedoch in Summe nicht zielführend im Sinne der Energiewende.
Es ist zwar richtig, dass die EU-Kommission strenge Kriterien für den Bau neuer Gaskraftwerke anlegt. Im aktuellen Entwurf des delegierten Rechtsaktes sind diese Kriterien aber zum Teil redundant und so ehrgeizig, dass sie in ihrer Gesamtheit kaum zu erfüllen sind. Um das Ziel zu erreichen, mit wasserstofffähigen Gaskraftwerken die Energiewende voranzutreiben und die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten, sollte die Kommission ihre Anforderungen anpassen.
Erfreulich ist, dass die EU-Kommission den BDEW-Ansatz eines Emissions-budgets bezogen auf den Lebenszyklus des Kraftwerks aufgreift. Danach werden die Emissionsgrenzwerte nicht auf Gramm pro Kilowattstunde, sondern auf Kilogramm pro Kilowatt installierter Leistung im Schnitt über die zwanzigjährige Laufzeit der Anlagen bezogen. Auf diese Weise lässt sich der Klimaschutz-Effekt des Einsatzes von Wasserstoff zum späteren Zeitpunkt besser abbilden. Allerdings ist der von der Kommission vorgeschlagene Wert von 550 kg/kW nur mit einem sehr schnellen Anstieg der Wasserstoffanteile zu erreichen.
Die im Entwurf vorgeschlagenen Vorgaben für die Wasserstoffverwendungsanteile mit Blick auf die Prognosen zum Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in den kommenden Jahren sind nicht realistisch. Sie stellen zudem hinsichtlich Infrastruktur und Turbinen umfangreiche und komplexe Hürden dar. Der derzeit vorgesehene Einsatz von 30 Prozent Wasserstoff schon im Jahr 2026 wäre nur bei einem massiven Anstieg der Wasserstoff-Verfügbarkeit erreichbar, für den die Politik dann sehr schnell die richtigen Rahmenbedingungen setzen muss. Der von der EU-Kommission vorgesehene Wasserstoffeinsatz geht auch weit über das hinaus, was im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.
Auch das Erfordernis, dass nur solche Gaskraftwerke als nachhaltig gelten, die bestehende Kohle-Kraftwerke ersetzen, wird den Anforderungen der Energiewende nicht gerecht. In den kommenden Jahren werden wir aufgrund des steigenden Strombedarfs im Verkehr und im Wärmemarkt deutlich mehr Strom benötigen als heute. Die Verknüpfung des Neubaus von Gaskraftwerken mit der Abschaltung von Kohlekraftwerken ist deshalb nur dann praktikabel, wenn eine maximale Flexibilität gewährleistet wird. Das bedeutet, dass für den Erhalt der Versorgungssicherheit auch Modernisierungen bestehender Gaskraftwerke für den Wasserstoffbetrieb sowie der Ersatz der im Rahmen des Kohleausstiegs abgeschalteten Kohlekraftwerke erfasst werden müssen. Ebenso sollten Gaskraftwerke zum Ersatz abgeschalteter Kohlekapazitäten nicht zwangsläufig am selben Ort gebaut werden müssen.
Kritisch sehen wir auch die Vorgabe, dass eine unmittelbare Treibhausgasminderung von 55 Prozent vom neuen Kraftwerk im Vergleich zum zu ersetzenden Kraftwerk erreicht werden muss. Wenn beispielsweise ein modernes Steinkohlekraftwerk durch ein neues wasserstofffähiges Gaskraftwerk ersetzt wird, ist dieser Wert trotz erheblicher Emissionseinsparungen nicht erreichbar. Dieses Kriterium würde daher den notwendigen Zubau von Gaskraftwerken hemmen. Da es ohnehin redundant zum Kriterium der Grenzwertvorgaben ist, sollte es gestrichen werden.“